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Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007

Titel: Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Wright
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    Bin Ladens Männer langweilten die Bauarbeiten, und sie drängten ihn, endlich wieder Aktionen gegen die Russen zu unternehmen. Am ungeduldigsten war ein korpulenter, 45 Jahre alter Palästinenser, Scheich Tamim al-Adnani 52 , ein ehemaliger Englischlehrer, der als Imam in der Luftwaffenbasis Dhahran in Saudi-Arabien tätig gewesen war, bis ihm dieser Posten wegen seiner radikalen Ansichten entzogen worden war. Der bleiche, füllige Mann mit einem dünnen, stellenweise ergrauenden Bart, verlegte sich daraufhin auf Vorträge und sammelte Millionen Dollar für die Mudschahidin. Seine Gelehrsamkeit und Weltläufigkeit und seine glühende Sehnsucht nach dem Martyrium verliehen ihm eine Autorität, die fast jener von Bin Laden gleichkam. Abdullah Assam, der sehr viel von ihm hielt, nannte ihn den „Hohen Berg“.
    Scheich Tamim wog fast 180 Kilo. Über seine Leibesfülle belustigten sich häufig die jungen arabischen Kämpfer, von denen die meisten noch keine 18 Jahre alt waren. 53 Sie mussten ihn bisweilen mit Stricken über steile Hänge hochziehen und witzelten dabei, dass sich die Pferde sein Gesicht gemerkt hätten und ihn nicht länger tragen wollten. Doch Scheich Tamims Engagement für den Dschihad beflügelte sie. Trotz seines Alters und seiner schlechten körperlichen Verfassung nahm er am Trainingsprogramm teil. Er lag Bin Laden ständig in den Ohren, er solle seine Leute ins Gefecht schicken, und schlug sich damit auf die Seite der besonders wagemutigen und unbedachten Männer im Lager, die sich nach dem Tod sehnten. Bin Laden konnte ihn bremsen, indem er auf die noch unzureichende Ausbildung verwies und darauf, dass zuerst die Baumaßnahmen abgeschlossen werden müssten, aber Tamim ließ nicht locker.
    Als Bin Laden Ende März 1987 nach Saudi-Arabien zurückkehrte, nutzte Tamim die Gunst der Stunde. Er überredete Abu Hadscher al-Iraki, dem Bin Laden das Kommando über die Löwenhöhle übertragen hatte, einen kleinen nahe gelegenen sowjetischen Außenposten anzugreifen. Abu Hadscher sträubte sich zunächst und erklärte, er sei nicht befugt, eine solche Entscheidung zu treffen, gab aber schließlich nach und erteilte seine Zustimmung. Der Scheich stellte umgehend einen Trupp von 14 bis 16 jungen Männern zusammen, die für den Transport den Berg hinunter ihre schweren Waffen auf ein Pferd luden. Immer wieder rutschten die Waffen vom Rücken des Pferdes herab und landeten im Schnee. Tamim hatte keinen Plan, er wollte nur die Sowjets angreifen und sich dann sofort wieder zurückziehen, und er war auch nicht sicher, ob sie überhaupt in die richtige Richtung gingen. Wenn es tatsächlich zu einem Feuergefecht zwischen den Arabern und den Sowjets kam, wäre Tamim gar nicht imstande gewesen, zusammen mit den flinken jungen Kämpfern, die ihn begleiteten, wieder den Berg hinaufzulaufen. Doch Vorsicht gehörte nicht zu seinen herausragenden Eigenschaften.
    Plötzlich drang Abu Hadschers Stimme aus dem Funkgerät. Bin Laden sei zurückgekommen und wäre über die Aktion sehr beunruhigt. Er befehle den Männern, sofort ins Lager zurückzukehren.
    „Sag ihm, dass wir nicht umkehren“, antwortete Scheich Tamim. 54
    Jetzt meldete sich Bin Laden selbst. „Scheich Tamim, kehr sofort um!“, befahl er. „Wenn du es nicht tust, versündigst du dich, denn ich bin dein Kommandeur, und ich befehle dir, umzukehren!“
    Tamim gab widerwillig nach, gelobte jedoch, so lange zu fasten, bis er die Chance erhalten würde, an einem Gefecht teilzunehmen. Nach seiner Rückkehr in die Höhle des Löwen weigerte er sich drei Tage lang zu essen und zu trinken. Er wurde so schwach, dass Bin Laden schließlich eine kleine Aktion organisierte, damit Tamim sein Gelübde einlösen konnte, zumindest symbolisch. Er gestattete dem Scheich, einen Berg zu besteigen und von dort mit Mörsern und einem Maschinengewehr in Richtung des Feindes zu feuern. Dennoch blieb Scheich Tamim eine Gefahr für Bin Ladens Autorität, da viele Araber ihn unterstützten und erklärten, sie seien wegen des Dschihad hierher gekommen, nicht um in den Bergen zu campen. „Ich fürchtete, einige der Brüder könnten in ihre Herkunftsländer zurückkehren und ihren Leuten erzählen, dass sie ein halbes Jahr hier gewesen seien, ohne auch nur einen einzigen Schuss abzufeuern“, räumte Bin Laden ein. „Dadurch hätte bei den Menschen der Eindruck entstehen können, dass wir ihre Unterstützung nicht brauchen.“ 55 Er musste beweisen, dass die Araber keine

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