Der Todesengel von Florenz
sich ein verschmitztes Lächeln ein. »Er sagte, und das habe ich mir wörtlich eingeprägt: ›Der wesentliche Wert der Frau liegt in ihrer Gebärfähigkeit und in ihrem hauswirtschaftlichen Nutzen.‹«
»So, hat er das gesagt?«, knurrte Pater Angelico.
Der Novize nickte. »Und auch noch: ›Ein männlicher Fötus wird nach vierzig Tagen, ein weiblicher nach achtzig Tagen ein Mensch. Mädchen entstehen durch schadhaften Samen oder feuchte Winde.‹«
»Feuchte Winde! Nun, das trifft es vermutlich auf den Punkt«, sagte Pater Angelico sarkastisch. »Nur dass dem guten Tommaso von Aquin wohl recht üble, feuchte Winde den Geist vernebelt haben, als er das niederschrieb!«
»Ihr stimmt also nicht mit Eurem hochverehrten Kirchenlehrer überein?« Bruder Bartolo lächelte immer noch. »Dabei habt Ihr mir immer deutlich gemacht, dass Ihr auf ihn nichts kommen lasst. Übrigens hat ja auch Augustinus nicht viel anderes gesagt, nämlich: ›Das Weib ist ein minderwertiges Wesen, das von Gott nicht nach seinem Ebenbild geschaffen wurde. Es entspricht der natürlichen Ordnung, dass die Frauen den Männern dienen.‹ Da stimmen die beiden doch prächtig überein, nicht wahr?«
»Ja, beim Verzapfen von hanebüchenem Unfug«, erwiderte Pater Angelico und legte den Pinsel aus der Hand. Es war wohl wieder einmal an der Zeit, seinem Novizen eine theologische Lektion zu erteilen.
»Aber die beiden sind doch …«
»… große Theologen, die dennoch nicht gegen gelegentliche Irrtümer und einfältige Borniertheit gefeit sind«, fiel Pater Angelico ihm ins Wort.
Es erschreckte Bruder Bartolo offensichtlich, dass sein Meister so über zwei heilige Kirchenlehrer sprach. »Da fällt Ihr aber ein hartes Urteil!« Und in Gedanken fügte er hinzu: Das Ihr besser keinem Oberen zu Ohren kommen lasst!
»Das diese törichten Stellen in den Schriften der beiden auch verdient haben!«
»Aber so wird es doch in der Kirche von allen gelehrt«, wandte Bruder Bartolo ein.
Pater Angelico schnaubte. »Dumme Überzeugungen besitzen leider die Härte von Granit. Dass sie die Zeiten beharrlich überdauern, macht sie aber nicht weniger töricht. Ganz abgesehen davon, dass wenige für sich einen Nutzen darin sehen, ihnen zu widersprechen.«
»Und warum sprecht Ihr dagegen?«
»Weil wir mit solchem geistlosen Unsinn Gottes Schöpfung aufs ärgste beleidigen. Oder hältst du vielleicht deine Mutter für ein minderwertiges Wesen, das seine Existenz feuchten Winden verdankt und dessen Nutzen sich in ihrer Gebärfähigkeit und ihrer hauswirtschaftlichen Arbeit erschöpft?«
Bruder Bartolo sah beschämt drein, liebte er seine Mutter doch über alles. »Nein, gewiss nicht«, murmelte er. »Aber …«
»Kein Aber, Bruder Bartolo. Hör nicht auf solch wirres Gefasel, für das es in der Bibel keine Begründung gibt! Du hast sie doch sorgfältig studiert. Also, was steht da über die Schöpfung des Menschen?«
Der Novize räusperte sich. »Nun ja, dass Gott zuerst Adam nach seinem Ebenbild erschaffen hat.«
»Und woraus?«
»Aus einem Klumpen Ackerboden.«
»Richtig, aus einer Handvoll Dreck«, sagte Pater Angelico. »Nicht gerade etwas, worauf man sich etwas einbilden könnte. Aber nun weiter. Kommen wir zu Eva. Woraus hat er die erste Frau erschaffen?«
»Natürlich aus einer von Adams Rippen.«
»Ha, das gefällt mir schon besser. Eine Rippe, an der Fleisch und Blut hängen, ist meines Erachtens doch um einiges würdevoller als ein Klumpen Ackerboden«, erklärte Pater Angelico. »Und das sollte uns zu denken geben. Denn Gott hätte ja ebenso gut noch ein zweites Mal in die Erde greifen können.«
»Aber da Gott dem Adam einen Teil seines Körpers genommen hat, scheint es doch so, dass sie … nun ja, sozusagen ihm gehört«, wandte er ein.
»Davon steht nichts in der Heiligen Schrift! Und ich kann mich auch nicht erinnern, dass in der Schöpfungsgeschichte etwas von feuchten Winden berichtet würde, die Gott dummerweise das gute Stück Eva haben missraten lassen!«, wies Pater Angelico den Einwand kategorisch zurück. »Man kann aus Evas Erschaffung dagegen sehr wohl den logischen Schluss ziehen, dass nach der Entnahme der Rippe dem guten Adam etwas fehlt; dass er nicht mehr ganz das göttliche Ebenbild ist und deshalb das braucht, was aus dem ihm fehlenden Teil erschaffen wurde – die Frau –, um wieder zu diesem Ebenbild zu werden. Somit fehlt dem Mann zur menschlichen Vollkommenheit die Frau und umgekehrt.«
»Fürwahr, so könnte man
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