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Der Todesbote

Der Todesbote

Titel: Der Todesbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaques Buval
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die Besucher in seine Wohnung im oberen Stockwerk. Dabei erzählt er: »Jahrhundertelang hatte man in Bratkovichi die Türen nicht verschlossen. Man musste keine Angst haben. Ich kannte mein Leben lang Haustüren nur unversperrt.«
    Drei Jahre nach der Tat schließt sich der 67-jährige Jaroslaw Galuschka noch immer in panischer Angst in seinem Hause ein. Seine drei jüngsten Enkelkinder spielten hier zur Tatzeit.
    Onoprienko betrat nicht die Wohnung im ersten Stock. Dies rettete ihnen das Leben.
    Vor der Eingangstüre hat er ein Eisengitter angebracht. Es bleibt nie unverschlossen. Leise gesteht er: »Ich hatte Angst, diese Bestie würde wiederkommen. Warum? Ich kann es Ihnen nicht sagen.«
    In dem für ukrainische Verhältnisse gemütlich eingerichteten Wohnzimmer sitzt seine alte Frau mit schwarzem Kopftuch auf dem mit Decken überzogenen Sofa. Ein alter Wandteppich schmückt diesen Raum, in dem grausame Erinnerungen wach werden. Erinnerungen an ihren Schwiegersohn, ihre Tochter und das älteste Enkelkind.
    In ihren Armen hält sie drei kleine Kinder, zwei Mädchen und einen Jungen. Keines ist älter als sechs Jahre. Mit ängstlichen Blicken verfolgen sie das Geschehen. Sie wirken traurig, als ihre Großmutter zu berichten beginnt, was sich hier ereignet hat. Sie weint bitterlich. Dabei drückt sie die kleinen Wesen noch enger an sich heran.
    Sie sagt: »Die Kinder hier waren damals noch so klein. Aber sie haben schon verstanden, dass sie nun keine Mutter und keinen Vater mehr haben. Sie haben nur noch geweint. Ich war all die Jahre ganz alleine mit ihnen und habe mein Bestes für sie getan. Aber ich muss immer wieder daran denken, dass sie niemals wieder in ihrem Leben richtige Eltern haben werden.
    Und denken Sie bitte einmal daran, dass wir schon so alt sind.
    Was soll denn aus den Kindern werden, wenn wir einmal tot sind? Der Gedanke lässt mich nicht los. Wir sind über 70 Jahre alt und unsere Enkel noch nicht einmal 10 Jahre.
    Unentwegt muss ich daran denken, wie es für die Kleinen weitergehen soll, wenn wir einmal nicht mehr sind.«
    Während die Oma diese Worte spricht, kramen die Enkelkinder einen Schuhkarton hervor. Er ist voll Erinnerungen. Still zeigen sie, was ihnen blieb. Es sind Fotos der toten Eltern. Ein Bild zeigt die Mutter, in einem Sarg liegend, aufgebahrt in der Leichenhalle des örtlichen Friedhofes.
    »Das ist unsere Mama«, erklärt das kleine Mädchen.
    »Und hier ist unser Papa«, mischt sich der Enkelsohn ein.
    Dabei zeigt er ein Bild des Vaters, ebenfalls aufgebahrt in einem Sarg. Nur schwer konnten die grauenhaften Verletzungen vor allem im Gesicht des Mannes retuschiert werden. Man setzte ihm eine Sonnenbrille auf, damit man die Einschüsse in Augenhöhe nicht sofort erkennen konnte.
    »Ich schenke jedem unser Haus«, fügt die Oma hinzu, »der unseren Enkelkindern eine glückliche Kinderstube schenkt, wenn wir nicht mehr da sind. Ich hoffe und bete jeden Tag zu Gott, dass wir jemanden finden, der ihnen eine Zukunft bietet.«
    Da mischt sich ihr Mann in das Gespräch ein: »Wissen Sie, das Haus wollen viele, aber ob sie auch gute Pflegeeltern für unsere Enkel sein werden, das können wir nur hoffen. Ich wünsche mir für die Kleinen, dass wir noch möglichst lange leben, um für sie da sein zu können. Sie brauchen uns doch noch so sehr.«
    Der alte Mann weint. Seine Enkel versuchen ihn zu trösten.
    Sie umschlingen seine Beine mit ihren kleinen Armen und sehen ihn mit ihren großen Augen an. Er fährt ihnen liebevoll übers Haar und wischt sich dabei heimlich die Tränen aus den Augen.

Ein ganzes Dorf trauert
    An keinem Ort der Ukraine hat Anatolij Onoprienko so oft getötet wie in dieser kleinen Gemeinde Bratkovichi. Kaum hatte man die Opfer des ersten Überfalles zu Grabe getragen, schlug der Täter schon wieder zu.
    »Wir glaubten schon, der Täter käme aus unserer Nachbarschaft oder gar aus unserem Dorf«, berichtet ein alter Mann. »Die wildesten Gerüchte kamen in Umlauf. Jeder verdächtigte jeden. Jeder misstraute dem anderen. Immer wieder suchte er unser Dorf heim. Er tötete, raubte, zündete die Häuser an und verschwand. Wir haben keine Reichtümer hier im Ort – was also wollte der Täter? Wir konnten es nicht begreifen. Sie müssen sich einmal vorstellen – für einige Rubel mussten alleine drei Kinder sterben. Drei unschuldige Kinder in nur zwei Monaten. Die Bewohner von Bratkovichi hatten genug. Obwohl die größte Fahndung in der Geschichte der Ukraine bereits

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