Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007
anzudienen.
Diese Vorwürfe sorgten in Peschawar für große Aufregung. An den Mauern tauchten Plakate auf mit der Forderung, Assam vor Gericht zu stellen. In den Moscheen kam es zu Kämpfen zwischen den Lagern der Kontrahenten. Hinter den Beschuldigungen gegen Assam steckten die takfiristischen Ärzte am Kuwaiter Krankenhaus des Roten Halbmonds: Sawahiri und seine Kollegen. Es war ihnen bereits gelungen, Assam aus der Führung der Klinikmoschee zu verdrängen, und jetzt kündigten sie hämisch seinen endgültigen Sturz an. 46 „Bald werden wir erleben, wie Abdullah Assam in Peschawar die Hand abgehackt wird“, rief der Algerier Dr. Ahmed al-Wed in einer Versammlung. 47
Sie bildeten ein Tribunal, das über die Beschuldigungen zu Gericht sitzen sollte, wobei Dr. Fadl als Ankläger und zugleich als Richter fungierte. Das Takfiristen-Tribunal hatte zuvor bereits über einen Mudschahid verhandelt, der des Abfalls vom Glauben für schuldig befunden wurde. Sein zerstückelter Leichnam wurde in einer Tasche aus Sackleinen an einer Straße in Peschawar gefunden.
Am zweiten Verhandlungstag eilte Bin Laden nach Mitternacht davon, um seinen engsten saudischen Freund, Wael Dschuleidan, zu holen, der mit Schüttelfrost und hohem Fieber im Bett lag, da er an Malaria litt. Bin Laden bat Dschuleidan, schnellstens zu kommen. „Wir können den Ägyptern nicht trauen“, erklärte er. „Wenn diese Leute die Chance erhalten, eine Verurteilung von Dr. Abdullah Assam durchzubringen, dann werden sie ihn töten, das schwöre ich bei Gott.“ 48 Dschuleidan folgte Bin Laden zur Verhandlung, die noch einige Stunden dauerte. Die Richter entschieden gegen Assam und verfügten, dass die Hilfsgelder Abu Abdul Rahman zurückgegeben werden müssten, doch aufgrund Bin Ladens Intervention ersparten sie Assam die Schmach einer öffentlichen Verstümmelung. Aus der Sicht von Assams Feinden war dieses Urteil inkonsequent und unbefriedigend, denn es ermöglichte Assam, weiterhin die Galionsfigur zu spielen; sie waren entschlossen, ihn vollständig zu vernichten.
GENERAL Boris W. Gromow, der Befehlshaber der sowjetischen Streitkräfte in Afghanistan, passierte am 15. Februar 1989 die Brücke der Freundschaft nach Usbekistan. „Hinter mir ist kein einziger sowjetischer Soldat auf afghanischem Territorium zurückgeblieben“, verkündete der General. „Unsere neunjährige Anwesenheit ist damit beendet.“ 49 Die Sowjets hatten 15 000 Tote zu beklagen, mehr als 30 000 Soldaten waren verwundet worden. 50 Zwischen einer und zwei Millionen Afghanen waren ums Leben gekommen, wahrscheinlich 90 Prozent davon Zivilisten. 51 Ganze Dörfer waren ausgelöscht, das Vieh getötet und die Ernten vernichtet worden, und das Land war mit Minen übersät. Ein Drittel der Bevölkerung hatte in Lagern in Pakistan oder Iran Zuflucht gesucht. 52 Doch die kommunistische Regierung Afghanistans konnte sich in Kabul weiter an der Macht halten, und der Dschihad trat in eine neue, unübersichtliche Phase ein.
Mit dem Ende der Besatzung setzte ein plötzlicher und überraschender Zustrom arabischer Mudschahidin ein, darunter Hunderte Saudis, die den abziehenden russischen Bären verfolgen wollten. Laut amtlichen pakistanischen Statistiken kamen zwischen 1987 und 1993 mehr als 6000 Araber nach Afghanistan, die am Dschihad teilnehmen wollten, doppelt so viele, wie der Kampf gegen die sowjetische Besatzung angezogen hatte. 53 Diese jungen Männer unterschieden sich von den glaubensstarken Kämpfern, die von Abdullah Assam nach Afghanistan gelockt worden waren. Es waren „Männer mit viel Geld und starken Gefühlen“, wie ein al-Qaida-Mitglied notierte. 54 Verwöhnte Kinder aus den Golfstaaten unternahmen Ausflugsreisen nach Afghanistan, untergebracht in klimatisierten Frachtcontainern; 55 man gab ihnen Panzerfäuste und Kalaschnikows, mit denen sie in die Luft feuern konnten, und wenn sie heimkehrten, konnten sie mit ihren Abenteuern prahlen. Viele von ihnen waren Highschool- oder Universitätsabsolventen, die erst vor kurzem die Religion entdeckt hatten. Niemand kannte ihre Herkunft, keiner konnte sich für sie verbürgen. Chaos und Barbarei, die in der Bewegung stets die Oberhand zu gewinnen drohten, nahmen schlagartig zu, als Bin Laden an die Spitze trat. Banküberfälle und Morde waren nun fast an der Tagesordnung, gerechtfertigt durch absurde religiöse Behauptungen. Eines Tages hielt eine Gruppe von Takfiristen einen Lastwagen einer islamischen Hilfsorganisation an
Weitere Kostenlose Bücher