Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007
seinem asketischen Lebensstil. „Er lebt wie ein Armer in diesem Haus“, staunte Assam. „Ich habe nie einen Tisch oder einen Stuhl gesehen. Das Haus jedes ägyptischen oder jordanischen Arbeiters ist besser eingerichtet als das Haus Osamas. Aber wenn man ihn um eine Million Rial für die afghanischen Mudschahidin bittet, schreibt er auf der Stelle einen Scheck aus.“ 36 Doch einmal fühlte sich Assam etwas unwohl, als Bin Laden trotz der drückenden Hitze Saudi-Arabiens die Klimaanlage nicht einschaltete. „Wenn du sie schon hast, warum benutzt du sie dann nicht?“, fragte er irritiert. 37 Widerwillig leistete Bin Laden dem Wunsch seines Gastes Folge.
Bald wurde Dschidda zu einem Durchgangslager für junge Männer, die Scheich Abdullahs Aufruf folgten, sich im afghanischen Dschihad „der Karawane anzuschließen“. Bezahlte Agenten warben Freiwillige und kassierten die Hälfte des Geldes - üblicherweise mehrere hundert Dollar -, das die Rekruten erhielten, wenn sie sich verpflichteten. 38 Besonders gefragt waren junge muslimische Pilger. Um sie an die Front zu locken, versprachen die Agenten ihnen Jobs bei Hilfsorganisationen, die aber nie geschaffen wurden. Flüchtlinge aus Algerien und Ägypten kamen ins Land und wurden vom saudi-arabischen Geheimdienst mit falschen Papieren ausgestattet. Die Saudi Binladin Group, die in Kairo ein Büro zur Anwerbung qualifizierter Arbeitskräfte für die Renovierung der beiden Moscheen unterhielt 39 , wurde zu einem Schleuserkanal für Radikale, die in Afghanistan kämpfen wollten. Wahrscheinlich nahm auch Sawahiri mit den Ägyptern Kontakt auf, die durch Dschidda reisten, wodurch er in den Zuständigkeitsbereich Osama Bin Ladens geriet.
Bin Laden eröffnete eine Herberge auf halbem Wege für die Rekruten und brachte sie sogar in seiner Wohnung unter. 40 Im Sommer organisierte er spezielle Militärlager für Schüler und Studenten. 41 Trotz seiner Jugend wurde er rasch zu einem erfolgreichen Spendensammler. Reiche Privatleute, auch Mitglieder des Königshauses, gaben bereitwillig Geld. Die saudische Regierung unterstützte diese Bemühungen, indem sie stark verbilligte Flüge mit der nationalen Fluggesellschaft nach Pakistan anbot, dem Aufmarschgebiet für den Dschihad. Kronprinz Abdullah spendete persönlich Dutzende von Lastwagen. 42 Es war eine große nationale Anstrengung, obwohl sich dadurch Arten der Wohltätigkeit und Vereinigungen etablierten, die sich später als desaströs erweisen sollten. Die Menschen, die sich dem heiligen Krieg in Afghanistan anschlossen, glaubten, der Islam sei bedroht durch den Vormarsch des Kommunismus. Afghanistan bedeutete den meisten nur wenig, was zählte, war der Glaube des afghanischen Volkes. Sie wollten ein Zeichen setzen gegen den Rückzug ihrer Religion, die für sie Gottes letztes Wort war und die einzige Hoffnung der Menschheit auf Erlösung.
Auch Dschamal Chalifa ließ sich von Assams Argumenten überzeugen. Später eröffnete er seinem Freund Osama, dass er sich entschlossen habe, nach Afghanistan zu gehen. Um zu signalisieren, dass er diese Entscheidung billigte, bot ihm Osama an, seine Lieblingsschwester Scheicha zu heiraten. Sie war geschieden und sieben Jahre älter als Osama, der sich um sie und ihre drei Kinder kümmerte. Weil Dschamal sie nicht gleich sehen durfte, pries sein Freund überschwänglich ihr angenehmes Wesen, ihren Humor und ihre Gottesfürchtigkeit.
„Wovon redest du?“, fragte Chalifa. „Und wenn ich nun sterben sollte?“
Doch er erklärte sich einverstanden, sie sich anzuschauen, sobald ein Treffen arrangiert werden konnte. Als er sie sah, entschied er, Scheicha sei „das Beste, was ich in meinem Leben jemals kennen gelernt habe“. Er verschob die Hochzeit allerdings um ein Jahr, falls er in Afghanistan den Märtyrertod sterben sollte.
Auch Bin Laden wollte nun offen nach Afghanistan reisen, erhielt dazu aber keine Erlaubnis der Behörden. „Die saudische Regierung bat mich offiziell, nicht nach Afghanistan zu fahren wegen der engen Verbindungen zwischen meiner Familie und ihr“, erzählte Bin Laden später. „Mir wurde befohlen, in Peschawar zu bleiben, denn wenn die Russen mich festgenommen hätten, wäre dies ein Beweis gewesen, dass wir gegen die Sowjetunion arbeiten. Ich habe dem Befehl nicht Folge geleistet. Die Regierung glaubte, meine Einreise nach Afghanistan würde ihr schaden. Ich hörte nicht auf sie.“ 43
Doch er musste noch einer weiteren Autorität die Stirn bieten, was
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