Der Todesflieger
Wunder ich vollbringen soll, damit euch in dieser Bruthitze ein Hexenfisch ins Netz geht. Ich brauche endlich eine gescheite Aufgabe.« Er streckte sich auf Gunns Koje aus und holte tief Luft. Die Kühle des Raumes besänftigte ihn wieder. Er wandte seinen Blick Gunn zu. Dessen Miene war völlig ausdruckslos, doch Pitt kannte ihn gut genug, um festzustellen, daß er sich ziemlich unwohl in seiner Haut fühlte. Pitt lächelte und schlug Gunn freundschaftlich auf die Schulter. »Ich will nicht unverschämt sein aber wenn du möchtest, daß ich mit dir und deinen Wissenschaftlern zusammenarbeite, kostet das dich einen Drink.
Die ganze Rederei hat mich durstig gemacht.«
Gunn lachte erleichtert auf und bestellte über die Bordsprechanlage Eis aus der Kombüse. Dann förderte er aus der unterster Schublade seines Schreibtisches eine Flasche Chivas Regal und zwei Gläser zutage. »Ich habe eine Liste aller Pannen aufgestellt, die wir bis jetzt gehabt haben. Bis das Eis da ist, kannst du sie ja mal schnell überfliegen.« Er reichte Pitt einen gelben Schnellhefter. »Alle Zwischenfälle sind genau notiert und in chronologischer Reihenfolge geordnet. Am Anfang hielt ich das Ganze einfach für eine Pechsträhne, doch inzwischen hat die Kette unserer Mißgeschicke die Grenze des rein Zufälligen weit überschritten.«
»Und daß ihr einfach Pfuscharbeit geleistet habt, ist ausgeschlossen?«
Gunn schüttelte den Kopf.
»Hast du irgendwelche Beweise für Sabotage?«
»Gar keine.«
»Das gerissene Kabel, das Knight erwähnt hat – war es angesägt?«
Gunn zuckte die Achseln. »Nein. Die Enden waren ausgefranst. Das ist überhaupt ein Rätsel für sich. Ich will es dir erklären.« Gunn unterbrach sich und schnippte die Asche seiner Zigarette in den Aschenbecher. »Wir arbeiten mit einem Sicherheitszuschlag von fünfhundert Prozent. Wenn also, wie in unserem Fall, ein Kabel mit einem Zug von Zwölftausend Kilogramm belastet werden kann, belasten wir es mit höchstens zweitausendvierhundert Kilo.
Wegen dieser strengen Sicherheitsvorschriften hat es bei allen Unternehmungen der NUMA bisher auch noch keinen einzigen Todesfall gegeben. Das menschliche Leben hat bei uns einen höheren Stellenwert als jede noch so neue wissenschaftliche Erkenntnis. Die Unterwasserforschung ist ein riskantes Geschäft, und es gibt viele Männer, die bei ihrem Versuch, dem Meer neue Geheimnisse zu entreißen, schon ihr Leben haben lassen müssen.«
»Und wie hoch war der Sicherheitszuschlag bei dem gerissenen Kabel?«
»Darauf wollte ich gerade zu sprechen kommen. Er betrug fast sechshundert Prozent. Das Kabel war mit ganzen zweitausend Kilo belastet. Wir haben übrigens wahnsinniges Glück gehabt, daß niemand bei dem Kabelbruch verletzt wurde.«
»Kann ich das Kabel einmal sehen?«
»Ja. Ich habe die gerissenen Enden abgesägt und sie für dich aufgehoben.«
Es klopfte an der Tür, und ein rothaariger Junge, nicht älter als achtzehn oder neunzehn, trat ein und brachte einen Kübel voll Eis. Er stellte ihn auf dem Schreibtisch ab und wandte sich dann an Gunn. »Kann ich Ihnen sonst noch etwas bringen, Sir?«
»Eigentlich ja«, erwiderte Gunn. »Geh hinunter in die Werkzeugkammer und such die zwei abgesägten Enden des Kabels, das kürzlich gerissen ist, und bring sie hierher.«
»Sehr wohl, Sir.«Er trat mit einer zackigen Kehrtwendung ab.
»Einer von der Mannschaft?« fragte Pitt.
Gunn ließ ein paar Eisstückchen in die Gläser fallen und den Whisky drüberlaufen. Er reichte Pitt ein Glas. »Wir haben acht Mann Besatzung und vierzehn Wissenschaftler an Bord.«
Pitt schwenkte sein Glas und beobachtete, wie das Eis in dem Whisky herumstrudelte.
»Könnte einer dieser zweiundzwanzig Leute an euren Schwierigkeiten schuld sein?«
Gunn schüttelte den Kopf. »Ich habe oft darüber nachgedacht und jede Personalakte wenigstens fünfzigmal überprüft, aber ich habe nicht den geringsten Anhaltspunkt gefunden, daß irgendeiner dieser Männer ein Motiv hätte, das Projekt zu torpedieren.« Er nahm einen Schluck von seinem Drink. »Nein, ich bin sicher, daß ein Außenstehender sich uns entgegenstellt.
Jemand, der uns daran hindern will, einen Fisch zu fangen, den es vielleicht gar nicht gibt.«
Der Junge kam mit den beiden Kabelenden zurück. Er reichte sie Gunn und verließ die Kabine wieder.
Pitt nahm noch einen Schluck und erhob sich von Gunns Bettstatt. Er stellte sein Glas auf dem Tisch ab, nahm die beiden etwa fünfzig Zentimeter
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