Der Todesbote
Polizeikamera läuft.
Bereitwillig demonstriert der ehemalige Matrose über Monate sein mörderisches Handwerk. Er genießt es förmlich, seine Taten in provokativer Form nachzuspielen. Man hat das Gefühl, er erlebt sie genussvoll noch einmal. Man merkt ihm stets an, dass er seine Begleiter bewusst schockieren will. Er fühlt sich wohl im Rampenlicht.
Nach all den Rekonstruktionen gibt ein vernehmender Beamter seine Meinung kund: »Ohne den Psychiatern, die ihn noch zu untersuchen haben, vorzugreifen, glaube ich, dass Onoprienko nur getötet hat, um an Geld und Wertgegenstände zu kommen. Ich glaube nicht an all die Erklärungen, die dieser Mensch für seine Taten abgibt. Er ist ein arbeitsscheues Element, der sich nun im Lichte eines Serienmörders sonnt. Er genießt den Rummel, der um ihn herum geschieht. Allein aus Habgier hat er getötet. Er ist primitiv. Das letzte Stück Dreck.
Alles, was er aussagt, sind Rechtfertigungen seiner Taten, die er doch nur einzig und allein deswegen beging, um zu Geld zu kommen. Ich kann nur lachen, wenn man diesem ungebildeten Menschen seine Knastfantasien auch noch abkauft. Aber wie gesagt, ich bin kein Psychologe. Ich bin mir jedoch sicher, dass ich mit der Einschätzung des Anatolij Onoprienko richtig liege.«
Ein berühmter Rechtswissenschaftler der Ukraine gibt dem Mann Recht: »Onoprienkos Hirngespinste, er sei von einer magischen oder wie auch immer gearteten Macht zu seinen Taten getrieben worden, sind in der Einsamkeit seiner Zelle und der Erkenntnis seiner Ausweglosigkeit entstanden. Man kennt das von vielen Fällen von Serienmördern auf dieser Welt. Sie alle suchten nach einer Ideologie ihres Handelns. Ich kann bei all diesen Menschen nur zwei Gründe für ihr Handeln sehen, entweder sie wollen sexuelle Exzesse durchleben, oder Sie sind arbeitsscheu und wollen durch ihre Taten schnell zu Geld kommen. Sie alle füllen viele Särge, weil sie mehr wollen, als ihr geistiger Horizont ihnen bieten kann. Eine Erklärung für ihre Taten zu finden ist nicht schwer. Anatolij Onoprienko ist für mich ein geistiger Prolet, der gelernt hat, sich in eine geistige Welt zu interpretieren, die der Presse sehr willkommen ist.«
Als Schutz vor weiteren Übergriffen muss Onoprienko schon bald eine kugelsichere Weste tragen.
Der Staatsanwalt erklärt das so: »Da wir das Leben des Täters nicht gefährden wollten, haben wir ihm eine kugelsichere Weste angezogen. Dabei habe ich bemerkt, dass er plötzlich blass wurde. Er hat geschwitzt. Ich habe ihn gefragt, ob es ihm schlecht gehen würde. Er sagte: Nein, nein.
Aber uns wurde auf der Stelle klar, dass er um sein Leben fürchtet. Er hat sich richtig erschrocken.«
Ein emotionaler Ausrutscher des Serienkillers.
Onoprienkos Verhaftung
Die Berichte der örtlichen Polizeistationen künden von immer neuen Gräueltaten. Sie wollen nicht enden, die Protokolle des Grauens.
Ein Journalist schreibt für eine deutsche Illustrierte über seine Erlebnisse: »Eigentlich bin ich durch meine Kriegsberichterstattungen aus aller Welt einiges gewohnt. Ich kann viel menschliche Not ertragen. Anders empfinde ich die Bilder eines Opfers, das diesem Killer in die Hände gefallen ist. Ein Polizist, der an den Tatort gerufen wurde, um ein Protokoll zu schreiben, versicherte mir: ›Die Körper der Opfer – auch die der Kinder – waren zum Teil so schrecklich entstellt, dass niemand sie wegtragen wollte. Ich wünsche niemandem auf der Welt, nicht einmal meinem größten Feind, diese Bilder sehen zu müssen. Man denkt an die eigenen Kinder … ich kann es nicht beschreiben … ich musste weinen, als ich sie sah. Diese vor Schreck verzerrten Gesichter, die doch ihren kindlichen Glanz nicht verloren haben.‹ Seine Sätze trafen mein Ohr wie der Donner eines Gewitters.«
»Glauben Sie mir«, fährt er fort, und die Tränen sind diesem hartgesottenen Journalisten nahe, »Kriege wurden immer geführt. Aber dies ist ein Krieg gegen die Menschlichkeit ohnegleichen. Ich freue mich dabei zu sein, wenn diesem Monster, das zu solchen Taten in der Lage ist, der Prozess gemacht wird. Alle, die die Bilder der Opfer gesehen haben, werden mir zustimmen. Für diesen Täter kann es nur eine Strafe geben: den Tod.«
In der Stadt Lwow, dem alten Lemberg im Westen der Ukraine, hat man inzwischen ein Hauptquartier mit dem Ziel der Ergreifung des gesuchten Serienmörders eingerichtet.
Unter der Leitung des Chefs der Fahndung, Alexander Jewaschenko, hat man wochenlang
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