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Der Tod wirft lange Schatten

Der Tod wirft lange Schatten

Titel: Der Tod wirft lange Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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Hemd. Welche Mädchen laden wir übrigens für das Wochenende ein und was nehmen wir an Verpflegung mit?«
    Sie kümmerten sich nicht mehr um L’Orecchione und den blonden Mann an dessen Tisch, sondern schmiedeten Pläne für die beiden Tage auf Sgubins Segelboot, der ersten satten Bräunung, ohne die sie die neue Saison der Beutezüge unter den Badenixen gar nicht erst zu beginnen brauchten. Sgubin schlug vor, in einem Hafen jenseits der Grenze die einschlägigen Lokale aufzusuchen. Die einzige Garantie dagegen, sich einen Korb zu holen, hieß einzuladen. Bondi 007 aber wollte lieber zwei Triestinerinnen an Bord bringen, die bisher noch keine Erfahrungen mit den beiden ewigen Junggesellen hatten. Es gab sie tatsächlich noch.
    »Die regen mich auf! Sie sind überall«, schimpfte der Blonde mit dem rotem Gesicht und fuchtelte wild mit der Hand, um die junge Frau zu verscheuchen, die ein Kärtchen und einen Schlüsselanhänger auf den Tisch gelegt hatte. Doch sie war Ablehnung gewohnt und ließ sich nicht irritieren. Er fegte das Kärtchen und den Schlüsselanhänger mit einer Handbewegung vom Tisch und handelte sich nicht nur von seinem Gegenüber abfällige Blicke ein. Vier Arbeiter im Overall einer nahegelegenen Reparaturwerft schauten ihn böse an. Als er so tat, als bemerkte er sie nicht, hob einer von ihnen übertrieben langsam die Gegenstände auf. Zusammen mit einer Münze brachte er sie der Taubstummen, der die Gehässigkeit des Blonden entgangen war.
    »Also, haben Sie die Ware?« fragte der Mann nervös.
    »Sie wissen doch, ich verkaufe Informationen, keine Gegenstände.« Calisto rang sich ein blödes Grinsen ab. »Aber ich finde immer das, was meine Kunden wünschen. Der Rest ist ihre Angelegenheit.«
    Die drei Ventilatoren, die stoisch an der Decke flappten, wirbelten die dicke Luft des langen Saales und die Schwaden von Zigarettenrauch kaum auf. Das Lokal war gut besucht und die Spiegelwand am Ende des Raums provozierte den Eindruck einer Firmenkantine, die kaum zu enden schien. Die »Pizzeria Campi Elisi« in der Via delle Fiamme Gialle war der ideale Ort, um ungestört Dinge zu besprechen. Bei dem Betrieb war es unwahrscheinlich, daß sich jemand an einen sporadischen Gast erinnerte. Solange man einen Ort kein zweites Mal betritt oder zumindest genug Zeit zwischen den Besuchen verstreichen läßt, kann man sicher sein, daß es sich um keine Gewohnheit handelt. Gewohnheiten verraten. Calisto Ciampi hingegen war ein häufiger Gast, mittags oder abends, und wurde von den Kellnern wie ein Familienangehöriger begrüßt: Herzliche Gleichgültigkeit, keine Speisekarte, schneller Service und kein Kassenzettel. Calisto empfing seine Kunden mit Vorliebe hier.
    »Es wäre für mich einfacher, wenn ich nur mit einer Person zu tun hätte«, sagte der Mann mit unüberhörbarem deutschen Akzent. Er war vor einer Stunde aus Salzburg angereist und wollte am Nachmittag schon wieder zu Hause sein.
    »Machen Sie sich keine Sorgen.« Calisto wischte das Argument mit einem Lächeln weg. »Sie bezahlen hier, nehmen die Ware woanders in Empfang und basta. So wie beim letzten Mal. Niemand wird sich an Sie erinnern. Wer weiß besser als ich, was Diskretion bedeutet?« Er schaute dem anderen in die wäßrigblauen Augen und dachte, daß es in der Tat schwierig war, sich an diesen Durchschnittsmenschen zu erinnern, der dem Klischee des »Crucco« entsprach. Es gab so viele von diesen Typen, die sich zum Verwechseln ähnlich sahen.
    »Zu welchem Preis?«
    »Fünfzehntausend das Stück. Und zehn Kartuschen gratis.«
    »Zu teuer.«
    »Dann kaufen Sie doch etwas Neues, das kostet noch mehr. Von den KFOR- und SFOR-Leuten läßt sich alles beschaffen, was auf dem Balkan eingesetzt wird. Die Soldaten brauchen Geld. Ihr Sold reicht nicht für den Frust, den Suff und die Mädchen. Ich verfüge über glänzende Kontakte.«
    »Ich kenne die Preise besser als Sie«, protestierte der Deutsche. »Ich bin Sammler.«
    »Ich dachte, Sie wollten den Obersalzberg stürmen oder die Deutsche Bank knacken, bevor sie pleite ist.« Calisto war sich seiner Sache sicher. »Baujahr 1943. Deutsche Wertarbeit. Fast ungebraucht, die waren damals wahrscheinlich in der Hand von ein paar intelligenten Männern, denen ihr Leben lieber war als feindliche Panzer. Sie sind voll funktionsfähig. Aber Sie können es sich ja nochmals überlegen.«
    Der Blonde schob den Teller mit der halben Pizza zur Seite und nahm einen Schluck Bier. »Lassen Sie die Scherze! Wann

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