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Der Tod wirft lange Schatten

Der Tod wirft lange Schatten

Titel: Der Tod wirft lange Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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Lächeln.
    »Es geht um die Abwicklung einer Bestellung aus Bosnien. Dreihundert Kilogramm Goma-2, hundert Semtex und tausend Maschinengewehre. Die Ware befindet sich in einem Lager in Triest. Der Weitertransport ist organisiert. Waffen und Munition gehen bereits in mehreren Transporten herüber. Aber für die Übergabe des Sprengstoffs brauche ich Leute, auf die man sich verlassen kann. Ich trau den Moslems nicht mehr. Sie sind noch Geld vom letzten Mal schuldig.«
    »Das muß und wird geklärt werden.«
    Sie verabredeten einen Termin und Petrovac versprach, für eine gut ausgerüstete Einheit zu sorgen, die Transport und Übergabe sicherte. Drakič war lediglich dafür verantwortlich, daß die Ware rechtzeitig nach Kroatien kam.
    *
    Galvano zeigte auf die junge Frau, die mit ihren Kärtchen und Schlüsselanhängern die Runde im Lokal machte. »Die Arme sehe ich sonst immer nur abends«, sagte er zu Laurenti. »Es sieht so aus, als ginge es ihr nicht gut. Gestern abend wollte sie mir etwas erzählen. Aber ich habe kein Wort verstanden.« Er zog einen Zehn-Euro-Schein aus der Brieftasche und reichte ihn generös der jungen Frau. »Wie heißt du, Mädchen?« fragte er, doch sie winkte nur verlegen mit der Hand.
    »Zuerst waren es die Rosenverkäufer, dann die ›Vu compra‹ in der Fußgängerzone und die Albaner-Kinder, die zum Betteln geschickt wurden. Nun haben auch die Taubstummen die Einnahmequelle entdeckt. Wo sie wohl alle herkommen? Man will es besser nicht wissen. Schau das Mädchen einmal genauer an: Gestern scheint sie Probleme gehabt zu haben. Sie ist höchstens zwanzig und hinkt wie unser alter Köter hier. Hast du die blauen Flecken am Hals gesehen? Die stammen auf keinen Fall von einer wilden Knutscherei. Aber ich kann sie ja nicht fragen, was los war. Wenn ich mit ihr zu sprechen versuche, lächelt sie wie eine Maske, nimmt schnell das Stofftier wieder vom Tisch, steckt es in die Tasche und geht mit leerem Blick weiter.« Galvanos Hand glitt unter den Tisch. Er steckte dem schwarzen Hund, der den Kopf auf sein Knie gelegt hatte, ein Stück Brot zu.
    »Geben oder nichts geben? Wie Sie es auch machen, es ist falsch«, sagte Laurenti zweideutig.
    »Es geht um Existenzen!« Galvano schaute ihn böse an.
    »Seit wann haben Sie Mitgefühl? Sie kennen die Geschichten dieser Leute so gut wie ich. Heute wird mit jeder Form von sozialem Elend skrupellos Geld gemacht. Die ›Vu Compra‹ sind die Brüder der Damen aus Nigeria, die auf dem Strich ausgebeutet werden. Die Jungs müssen täglich das Geld für die CDs, Sonnenbrillen und Feuerzeuge beim kleinen Chef abliefern, der es dann dem nächstgrößeren Chef bringt. Und wehe, es ist zu wenig. Sie sind wie eine Drückerkolonne organisiert. Es setzt Schläge, wenn sie ihr Soll nicht erfüllen.«
    »Kein Mensch schlägt eine Taubstumme. Du bist herzlos geworden, Laurenti! Dein Beruf hat dich versaut. Es ist doch gut, daß sie endlich aus ihrer Isolierung herausfinden und selbstbewußt in die Bars und Restaurants gehen. Sie belästigen niemand und keiner zwingt dich, ihnen etwas zu geben. Es ist ein Akt der Menschlichkeit, und wenn du inzwischen so abgehärtet bist, daß dich das nicht mehr berührt, dann brauchst du Hilfe, nicht diese armen Leute.«
    »Der Hund hat Sie komplett verändert.« Proteo Laurenti suchte schleunigst das Thema zu wechseln. »Bis vor kurzem waren Sie derjenige, der als einziger die Welt mitleidsfrei betrachtete. Führt er Sie auch regelmäßig spazieren?«
    »Wir verstehen uns blendend, wenn du das meinst. Ich habe den Eindruck, daß Cloiseau richtig aufgelebt ist, seit er bei mir ist. Du scheinst ihm auf jeden Fall nicht im geringsten zu fehlen. Hast du eigentlich die Rechnung der Tierklinik inzwischen bezahlt?«
    »Das war doch Ihre Sache«, protestierte Laurenti. »Sie haben versprochen, die Behandlungskosten zu übernehmen, als ich Ihnen das Vieh schenkte.«
    »Na, na, na! Wir wurden neulich auf der Straße von dem Veterinär aus Udine angehalten, der ihn wundersamerweise wieder zusammengeflickt hat. Er freute sich richtig darüber, daß der Hund wieder gesund ist. Aber er sagte, er würde sich noch mehr freuen, wenn er irgendwann auch sein Geld bekäme.«
    »Ich habe nie eine Rechnung erhalten, Galvano. Tun Sie jetzt nicht so, als könnten sie sich an nichts erinnern. Und vor allem brüllen Sie nicht so, daß uns alle hören können.«
    »Da Giovanni«, das Buffet, wie ein bestimmter Typ Triestiner Lokale genannt wurde, in dem man

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