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Der Tod wirft lange Schatten

Der Tod wirft lange Schatten

Titel: Der Tod wirft lange Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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schnell und gut zu Mittag essen konnte, hatte nur wenige Tische. Sie waren rechtzeitig genug gekommen, um noch einen Sitzplatz zu finden, während das Lokal sich jetzt schnell füllte und die anderen Gäste sich am Tresen drängten, wo der Faßwein in Strömen floß. Auch das Stimmengewirr schwoll an, und Galvano redete immer lauter.
    »Mach mir keine Vorschriften. Du wolltest in diesem Hexenkessel essen, anstatt in der Pizzeria da vorne, wo wir Ruhe gehabt hätten. Weshalb wolltest du mich eigentlich sehen? Du weißt doch, daß ich einen vollen Terminkalender habe.«
    »Wie alle Rentner, Galvano. Ich weiß«, sagte Laurenti. »Ein Freund hat ein kleines Problem. Er braucht einen vertrauenswürdigen Arzt. Besser gesagt, seine Frau. Ein Attest, das die Leute im Ministerium beeindruckt, damit er nicht versetzt wird.«
    Galvano ließ sich die Angelegenheit schildern und nannte ohne zu zögern einen Namen, den Laurenti notierte.
    »Noch etwas anderes.« Laurenti räusperte sich und schaute sich kurz um. Der alte Gerichtsmediziner könnte ihm vielleicht bei dem Fall helfen, den der Staatsanwalt ihm aufgebrummt hatte. »Erinnern Sie sich noch an den Mord an diesem Volkskundler auf San Vito? Es war 1977.«
    »Der schwule Professor? Na klar. Ich hatte ihn damals auf dem Tisch. Er sah nicht besonders glücklich aus. Warum?«
    »Es wird behauptet, daß mein Vorgänger die Ermittlungen mit Absicht in eine falsche Richtung gelenkt hat und die richtigen Zeugen nicht oder nur widerwillig befragte. «
    »Ruf ihn an. Frag ihn.«
    »Das ist es ja. Als ich ihn endlich ausfindig gemacht hatte, was gar nicht so leicht war, sagte er ziemlich unfreundlich, er habe mit seinem Berufsleben ein für allemal abgeschlossen. Er will nicht mit mir reden.«
    »Wer war der damals zuständige Staatsanwalt?«
    Laurenti winkte ab. »Trinkt zuviel im Alter.«
    »Laß die Finger davon. Da kommt niemand weiter. Seit fast dreißig Jahren nicht. Die Akte ist geschlossen. Laß sie zu. Alles Zeitverschwendung.«
    »Wissen Sie noch, wie er ums Leben gekommen war?« fragte Laurenti.
    »Lies die Akte! Dann weißt du es. Warum sollte ich jetzt noch etwas aus meinem Gedächtnis hervorpulen, wo ihr doch alle großzügig und entgegen aller Versprechungen auf meine Mitarbeit verzichtet habt. ›Genießen Sie Ihren Ruhestand‹, hat mir damals der Präfekt gewünscht. Verlogener Bastard.« Galvano konnte wirklich wunderbar nachtragend sein.
    »Merkwürdigerweise ist die Akte aus dem Gerichtsarchiv verschwunden.« Laurenti tat, als überhörte er das Gemaule. »Spurlos verschwunden, wo doch jede Aktenbewegung akkurat registriert wird.«
    »Das gibt’s doch gar nicht. Die sollen richtig suchen.«
    »Nichts zu machen. Auf Anweisung des Staatsanwalts wurde das ganze Archiv auf den Kopf gestellt. Sie müssen leider Ihr Gedächtnis bemühen.«
    »Ich habe doch immer gesagt, daß Ihr nicht ohne mich auskommt.« Der Alte steckte dem Hund unter dem Tisch noch ein Stück Brot zu. »Also, Laurenti, aber nur dir zuliebe. Einen anderen würde ich zum Teufel jagen.« Galvano hatte begriffen, daß er wirklich gefragt war und begann zu erzählen. »Das war ein Mord im Homosexuellen-Milieu. Ans Bett gefesselt und geknebelt. Als man ihn fand, war er schon fast zwei Tage tot, stranguliert. Zuvor Schläge ins Gesicht, Schwellungen und ein Schneidezahn locker, Hämatome am ganzen Leib – wenn du willst, werde ich auch gerne deutlicher. Geld weg, Auto weg. Ich wundere mich, daß du das bereits vergessen hast. Für mich ist es wie gestern.«
    »Leichenfledderer vergessen ihre Kundschaft nicht. Ich hingegen war damals erst seit kurzem in der Stadt, drei Jahre vielleicht, und hatte nichts damit zu tun. Gab es keinen konkreten Verdacht?«
    »Es waren wohl zwei, die ihm in seiner letzten Stunde beistanden, drei Gläser standen auf dem Tisch. So leicht ist es schließlich nicht, alleine jemanden so zuzurichten.«
    »Fingerabdrücke?« fragte Laurenti.
    »Das war etwas merkwürdig. Die von der Spurensicherung haben angeblich nichts gefunden. Ich hielt das damals schon für ausgeschlossen. Vielleicht gab es ja wirklich einen Wink von oben. Es war schließlich nicht irgendwer, der da gemeuchelt wurde.«
    »Was wollen Sie damit sagen?«
    »Das, was ich gesagt habe. Entweder war es jemand aus dem Milieu oder es war jemand, der wollte, daß wir glaubten, daß es jemand aus dem Milieu war, der aber ganz andere Gründe hatte.«
    »Kein schöner Tod.«
    »Das kommt darauf an!« Der Alte lachte so

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