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Der Tod wirft lange Schatten

Der Tod wirft lange Schatten

Titel: Der Tod wirft lange Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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gestimmt sein. Spätestens wenn sie sich von ihrem neuen Liebhaber getrennt hätte!
    Bevor auch Laurenti sich davonmachen würde, wollte er noch eine Sache in den Akten nachschauen, die ihn beschäftigte. Er wußte nicht genau, was es war. Es war mehr eine Ahnung. Er hatte endlich Witterung aufgenommen wie einst der schwarze Hund Galvanos, solange er noch im Dienst gewesen war.
    Die Akte Perusini hatte man laut Stempel zum letzten Mal 1995 geöffnet, als das ominöse Tonband aufgetaucht war. Die Akte de Henriquez 1994, drei Tage vor einer möglichen Verjährung eines neuen Straftatbestandes, den die beiden inzwischen betagten Kinder des Sammlers eingereicht hatten und den Laurenti als einen letzten verzweifelten Versuch der Angehörigen wertete, den Fall vor der endgültigen Archivierung zu retten. Seitenlang führten sie plötzlich Beweis, daß de Henriquez Diebe auf frischer Tat erwischt habe, die ihn aus dem Weg räumten, um unerkannt zu bleiben. Die Verdächtigen wurden in dem Schriftsatz zwar namentlich genannt, doch hatte man sie schon in früheren Ermittlungen erfolglos befragt. Und schon 1988 war der letzte Carabinieri-Offizier, der den Fall neu aufgerollt hatte, in einem Interview mit der Presse zum Schluß gekommen, daß der Sammler eines gewaltsamen Todes gestorben war. Blieben Suizid und Mord. Daß der Mann selbst Hand an sich gelegt hatte, paßte auf den ersten Blick nicht zu seiner Psychostruktur. Laurenti erinnerte sich, daß der Sohn des Sammlers sich öffentlich so häufig über den Tod seines Vaters geäußert und von politischen Motiven für einen Mord gesprochen hatte, daß es peinlich war. Wiederholt hatte er einen ukrainischen SS-Mann als Drahtzieher benannt, der nach dem Krieg unbehelligt in Triest lebte. Vor kurzem hatte er sogar die Adresse des Schergen preisgegeben, ohne zu wissen, daß der längst verstorben war. Der verzweifelte Versuch eines Sohnes, Licht in einen Fall zu bringen, der offenbar nicht zu lösen war. Auch durch Laurenti nicht. Trotzdem blätterte er hastig die Seiten um und ließ sich von seinem Instinkt leiten. Eine Sache hatte er doch schon gefunden: Der fehlende dritte Schlüssel. Laurenti überflog noch einmal die Vernehmungsprotokolle bis zur Aussage des Schlossers. Dann zog er aus dem Vorgang Perusini die Verhöre heraus, die von den Kollegen in Venedig aufgrund der Angaben auf dem Tonband geführt wurden, und endlich stolperte er über die letzte Einvernahme eines Jugoslawen, der in Bari im Knast saß. Seine Aussage brachte Laurenti zum Lachen. Der Inhaftierte gab an, nicht homosexuell zu sein, weil er neunmal verheiratet gewesen war. Er bestritt, die Personen zu kennen, nach welchen er gefragt wurde, und stellte sich auch in allem anderen blöd. Die Ermittler waren seiner wohl sehr rasch überdrüssig gewesen, doch Laurenti stutzte. War da nicht ein Name dabei, der schon bei de Henriquez aufgetaucht war? Der Name eines Uhrmachers aus dem ehemaligen Jugoslawien, der seit Jahrzehnten in Triest ansässig war. Angeblich hatte er de Henriquez viel Geld geliehen und ihn zu Erwerbungen nach Ljubljana begleitet. Der Sammler beglich seine Schuld mit Haushaltsgeräten, die von einem Laden in der Via Fabio Severo geliefert wurden, aber natürlich viel billiger waren. Warum so umständlich? Laurenti suchte wieder in der Akte Perusini. Es handelte sich ohne den geringsten Zweifel um die gleiche Person. Hier wurde er als Antiquitätenhändler bezeichnet. Laut Protokoll war er bei einem Abendessen in einer Pizzeria in der Via Udine zugegen, wo der Professor mit einigen anrüchigen Kerlen von jenseits der Grenze saß und versuchte, ihre schwulen Dienste käuflich zu erwerben. Der Mann wurde nie verhört, obgleich er mehrfach erwähnt war. Nur ein harmloser Fall aus dem Schwulenmilieu oder mehr?
    Laurenti war nervös. Wegen der verteilten Zuständigkeiten hatte wohl nie jemand vor ihm beide Akten zusammen gelesen, und es war mehr als Glück, daß er bereits nach so kurzer Zeit auf einen Zusammenhang zwischen den beiden Fällen gestoßen war, der über den Brief hinausging, den der Cousin Perusinis elf Jahre nach dessen Tod und ohne einen einzigen Beweis an die Staatsanwaltschaft in Triest geschickt hatte. Doch warum lag dieser Brief in der Akte de Henriquez und nicht dort, wo er eigentlich hingehörte? War es dem zuständigen Staatsanwalt einfach durchgerutscht, oder hatte es Methode? Laurenti fragte telefonisch die Daten dieses Mannes ab. Er führte noch immer ein

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