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Der Tod wirft lange Schatten

Der Tod wirft lange Schatten

Titel: Der Tod wirft lange Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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wird.«
    Selbst mit Blaulicht und Sirene gäbe es kein Durchkommen aus dieser Richtung. Laurenti ärgerte sich. Warum eigentlich hatte er in diesem Frühjahr nur für Laura einen Motorroller gekauft? Zum Geburtstag hatte er ihn ihr geschenkt. Und er stand meistens unbenutzt auf dem Parkplatz hinter dem Haus, während Laurenti mit dem Dienstwagen im Stau stand. Er rief Orlando an, daß er zu spät kommen würde. Dann bat er den Fahrer, ihn nach Muggia zu fahren, von wo er mit dem »Delfino Verde«, dem Linienschiff, bis zur Stazione Marittima fahren wollte. Das war die einzige Chance.
    Der Fußweg vom Anleger zur Guardia Costiera war kurz, aber beschwerlich. Irgendein kluger Kopf in der Stadtverwaltung hatte den Auftrag gegeben, pünktlich zur schönsten Jahreszeit und zum freundlichen Empfang der Touristen, die nicht an der Stadt vorbeifuhren, die Parkplätze auf den Rive aufzureißen, die Steinquader aus der Zeit Maria Theresias zu entfernen und die ganze Anlage zu asphaltieren. Laurenti fragte sich, wer wohl das Riesengeschäft gemacht hatte. Er brauchte eine Weile, bis er durch die Absperrungen hindurchfand und auf der unversehrten Uferpromenade weitergehen konnte. Er schwitzte schon wieder, als er an der Pforte zur Küstenwache klingelte. Bevor er zu Orlando ging, suchte er die Toilette auf und schüttete sich kaltes Wasser ins Gesicht.

Mia und Calisto
    Zuerst hatte Rosalia nach ihr gesucht, jetzt war es Calisto. Unzählige Nachrichten hatte er bereits auf ihrem Mobiltelefon hinterlassen, doch Mia wollte nicht zurückrufen. Nun, da sie zu verstehen versuchte, was in der kurzen Zeit seit ihrer Ankunft alles passiert war, fand sie es schon befremdlich genug, daß sie diesen Mann, der ihr anfangs so unsympathisch war, wenig später hatte so nahekommen lassen. Für einen Moment war sie deswegen zornig auf ihn, dann aber dachte sie an die letzten Tage mit ihm, die sie genossen hatte. So viele schöne Orte hatte er ihr gezeigt, und an der Fähigkeit, sie zum Lachen zu bringen, mangelte es ihm auch nicht. Sie hatte sich treiben lassen, war ihm einfach gefolgt und hatte nicht im geringsten geahnt, daß die glückliche Zeit so jäh enden könnte. Sie zögerte, als sie sein Rufen im Hof hörte, doch sie hatte noch lange nicht die Kraft, die Tür zu öffnen.
    *
    Es war am frühen Abend ihres zweiten Tages in Triest, der so voller Ereignisse war, daß ihr der Kopf schwirrte. Nach dem Gespräch mit den beiden freundlichen Beamten, die sie über ihren Fund befragten, fühlte Mia sich endlich besser. Verstanden und beschützt. Sie mußte sich wegen des Waffenlagers keine Sorgen machen. Bis sein Ursprung und die Hintergründe geklärt wären, blieb es beschlagnahmt und außerhalb ihrer Verantwortung. Man hatte ihr gesagt, daß sich das Verfahren lange hinziehen würde, außer Mia könnte zur Aufklärung beitragen. Aber davon konnte nicht die Rede sein. Ihre Mutter war mehr als erstaunt gewesen, als sie ihr telefonisch von dem Fund erzählte. Tante Alda hatte nie davon gesprochen. Der Onkel sei ein netter Mann gewesen, ein bißchen kauzig zwar, aber ein guter Ehemann und ein solider Arbeiter, der mit der Zeit ein bescheidenes Vermögen hatte anhäufen können. Als Landvermesser war er wohl kaum mit Waffen in Kontakt gekommen, doch hatte ihm sein Beruf vielleicht die Möglichkeit gegeben, die Lagerhalle zu einem günstigen Preis zu kaufen und dann zu vermieten. Für was hätte er selbst sie nutzen sollen? Die Mutter hatte Mia geraten, die Notarin um die Grundbucheinträge zu bitten, damit man wenigstens wisse, wann das Lager erworben wurde. Und außerdem sollte sie das Haus der Tante nach Unterlagen durchsuchen, die Aufschluß geben könnten. Gab es einen Mietvertrag? Die Kontoauszüge mußten auf regelmäßige Zahlungseingänge überprüft werden, zumindest vor dem Tod des Onkels, vielleicht war auch im Zeitungsarchiv etwas zu finden, denn Panzer und Kanonen transportierte man schließlich nicht ohne Aufsehen durch die Straßen. Mia sah sich schon für Wochen mit staubigen Dokumenten beschäftigt, anstatt den Abstand vom alten Leben am Strand zu genießen.
    Laurenti hatte versprochen ihr beizustehen, falls es Probleme gäbe. Sogar seine private Telefonnummer hatte er ihr auf seine Visitenkarte geschrieben. Als sie unter den Rathausbögen auf die Piazza Unità hinausging, entdeckte sie zu ihrem Erstaunen Angelo und Calisto vor einer Bar. Wahrscheinlich sprachen sie über sie. Sie tat, als hätte sie die beiden nicht

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