Der Todesbote
Überlebenden.«
Onoprienko macht eine Pause. Verwundert stellt er fest, dass die Beamten ihn nichts mehr fragen, und so erzählt er weiter:
»Ich war sehr froh, dass diese Straße um diese Zeit sehr wenig befahren ist. Zum Glück kam kein anderes Fahrzeug vorbei.«
Onoprienko wartet auf die nächste Frage, doch sie kommt nicht.
Die umstehenden Beamten haben Mühe, ihren Zorn unter Kontrolle zu halten, während sie den Ausführungen des Angeklagten zuhören. Wer ihn dabei beobachten konnte, wie er seine gezielten Schüsse nachspielte, kann verstehen, dass diese fünf Männer keinerlei Überlebenschancen hatten. Sie alle denken an die Opfer und daran, welche Angst diese Männer durchleiden mussten.
»Haben Sie dann die toten Opfer ausgeraubt?«, will der Staatsanwalt nach einiger Zeit wissen.
»Nein, nicht sofort. Ich wollte die Männer studieren. Als sie alle tot waren, habe ich die Wagentüre geöffnet und den Fahrer ein wenig zur Seite gedrängt. Ich habe mich auf den Fahrersitz gesetzt und bin losgefahren. Ich glaube, über viele Stunden sind wir so durch das Land gefahren. Immer wieder habe ich sie mir angesehen. Ich habe genauestens studiert, wie sie sich im Tode verhalten. Das war sehr interessant.«
»Und als Sie Ihre Studien abgeschlossen hatten, wie ging es dann weiter?«
»Es war nicht mehr viel Sprit im Tank, dann bin ich an diese Stelle zurückgekehrt. Ich wollte noch ein wenig alleine durch die Nacht fahren. Ich wollte mich konzentrieren auf das Erlebte, nicht mehr in ihre Gesichter sehen müssen. Ihr Leben war zu Ende, meines noch lange nicht.«
»Was haben Sie dann getan?«, fragt der Staatsanwalt kurz.
»Ich sagte es schon. Ich wollte alleine weiterfahren. So zog ich einen der Männer nach dem anderen aus dem Auto. Sie dürfen mir glauben, das war nicht so leicht. Ich nahm mir ihre Geldbörsen aus den Taschen, denn sie brauchten sie nicht mehr. Viel kam dabei nicht heraus. Sie hatten wohl alles vertrunken an diesem Abend. Dann warf ich sie in den Straßengraben und setzte mich erneut an das Steuer.«
»Wo fuhren Sie dann anschließend hin?«
»Zunächst musste ich alle Fensterscheiben des Wagens reinigen. Sie waren vollständig voll Blut. Doch in dem Kofferraum befanden sich genügend Tücher. So war dies alles kein Problem.«
»Und das Blut im Wagen?«
»Das konnte man ja von außen nicht sehen. Was sollte es mich daher stören … Ich fuhr dann die Landstraße entlang, bis ich an einen größeren Ort kam. Am Stadtrand ließ ich das Auto stehen. Ich guckte noch einmal in den Kofferraum, um zu sehen, ob sich darin ein mit Benzin gefüllter Ersatzkanister befand. Dann hätte ich noch ein Stück weiterfahren können.
Aber der vorhandene Behälter war nur halb voll.«
»Aber es hätte doch sicher noch für eine kleine Fahrt gereicht?«
»Sicher, aber plötzlich fiel mir ein, dass ich während der Fahrt keine Handschuhe getragen hatte. Ich dachte daran, dass man meine Fingerabdrücke am Lenkrad, sogar im ganzen Fahrgastraum des Wagens finden würde. Da beschloss ich das restliche Benzin nicht für eine weitere Fahrt zu verwenden. Ich wollte damit die Spuren verwischen. Ich goss das restliche Benzin in das Wageninnere und zündete es mit einem Streichholz an. Es gab einen mächtigen Knall, und mich warf es rückwärts auf den Boden. Wenn ich daran zurückdenke, glaube ich, dass ich mächtig Glück hatte, dass ich mich nicht selbst entzündet und verletzt habe.«
»Das wäre aber schade gewesen«, kommt ein Beamter nicht umhin, seine Meinung zu formulieren.
Onoprienko schockiert die Ukraine
ein weiteres mal
Am 24.4.1996 fährt man Onoprienko zu einem Tatort, den wohl keiner der beteiligten Beamten vergessen wird. Es ist kurz nach 11 Uhr, als er mit seinen unzähligen Bewachern, bestehend aus Staatsanwälten, Miliz und Sicherheitsbeamten, das Grundstück eines kleinen Einfamilienhauses betritt. Ein Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft hält mit einer Videokamera den gesamten Ablauf der Rekonstruktion des Tathergangs fest.
Man gibt sich Mühe, genügend Beweismittel zu sammeln.
Denn die Staatsanwaltschaft weiß aus bitteren Erfahrungen zu genau, dass die Aussagen und die Geständnisse der Täter oft widerrufen werden. So ist es äußerst wichtig für die Herren der Anklage, Aussagen des Beschuldigten zu sichern, die nur ihm selbst bekannt sein können. Diese Aussagen, in Verbindung mit der Obduktion der Opfer, gelten auch in der Ukraine als zuverlässiges Indiz für eine
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