Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007
Ende weiße Zelte aufgestellt, wodurch sie für die sowjetischen Bomber ein leichtes Ziel boten. „Warum tut ihr das?“, fragte sie der Reporter ungläubig. „Wir wollen, dass sie uns bombardieren! “, antworteten ihm die Männer. „Wir wollen sterben!“Sie waren überzeugt, dass sie einen Auftrag Gottes erfüllten. Wenn sie wirklich auserwählt waren, würde Gott sie mit dem Märtyrertod belohnen. „Ich wünschte, ich könnte angreifen und getötet werden, angreifen und getötet werden und wieder angreifen und getötet werden“, verkündete Bin Laden später unter Verwendung eines Zitats des Propheten. 35
IM KORAN finden sich zahlreiche Hinweise auf den Dschihad; einige beziehen sich auf das innere Streben nach Vollkommenheit, das der Prophet als den „großen Dschihad“bezeichnet hatte, doch an anderen Stellen wird den Gläubigen ausdrücklich aufgetragen, „die Götzendiener zu töten, wo immer ihr auf sie stoßt“und „jene zu bekämpfen, die nicht an Gott glauben … bis sie die Sakat zahlen und sich unterwerfen“. Nach Ansicht mancher islamischer Religionsgelehrter gelten diese Anweisungen jedoch nur dann, wenn die Ungläubigen einen Krieg beginnen, Muslime verfolgt werden oder der Islam insgesamt bedroht ist. Der Koran, so erklären diese Denker, verpflichte die Muslime: „Kämpft für Gottes Sache gegen jene, die euch bekämpfen, doch überschreitet das Maß nicht, denn Gott liebt nicht die Maßlosen.“
Unter dem Eindruck des Krieges in Afghanistan gelangten viele radikale Islamisten zu der Auffassung, dass der Dschihad endlos sei. Der Kampf gegen die sowjetischen Besatzer war für sie nur ein Scharmützel in einem ewigen Krieg. Sie nannten sich Dschihadisten, womit sie zum Ausdruck bringen wollten, dass der Krieg den Kern ihrer Religionsauffassung bilde. Das war ein natürlicher Auswuchs der Erhöhung des Todes über das Leben durch die Islamisten. „Wer stirbt und nicht gekämpft hat und nicht entschlossen war zu kämpfen, ist einen Dschahilija-Tod gestorben“, verkündete Hassan al-Banna, der Gründer der Muslimbruderschaft. Mit einem Anflug von Sufi-Mystik fügte er hinzu: „Der Tod ist eine Kunst.“ 36
Der Koran verkündet ausdrücklich: „Es gibt keinen Zwang in der Religion.“Daraus ließe sich ein Verbot des Krieges gegen NichtMuslime und gegen Muslime anderer Glaubensrichtungen ableiten. Doch Sajid Qutb verwarf die Auffassung, dass der Dschihad lediglich eine defensive Maßnahme zum Schutz der Gemeinschaft der Gläubigen sei. „Der Islam ist nicht nur ein ‚Glaube‘“, schrieb er. „Der Islam ist eine Proklamation der Freiheit des Menschen von der Unterwerfung unter andere Menschen. Daher strebt er von Anbeginn an danach, all jene Systeme und Regierungen zu beseitigen, die auf der Herrschaft des Menschen über den Menschen beruhen.“ 37 Qutb vertrat die Auffassung, dass ein Leben ohne Islam Sklaverei sei; 38 wahre Freiheit könne man daher erst erlangen, wenn die Dschahilija vernichtet sei. Erst wenn die Herrschaft des Menschen beseitigt und die Scharia durchgesetzt sei, werde der Religionszwang aufgehoben sein, denn dann werde es nur noch eine einzige Wahlmöglichkeit geben: den Islam.
Doch die Ausrufung des Dschihad spaltete die muslimische Gemeinschaft. Es gab nie einen Konsens darüber, dass der Dschihad in Afghanistan eine echte religiöse Pflicht sei. In Saudi-Arabien beispielsweise weigerte sich die dortige Sektion der Muslimbrüder, ihre Mitglieder in den Dschihad zu schicken, wenngleich sie die Hilfe für Afghanistan und Pakistan unterstützte. 39 Jene, die in den Kampf zogen, waren häufig nicht mit den etablierten muslimischen Organisationen verbunden und daher empfänglicher für radikale Parolen. Viele besorgte saudische Väter fuhren zu den Ausbildungslagern, um ihre Söhne nach Hause zu holen. 40
Die begeisterten Idealisten, die Assams Aufruf folgten, betrachteten Afghanistan als den Beginn der Rückeroberung der Vormachtstellung des Islams in der Welt, die nicht nur die Befreiung der Afghanen umfassen solle, sondern auch die Wiedererlangung all jener Gebiete zwischen Spanien und China, die unter der erleuchteten Herrschaft der Muslime gestanden hatten, als Europa noch im Dunkel des Mittelalters gefangen war. Doch die Wiederherstellung des einstigen Großreiches war nur der erste Schritt. Im nächsten Stadium sollte der Krieg gegen die Ungläubigen geführt werden, der schließlich im Tag des Jüngsten Gerichts gipfeln würde.
Doch die arabischen
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