Der Todesflug der Cargo 03
größeres Boot der Marine, das am Spätnachmittag in geringer Entfernung vorbeituckerte. Es fiel ihm auf, dass die Mannschaft an Deck nicht zum Dienst eingeteilt war, sondern die Fahrt in ausgelassener Freizeitlaune absolvierte.
Als es dunkel geworden war, begann es zu regnen. Nachdenklich betrachtete Fawkes die Regentropfen, die sich auf dem mit zerkratzten Stahlplatten ausgelegten Deck des alten Motorbootes zu kleinen Pfützen sammelten. Er liebte den Regen. Als er noch zur See fuhr, hatte er oft solche Regennächte trotz Wind und Kälte auf der Brücke verbracht und sich über die jungen Marineoffiziere mokiert, die es vorzogen, bei solchem Wetter mit viel heißem Tee und noch mehr Rum unten in der warmen Messe zu sitzen. Auch jetzt, viele Jahre später, verschmähte Fawkes den schützenden Komfort der Kajüte und blieb an Deck. Gegen den stärker werdenden Regen und die eisigen Windböen schützte er sich mit einem imprägnierten Umhang.
So, umgeben von Wind und Wetter, fühlte er sich wohl. Mit vollen Zügen atmete er die kühle, Regen geschwängerte Luft ein. Er nahm ein paar tiefe Schlucke aus der Whiskyflasche, bis er spürte, wie die Wärme des Alkohols sich vom Magen her in den ganzen Körper ausbreitete. Dann ließ er seinen Gedanken freien Lauf. Bald standen die vertrauten Traumbilder seiner toten Familie wieder vor seinen Augen. Er erinnerte sich an den Duft der Stallungen und an die morgendlichen Geräusche im Wirtschaftsgebäude seiner geliebten südafrikanischen Farm. Dann hörte er Myrnas Stimme, die ihn zum Frühstück rief. Saßen die Kinder schon am Tisch?
Erst vier Stunden später kehrte Fawkes mit seinen Gedanken aus seiner schmerzlich-süßen Phantasiewelt in die nächtliche Wirklichkeit zurück. Der Schlepper, den er am Vorabend mit vollbeladenen Lastkähnen im Schlepp hatte vorbeifahren sehen, glitt jetzt in Entgegengesetzter Richtung an ihm vorbei. Die Kähne waren leer. Aufmerksam notierte Fawkes Zahl und Farben der Positionslichter, die der Kapitän des Schleppers gesetzt hatte. Dann lichtete Fawkes den Anker, ließ den Bootsmotor an, und folgte dem Schleppzug im Schutz der Dunkelheit.
41
Der Schnee fiel dicht, aber trotz der geringen Außentemperaturen verwandelten sich die Schneekristalle beim Auftreffen auf die Wasseroberfläche des Table Lake in Wasser. Die Bergungstaucher der NUMA hatten zum Schutz gegen die grimmige Kälte geheizte Tauchanzüge angelegt, so dass die Arbeiten auf dem Grunde des Sees trotz der Wassertemperatur, die dort fast den Gefrierpunkt erreichte, zügig vorangingen. Die Hauptarbeit unter Wasser hatte darin bestanden, Tragwerk und Schwanzflossen der gesunkenen Cargo 03 abzutrennen, um die Hebung des Wracks zu erleichtern. Nachdem diese Schweißarbeiten zu Ende geführt waren, befestigten die Taucher zwei mächtige Stahlschlingen an dem verstümmelten Flugzeugrumpf.
Inzwischen waren auch Admiral Bass und Abe Steiger am Ort des Geschehens eingetroffen. Sie wurden von einem Transport-Lkw und einem blau gestrichenen Mannschaftswagen der Luftwaffe begleitet. Fröstelnd sahen sie zu, wie die Mannschaft fünf leere Särge auslud. Um zehn Uhr waren alle Vorbereitungen getroffen, so dass die Hebung der Cargo 03 vonstatten gehen konnte. Pitt gab den beiden Kranführern das vereinbarte Handzeichen. Die dicken Stahlkabel, die von der Winde der Schwimmkräne ins Wind gepeitschte Wasser hinunter hingen, strafften sich. Langsam neigten sich die Schwimmkräne, dem zunehmenden Druck nachgebend, um einige Grad nach vorn. Dann gab es einen leichten Ruck. Als ob ihnen plötzlich von unsichtbarer Hand Gewicht abgenommen worden sei, kippten die beiden Schwimmkräne wieder in ihre Ausgangsposition zurück. Pitt, der neben Admiral Bass stand, nickte. »Der Rumpf ist aus dem Schlamm heraus. Jetzt geht’s leichter«, erklärte er.
Er sah zu Giordino hinüber, der Kopfhörer angelegt hatte und ihm ein Zeichen mit dem nach oben weisenden Daumen gab. »Die Taucher sagen, der Rumpf kommt rauf!« schrie er.
»Sag dem Mann an der vorderen Schlinge, dass er den vorderen Teil vom Rumpf mö glichst tief hängen lässt. Das Loch ist im Heck.
Wenn wir nicht aufpassen, fallen uns die Behälter raus«, rief Pitt zurück. Mit Hilfe eines kleinen Mikrophons gab Giordino die Weisung zu den Tauchern durch.
Gespannt beobachteten die Männer an der Oberfläche das Manöver, von dem sie vorläufig nur die sanft nach oben gleitenden Stahlseile sehen konnten. Alle starrten auf die Stelle zwischen den
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