Der Todesbote
hätte nachgelassen.
»Ja, bitte«, antwortete ein Beamter, und Onoprienko schildert völlig gefühllos, was diesem Kind in diesem kleinen Raum widerfuhr. Als er spricht, betrachtet er das Bild des Kindes, das vor ihm an der Wand hängt. Niemand unterbricht ihn bei der makabren Schilderung des Tathergangs. Der Klang seiner Stimme lässt die Umstehenden zusammenschrecken.
»Das Mädchen – ich glaube, es war so zwölf bis dreizehn Jahre alt – lag mit dem Kopf in Richtung Fenster. Sie hatte wohl geschlafen, ist aber durch die Geräusche im Haus aufgewacht. Sie hat mich mit großen Augen angestarrt. Es konnte ja nicht wissen, was ich von ihr wollte. Ich sah nur, dass sie große Angst hatte. Sie sprach kein Wort. Blickte nur immer auf das große Messer. Ich habe dann zwei- oder dreimal zugestochen. Ich glaube, ja ich bin mir fast sicher, mit der linken Hand. Blut rann über ihren Körper. Ich kann mich aber an diese Kleinigkeiten nicht mehr so genau erinnern. Ich weiß nur, dass ich auf den Bauch gezielt habe. Da begann sie plötzlich zu schreien. Heute weiß ich nicht mehr, ob sie vor Schmerzen oder mehr vor Angst schrie. Das war mir auch völlig egal. Ich wusste, ich muss sie zum Schweigen bringen, bevor sie noch das ganze Haus rebellisch machen würde. Ich wusste ja zu diesem Zeitpunkt noch nicht, ob sich noch Leute im Hause aufhielten.«
»Wissen Sie noch, wie oft Sie zugestochen haben?«, will der Staatsanwalt wissen.
»Bis sie ruhig war, das ist doch klar«, lautet Onoprienkos kurze Antwort. Dann fügt er hinzu: »Als sie völlig ruhig so vor mir lag, versuchte ich noch festzustellen, ob sie wirklich tot sei.
Ich beugte mich zu ihrem Brustkorb und wollte hören, ob sie noch atmet. Aber dazu hatte ich zu wenig Zeit. So beließ ich es dabei. Da ich mir nicht vorstellen konnte, dass sich das Mädchen alleine im Haus befand, wurde ich plötzlich sehr unruhig. Ich bin mit dem Messer in der Hand weiter durch das Haus gegangen. Jedes der Zimmer dieses Hauses habe ich systematisch durchsucht, doch ich konnte niemanden finden.«
»Was hätten Sie getan, wenn Sie die Eltern des Mädchens im Haus vorgefunden hätten?«
Onoprienko lacht und sieht dem Fragenden provokativ in die Augen. »Was wohl, ich hätte sie mit ihrem eigenen Messer niedergeschlachtet. Glauben Sie, ich hätte mich dabei erwischen lassen wollen, wo ich doch ihre eigene Tochter getötet habe?«
»Was haben Sie dann getan?«
Onoprienko antwortet ruhig: »Die ganzen Umstände gefielen mir nicht. Ich wurde unruhig. Eigentlich wollte ich mir noch einige Gegenstände aus dem Haus mitnehmen. Doch ich musste zunächst noch einmal nach dem Mädchen sehen. Ich musste wissen, ob sie auch wirklich tot ist.« Dabei dreht sich Onoprienko noch einmal zu dem kleinen roten Sofa. Noch immer hält diese Bestie das Holzstück in den Händen und berichtet ohne jegliche Regung, was an diesem Tag weiter geschah: »Ich bückte mich zu dem Mädchen hinunter und horchte, ob ihr Herz noch schlug. Ich glaube, es hat nicht mehr geschlagen. Aber ich wollte mir ganz sicher sein. Da habe ich ihr noch einmal ganz gezielt direkt in das Herz gestochen.
Denn erst dann konnte ich mir auch wirklich sicher sein, dass sie niemanden mehr rufen wird.«
Die Beamten staunen nicht schlecht, als Onoprienko plötzlich mit einem Schwung ausholt und das Holzstück in die Strohpuppe rammt.
»Hören Sie auf. Sind Sie denn völlig verrückt geworden?
Das genügt«, schreit ihn der Staatsanwalt an.
»Sie wollen doch wissen, wie es war, nicht ich«, gibt Onoprienko trotzig zu verstehen. Dabei zieht er das Holzstück langsam aus der Puppe.
»Wie oft haben Sie dann noch mit dem Messer auf das Mädchen eingestochen«, fragt der Staatsanwalt nach einer Weile.
»Bis Sie endlich tot war. Jedenfalls bis ich mir dessen sicher sein konnte«, ist seine an Eiseskälte nicht zu überbietende Antwort.
»Haben Sie dann das Haus sofort verlassen?«, will er weiter wissen. Dabei hält Onoprienko noch immer die nachgestellte Tatwaffe in Händen. Niemand nimmt sie ihm ab, und das gefällt ihm.
»Nein. Ich wollte doch noch etwas, was vielleicht verwertbar wäre, aus dem Hause mitnehmen. Ich glaube, es war nur ein wenig Schmuck, den ich fand. Er war leider nicht viel wert.«
Minuten vergehen und Onoprienko denkt offenbar nach.
»Da fällt mir ein, das Mädchen hatte Ohrringe. Man konnte sehen, dass sie nicht wertvoll waren. Aber so hatte ich wenigstens ein Geschenk.«
»Für wen?«, will man von ihm
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