Der Todesflieger
weiteres Wort verließ Giordino achselzuckend das Badezimmer und schloß hinter sich die Tür.
Pitt rubbelte sich gründlich ab und rasierte sich noch.
Giordino und Colonel Lewis warteten geduldig, als er endlich das Schlafzimmer betrat.
Lewis saß auf dem Bettrand und zwirbelte fortwährend seinen ungeheuer großen roten Knebelbart. Sein breites, rosiges Gesicht und die verschmitzten blauen Augen mitsamt dem Bart gaben ihm das Aussehen eines freundlichen Holzfällers. Seine Bewegungen hatten etwas Hektisches an sich, und er sprach schnell und abgerissen. Als ob er Ameisen in der Hose hätte, dachte Pitt und konnte ein Schmunzeln nicht unterdrücken.
»Verzeihen Sie, daß ich so einfach hier hereinplatze«, dröhnte Lewis. »Aber ich würde gern wissen, ob Sie etwas Neues in Erfahrung haben bringen können, was den gestrigen Angriff angeht.« Er schien sich nicht daran zu stören, daß Pitt nackt war.
»Nein, leider nicht. Es gibt zwar ein paar Verdachtsmomente, und ich habe mir auch so meine Gedanken gemacht. Aber bis jetzt habe ich noch nichts in der Hand.«
»Ich hatte gehofft, Sie wären auf eine aussichtsreiche Spur gestoßen. Ich habe jetzt übrigens auch die Luftaufklärung mit den Ermittlungen betraut.«
»Haben Sie irgendwelche Hinweise auf die
Albatros
gefunden?, fragte Pitt.
Lewis wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Ins Meer kann die alte Kiste jedenfalls nicht gestürzt sein. Es war nicht die kleinste Öllache auszumachen. Sie muß sich mitsamt ihrem Piloten in Luft aufgelöst haben.«
»Vielleicht hat er es bis zum Festland ge schafft«, warf Giordino ein.
»Das ist ebenfalls nicht möglich«, erwiderte Lewis. »Keine Menschenseele hat die
Albatros
dort drüben ankommen oder abfliegen sehen.«
Giordino nickte zustimmend. »Ein uraltes Flugzeug, das höchstens hundertfünfzig Stundenkilometer schnell und außerdem knallgelb angestrichen ist, kann unmöglich unbemerkt das Festland überfliegen.«
Lewis zog eine Schachtel Zigaretten aus der Tasche. »Am meisten irritiert mich das ausgezeichnete Timing des Überfalls.
Unser Angreifer muß genau gewuß t haben, daß um diese Zeit weder ein Flugzeug starten noch landen würde.«
Pitt knöpfte sein Hemd zu und rückte die goldenen Eichenblätter auf seinen Achselklappen zurecht. »Das dürfte nicht allzu schwer herauszufinden gewesen sein. Jeder auf Thasos weiß wahrscheinlich, daß Brady Field an Sonntagen wie ausgestorben ist. Übrigens erinnert mich die ganze Sache sehr an den Überfall auf Pearl Harbour. Selbst die Taktik, durch einen Bergpaß das Ziel anzufliegen und so möglichst lange unentdeckt zu bleiben, war dieselbe.«
Lewis zündete sich eine Zigarette an, wobei er sorgsam darauf achtete, nicht seinen Schnurrbart in Brand zu stecken. »Gott sei Dank hat Ihre unerwartete Ankunft unseren Angreifer überrumpelt. Sie hat uns übrigens selbst überrascht. Sie haben nämlich die letzten dreihundert Kilometer unser Radarfeld unterflogen.« Er nahm einen tiefen Zug. »Sie können sich gar nicht vorstellen, was das für eine Freude war, als Ihr alter Blechvogel so unerwartet angerauscht kam.«
»Unser Freund in der
Albatros
war weniger begeistert«, warf Giordino grinsend ein. »Er kriegte vor Staunen den Mund nicht mehr zu, als er sich uns auf einmal gegenübersah.«
Pitt hatte inzwischen seinen Schlips umgebunden. »Brady Field liegt ja auch eigentlich nicht auf unserer Route.
Ursprünglich wollten wir direkt neben der
First Attempt
wassern. Deshalb waren weder dieser Kamikaze noch der Tower auf unser Erscheinen gefaßt.« Er schwieg einen Moment und sah Lewis nachdenklich an. »Ich würde Ihnen dringend raten, Ihre Leute in Verteidigungsbereitschaft zu halten, Colonel. Ich habe das dumpfe Gefühl, daß wir die
Albatros
nicht zum letzten Mal gesehen haben.«
»Woher wollen Sie das so sicher wissen?« fragte Lewis gespannt. Pitt sah ihn scharf an. »Er verfolgte mit seinem Angriff eine bestimmte Absicht. Er wollte nicht einfach amerikanische Soldaten umlegen oder die Militärmaschinen in Brand stecken, sondern vor allem eine Panik auslösen.«
»Aber was hat er davon?« fragte Giordino.
»Überlegen Sie einmal.« Pitt warf einen verstohlenen Blick auf seine Uhr. »Wenn die Lage wirklich bedrohlich wäre, müßten Sie alle amerikanischen Zivilisten von der Insel aufs Festland evakuieren lassen. Oder etwa nicht, Colonel?«
»Ja, das ist richtig«, pflichtete ihm Lewis bei. »Aber im Augenblick sehe ich für einen solchen Schritt
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