Der Todesflieger
Telefonbuch vorläse.
»Zwei Detektive der französischen Sûreté Nationale halten sich, getarnt als Dockarbeiter, im Hafen von Marseille auf und erwarten dort die Ankunft der
Queen Artemisia
.«
Plötzlich befiel Pitt eine ungeheure Müdigkeit. Nun machte sich bemerkbar, daß er die letzten zwei Tage unentwegt auf den Beinen gewesen war. Zacs Stimme schien unversehens aus weiter Ferne zu kommen, und was er sagte, kam Pitt mit einem Male ziemlich unbedeutend vor. Er fragte sich, wie lange er sich wohl noch würde wachhalten können. Er rieb sich die Augen, schüttelte heftig den Kopf und zwang sich mit Gewalt, aufmerksam zu bleiben.
»Zac, alter Freund.« Zum erstenmal sprach Pitt den Inspektor mit seinem Spitznamen an. »Könnten Sie mir wohl einen Gefallen tun?«
»Wenn es in meiner Macht liegt,
alter Freund.«
Zac lächelte zögernd.
»Wenn Teri freigelassen wird, könnten Sie sie dann vielleicht mir übergeben?«
»
Sie
wollen Teri überwachen?« Zac zog die Augenbrauen hoch und machte große, erstaunte Kinderaugen. Steve McQueen hätte es nicht besser gekonnt. »Haben Sie irgendwelche Schandtaten mit ihr vor?«
»Nein«, erwiderte Pitt ernst. »Aber Sie müssen sie ja wohl oder übel freilassen. Und dann wird sie unverzüglich zu ihrem Onkel stürmen und von ihm verlangen, Schritte gegen Sie zu unternehmen. Niemand ist rachsüchtiger als eine beleidigte Frau. Das wird dem Alten natürlich zu denken geben, und in weniger als einer Stunde hat er Ihren ganzen schönen Polizeiring gesprengt.«
»Sie unterschätzen uns«, entgegnete Zacynthus würdevoll.
»Wir haben einen solchen Fall durchaus eingeplant. Natürlich tauchen wir sofort unter, wenn wir Teri freilassen. Bis zum Morgengrauen haben wir uns dann eine neue Tarnung zugelegt.«
»Aber was nützt Ihnen das dann noch?« wandte Pitt ein.
»Wenn von Till erst einmal weiß, wie dicht Sie ihm auf den Fersen sind, wird er garantiert nichts mehr unternehmen, was ihn auch nur im mindesten belasten könnte.«
»Das klingt einleuchtend.«
»Das klingt nicht nur einleuchtend – ich habe, verflucht noch eins, bestimmt recht.«
»Und wenn ich Teri Ihnen übergäbe?« fragte Zac zögernd.
»Sobald von Till Teris Verschwinden bemerkt – vielleicht hat er es bereits entdeckt –, wird er ganz Thasos auf den Kopf stellen, um sie wiederzufinden. Das Gescheiteste wäre es deshalb, sie an Bord
der First Attempt
zu verstecken. Dort wird er sie gewiß nicht vermuten, wenigstens so lange nicht, wie er nicht sicher weiß, daß sie sich nicht mehr auf der Insel aufhält.«
Zac sah Pitt lange an. Merkwürdig, dachte er, daß ein Mensch, der aus einer einflußreichen und angesehenen Familie kommt, derartige Risiken und Gefahren auf sich nimmt.
Gedankenverloren klopfte er seine Pfeife aus.
»Gut, einverstanden«, murmelte er endlich. »Vorausgesetzt natürlich, die Dame macht keine Scherereien.«
»Das glaube ich nicht.« Pitt grinste. »Sie hat andere Dinge im Kopf als den internationalen Rauschgiftschmuggel. Vermutlich macht es ihr sehr viel mehr Spaß, sich mit mir zusammen auf der
First Attempt
zu verkriechen, als einen weiteren langweiligen Abend mit ihrem Onkel zu verbringen. Und im übrigen: Wenn Sie mir eine Frau zeigen, die sich nicht ab und zu nach einem kleinen Abenteuer sehnt, dann zeige ich Ihnen…«
Er brach ab, als sich die Tür öffnete und Giordino, gefolgt von Zeno, hereinspaziert kam. Ein breites Grinsen zog sich über dessen pausbäckiges Gesicht. In der Hand hielt er eine Flasche Metaxa-Brandy.
»Schau, was Zeno gefunden hat.« Giordino schraubte den Deckel von der Flasche und roch probeweise daran. Er schnitt eine verzückte Grimasse. »Eigentlich sind unsere Kidnapper gar keine so unsympathischen Leute. Was meinst du, Dirk?«
Pitt lachte. Zu Zeno gewandt, erwiderte er: »Sie müssen nachsichtig mit Giordino sein. Schon der bloße Anblick von Schnaps stimmt ihn euphorisch.«
»Wenn das so ist«, grinste Zeno, »haben wir ja eine Menge gemeinsam.« Er ging zum Schreibtisch und setzte ein Tablett mit vier Gläsern darauf ab.
»Wie geht’s Dares?« fragte Pitt.
»Er ist schon wieder auf den Beinen«, entgegnete Zeno.
»Aber er wird wohl noch ein paar Tage humpeln.«
»Sagen Sie ihm, es täte mir leid«, meinte Pitt entschuldigend.
»Ich bedauern…«
»Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen«, schnitt ihm Zeno das Wort ab. »In unserem Beruf kommen solche Dinge eben vor.« Er reichte Pitt ein Glas. Sein Blick fiel auf Pitts
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