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Der Tod wirft lange Schatten

Der Tod wirft lange Schatten

Titel: Der Tod wirft lange Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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Schild an der Ladentür, obwohl drinnen Licht brannte. Laurenti klopfte zweimal, ahnte jedoch, daß er Graziella, die Inhaberin des Antiquitätengeschäfts und eine gute Freundin Lauras, eher in einer Bar um die Ecke antreffen würde. Es war zu heiß für die Kundschaft. Beim dritten Lokal, dem »Maldobrie«, hatte er Erfolg. Graziella hatte soeben bezahlt und kam ihm entgegen.
    »Suchst du ein Geschenk für deine Frau?« fragte sie anstelle eines Grußes.
    »Weshalb?«
    »Hat sie nicht nächste Woche Geburtstag?«
    Um ein Haar hätte er es vergessen. Aber wozu gibt es die Inhaber guter Geschäfte?
    »Vor kurzem habe ich einen außergewöhnlichen Ring mit einem großen Aquamarin hereinbekommen«, sagte Graziella. »Damit könntest du ihr eine enorme Freude bereiten. Ein Meisterwerk aus den frühen zwanziger Jahren. Komm mit, ich zeig ihn dir.«
    Nachdem sie den Laden aufgeschlossen hatte, steuerte sie direkt zu einer Jugendstil-Vitrine und nahm das Stück heraus. »Schau den Stein an und die Fassung. Wirklich außergewöhnlich.«
    »Und an was für einen Preis hast du gedacht?« Laurenti hielt den Ring gegen das Licht.
    »Du bekommst natürlich Skonto, Laurenti.« Graziella nannte einen Betrag, der nicht für einen Polizistengeldbeutel bestimmt war, auch nicht für den eines Vizequestore. »Er ist ideal für Laura. Für das Sternzeichen Zwilling öffnet der Aquamarin den Weg zu innerem Wissen.«
    »Um Gottes willen. Daran fehlt es ihr nun wirklich nicht.«
    »Hör auf meinen Rat. Ich habe das Leuchten in ihren Augen gesehen, als sie ihn entdeckte. Ein bißchen kann ich mit dem Preis noch nachgeben, und natürlich kannst du in Raten bezahlen. Mach dir darüber keine Gedanken.«
    »Ich werd’s mir überlegen. Eigentlich bin ich wegen etwas ganz anderem gekommen«, sagte Laurenti. »Ich brauche eine Auskunft über einen deiner Kollegen.«
    Graziella tat, als hätte sie ihn nicht gehört. »Warte nicht zu lange. Wenn ein Tourist aus Österreich oder Deutschland diesen Ring sieht, ist er sofort weg.«
    Laurenti kannte sie zu lange, um nicht zu wissen, daß er mit einer Vollblutkauffrau sprach, die ihr schönes Haus in Barcola dank der Einnahmen des kleinen Ladens im Getto finanzierte. Aber sie hatte ihn noch nie übers Ohr gehauen, und der Ring wäre wirklich ein schönes Geschenk für Laura. Er war drauf und dran, in den Handel einzuschlagen, doch als er zögerte, kam Graziella ihm zuvor.
    »Die paar Tage bis zu ihrem Geburtstag kann ich ihn natürlich zur Seite legen.« Sie nahm den Ring, steckte ihn in ein Wildledersäckchen und ging in den hinteren Teil des Ladens, wo sich der Safe befand. Als sie zurückkam, knipste sie das Licht im Geschäft aus. »Ich mache Schluß für heute. Bei dem Wetter läßt sich sowieso niemand mehr blicken. Hast du Lust auf ein Glas Wein?«
    Laurenti schlug vor, mit seinem Dienstwagen zu fahren, den er an der Piazza San Giovanni im Halteverbot abstellen konnte, ohne sich von den geifernden Stadtpolizisten einen Strafzettel einzuhandeln.
    In der »Malabar« herrschte Hochbetrieb. Sie wählten einen der Tische auf der Piazza, der weit genug von den anderen wegstand. Walter kam mit einer Flasche und zwei Gläsern, ohne daß sie bestellt hatten.
    »Inferno«, sagte er.
    »Stimmt.« Laurenti nickte.
    »Ich meinte den Wein. Ein Spitzenprodukt aus dem Valtellina. Inferno Mazér 01 von Nino Negri. Das ist genau dein Wein. Die Weinberge werden Inferno genannt, weil sich dort im Sommer eine höllische Hitze entwickelt.«
    »Und Triest?«
    »Nennen wir einfach Inferno 2«, sagte Walter und schenkte ein.
    Graziella hob erstaunt die Augenbrauen, als Laurenti endlich mit seinem Anliegen herausrückte. Sie schaute sich kurz nach allen Richtungen um, als wollte sie sich vergewissern, daß niemand zuhörte.
    »Dein Freund ist ein spezieller Fall. Niemand kennt ihn besonders gut. Es heißt, er sei ein Spitzel gewesen. Wie du weißt, wimmelte es nach dem Krieg vor Spionen in Triest. Hier saßen die Geheimdienste wie in Berlin und Wien, erst recht, als die Stadt 1947 zum Freistaat unter alliierter Verwaltung erklärt wurde und ihr weiteres Schicksal nicht absehbar war. Ob sie autonom bleiben würde, italienisch oder jugoslawisch oder gar, wie manche munkelten, ein amerikanischer Bundesstaat. Hinter den Kulissen wurde hier eine andere Schlacht des Kalten Krieges geführt. Der eiserne Vorhang wäre um ein Haar westlich der Stadt verlaufen. Und über kroatische Klöster wurden mit Hilfe des Vatikans

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