Der Todesflug der Cargo 03
könnte über all die schlimmen Nächte mit Laura Smith den großen Enthüllungsroman schreiben. Und nun ist es wieder nichts.«
»Für solche Buchprojekte mußt du dir eine geile Mitdreißigerin mit entsprechend hohem Bankkonto aufreißen«, konterte Laura. »Nicht so ein züchtiges Mädchen vom Lande wie mich, die nur ihre Arbeit kennt und der Sünde aus dem Weg geht.«
Laura lächelte versonnen, als sie darüber nachdachte, wie sie Dirk Pitt kennengelernt hatte. Es war auf einer entsetzlich versnobten Party gewesen, zu der der unsägliche amerikanische Umweltminister eingeladen hatte. Laura Smith haßte Cocktail-Partys. Und die von Washington ganz besonders. Wenn es nicht beruflich unumgänglich war, eine Einladung anzunehmen, verkroch sie sich lieber in ihr gemütliches Heim, wo sie ihre Aufmerksamkeit einem unterhaltsamen Fernsehprogramm oder ihrem eigenwilligen Kater Ichabod zuwandte.
Auf jener Cocktail-Party des Ministers für Umweltschutz war ihr Dirk Pitt aufgefallen. Es war abends gewesen. Pitt stand etwas abseits, vom Licht der Fackeln angestrahlt, die den Rasen – die Party fand im Freien statt – beleuchteten. Als Laura auf den schlanken, muskulösen Mann mit dem ernsten Gesicht aufmerksam wurde, war ihr Blick von seinen Augen magisch angezogen worden. Wie erstaunt hatte sie ihn angestarrt, und das Gespräch, das sie mit dem Kongreßabgeordneten Morton Shaw aus Florida führte, war ins Stocken geraten.
Laura fühlte sich irritiert, weil ihr Puls schneller ging. Sie konnte sich nicht erinnern, dass ihr das wegen eines Mannes, den sie noch gar nicht kannte, schon einmal passiert war. Was – so sinnierte sie – war Besonderes an jenem Mann, der dort allein stand und sie von weitem mit ruhigem Blick musterte? Er war kein Beau. Jedenfalls war er nicht schön in dem Sinne, wie es bestimmte Filmschauspieler in den Augen ihrer weiblichen Fans sind. Aber er hatte eine Ausstrahlung von beherrschter Männlichkeit, die ihr gefiel. Er war groß. So groß, wie sie es liebte.
Nachdenklich und interessiert betrachtete Dirk Pitt die Gäste rings umher. Es imponierte Laura, dass sein Verhalten so gar nichtsvon jener arroganten Überheblichkeit zu haben schien, die sie an vielen Politikern und Wirtschaftsbossen so verachtete.
»Wer ist der wettergebräunte Pfadfinder dort neben der Fakkel?« fragte sie ihren Gesprächspartner, den Kongreßabgeordneten Morton Shaw. Der wandte sich um und schaute in die Richtung, die Laura mit einem kaum merklichen Nicken ihres Kopfes angedeutet hatte. Eine Geste des Wiedererkennens überflog sein Gesicht, er lachte. »Zwei Jahre sind Sie schon in Washington, Laura, und Sie kennen diesen Mann nicht?«
»Wenn das der Fall wäre, würde ich nicht fragen. Wer ist das? Heraus mit der Sprache!«
»Sein Name ist Pitt. Dirk Pitt. Er ist Leiter der Spezialprojekte bei der NUMA, der Nationalen Unterwasser- und Marine-Arbeitsgemeinschaft. Sie erinnern sich vielleicht an die Hebung des Wracks der ›Titanic‹, die so viel Schlagzeilen machte. Dirk Pitt leitete die Operation und wurde damit über die Grenzen der USA hinaus bekannt.«
Ja, das war er. Laura ärgerte sich, dass ihr die Erinnerung an das Gesicht nicht schon früher gekommen war. Wochenlang hatten die Zeitungen und Fernsehstationen damals die Story von der erfolgreichen Hebung des berühmten Ozeanschiffes durchgehechelt, das im Jahre 1912 im Nordatlantik gesunken war und 1517 Menschen mit sich in die eisige Tiefe gerissen hatte. Dort drüben, nur wenige Schritte von ihr, stand also der Mann, der das Bergungsprojekt, das vorher von Fachleuten einhellig als technisch undurchführbar bezeichnet worden war, zum Erfolg geführt hatte. Sie war entschlossen, ihn kennenzulernen. Mit klopfendem Herzen bahnte sie sich einen Weg durch die Gäste, bis sie vor ihm stand.
»Mister Pitt«, sagte sie. Weiter kam sie nicht. Die Partyfackel, die das Gesicht ihres Gegenüber beleuchtet hatte, flackerte in der leichten Brise, die aufkam. Ein Blick aus Pitts Augen, die im Widerschein der Fackel in ein faszinierendes Licht getaucht wurden, traf sie und machte, dass sie alles vergaß, was sie hatte sagen wollen. Ein süßes Gefühl, das ihre Sinne zu betäuben drohte, staute sich in Lauras Magengegend. Nur einmal in ihrem Leben hatte sieetwas Ähnliches verspürt. Damals war es ein prominenter Skifahrer der amerikanischen Olympiamannschaft gewesen, in den sie sich Hals über Kopf verliebt hatte. Sie errötete. Es war gut, so dachte sie, dass der
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