Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007
Sowjets entzogen. An einem Höhenzug südwestlich des Khyber-Passes, der Papageienschnabel genannt wird, ragen die Stammesgebiete tief nach Afghanistan hinein. Der nördliche Hang des Papageienschnabels heißt Tora Bora. Dieser Name bedeutet „schwarzer Staub.“In diesem abgelegenen, unwirtlichen Landstrich gibt es zahlreiche Höhlen aus besonders hartem Quarz und Feldspat. Bin Laden erweiterte diese Höhlen und baute neue, die als Waffenkammern dienen sollten. 43 Hier, aus diesem Gewirr von Waffenhöhlen heraus, die er für die Mudschahidin einrichtete, sollte Bin Laden später seine Kriegserklärung an Amerika abgeben.
Im Mai 1986 führte Bin Laden eine kleine Gruppe von Arabern, die sich afghanischen Kämpfern in Dschadschi anschließen wollten, in Sajafs Zuständigkeitsgebiet nahe der pakistanischen Grenze. Eines Nachts ging über den Zelten der Araber eine Art Steinhagel nieder, wobei es sich vermutlich um Splitter von Bomben handelte, die hin und wieder in der Ferne abgeworfen wurden. Als ein jemenitischer Koch das Frühmal zubereiten wollte, gab es eine gewaltige Explosion. „Gott ist groß! Gott ist groß!“, schrie der Koch. „Mein Bein! Mein Bein!“ 44 Die Araber wachten auf und stellten fest, dass rund um ihr Lager Minen verstreut lagen, die man aber kaum sehen konnte, weil sie grün waren und im Gras verschwanden. Als sie abzogen, schlug eine Lenkrakete wenige Meter neben Bin Laden ein. Dann schleuderte eine heftige Explosion auf dem Berg Felsbrocken und Holzstücke durch die Luft. Drei Männer wurden verletzt und einer, ein ägyptischer Student, wurde getötet. Die Araber gerieten in Panik und erlebten eine weitere Demütigung, als die afghanischen Kämpfer sie aufforderten, zu verschwinden, weil sie hier völlig nutzlos seien.
Trotz dieses ernüchternden Erlebnisses finanzierte Bin Laden Ende 1986 das erste dauerhafte arabische Lager, das wiederum in Dschadschi errichtet wurde. 45 Dadurch geriet er in Konflikt mit seinem Mentor Assam, der sich strikt gegen dieses Vorhaben ausgesprochen hatte. Beide Männer wurden von kühnen, aber unrealisierbaren Träumen geleitet. Assam strebte danach, die nationalen Differenzen zu beseitigen, die das muslimische Volk daran hinderten, sich zu vereinen. Aus diesem Grund wollte er die arabischen Freiwilligen unter den verschiedenen afghanischen Kommandoeinheiten aufteilen, wenngleich nur wenige Araber die lokalen Sprachen beherrschten oder eine militärische Ausbildung absolviert hatten. Sie waren daher lediglich Kanonenfutter. Andererseits war ein festes Lager, wie es Bin Laden vorschwebte, eine Verschwendung von Geld und Menschenleben angesichts der Guerillataktik, welche die Afghanen verfolgten. Bin Laden dachte bereits an die Zukunft des Dschihad, und das Lager in Dschadschi war für ihn ein erster Schritt zur Schaffung einer arabischen Fremdenlegion, die überall Krieg führen konnte. Bislang hatte er seinen Traum den Zielen des älteren Kampfgefährten untergeordnet, doch jetzt spürte er den Ruf des Schicksals.
Um zu verhindern, dass sich Bin Laden seinem Einfluss entzog, entsandte Assam Dschamal Chalifa, der ihn wieder zur Raison bringen sollte. Niemand konnte freimütiger oder mit größerer Autorität mit Osama Bin Laden sprechen als sein alter Freund und Schwager. Chalifa überquerte die afghanische Grenze zusammen mit Sajaf, der das bergige Gebiet rund um Dschadschi kontrollierte. Das Lager lag hoch oben, war kalt und dem erbarmungslosen Wind ausgesetzt. Osama - der Löwe - nannte diesen Ort Masada, die Höhle des Löwen. Er erzählte, er sei durch Hassan Ibn Thabit, den Lieblingsdichter des Propheten, auf diesen Gedanken gekommen, der über eine andere Festung mit demselben Namen geschrieben hatte: 46
Wer das Klirren von Schwertern hören will, Der komme zur Masada, Wo er mutige Männer finden wird, die bereit sind zu sterben im Namen Gottes.
Damals sah Bin Ladens Version der Masada noch längst nicht wie jenes bestens ausgestattete Höhlen-Ausbildungslager aus, das es später werden sollte. Chalifa war ein begeisterter Pfadfinder gewesen, und in seinen Augen genügte dieses schäbige und unorganisierte Camp, das hinter Kiefern versteckt war, nicht einmal den Ansprüchen eines Kinderlagers. Es gab einen Bulldozer, einige billige ägyptische Kalaschnikow-Imitate und Mörser, ein paar kleine Flugabwehrgeschütze, die von den Märkten in Peschawar stammten, und chinesische Raketen ohne Abschussvorrichtung. Um eine Rakete abzufeuern, musste der
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