Der Todesflug der Cargo 03
wenn sich nukleares Material an Bord befunden hätte.«
»Ich gebe zu, das ist ein schwacher Punkt. Es ist unwahrscheinlich, dass die Regierung ein Flugzeug aufgibt, dessen Ladung vielleicht die halben Vereinigten Staaten verpesten kann.«
Steiger schnüffelte und verzog das Gesicht zu einer Grimasse. »Was ist das für ein fürchterlicher Gestank?«
Mit einem Satz sprang Giordino auf und lief zur Herdplatte hinüber. »Ich glaube, das Metallblättchen ist jetzt soweit, dass wir es uns einmal näher ansehen sollten.«
»In was hast du es eigentlich reingelegt?« erkundigte sich Pitt.
»In ein Gemisch aus Essig und Backpulver«, erklärte Giordino. »Das waren die einzigen Chemikalien, die ich in der Eile finden konnte.«
»Bist du sicher, dass das Gemisch die eingravierten Buchstaben wieder sichtbar machen kann?«
»Ich weiß nicht. Ich bin ja kein Chemiker. Aber ein Versuch kann nicht schaden.«
In gespielter Verzweiflung warf Steiger die Hände in die Luft und wandte sich an Pitt. »Wir hätten das Metallblättchen einem richtigen Laboratorium zur Untersuchung übergeben sollen. Statt dessen überlassen wir es Giordino, der damit herumspielt und das unschätzbare Beweisstück bis zur Unkenntlichkeit verkocht.«
Giordino überhörte Steigers Einwand. Vorsichtig hob er mit Hilfe von zwei Gabeln das Metallblättchen aus dem kochenden Wasser und trocknete es mit dem Geschirrtuch ab. Dann hielt er es zum Licht und drehte es hin und her. »Ist irgend etwas zu erkennen?« fragte Pitt. Giordino legte das Plättchen auf den Küchentisch. Er holte tief Luft, sein Gesichtsausdruck war ernst. »Ein Symbol ist zu erkennen«, sagte er mit einer Stimme, die vor Aufregung heiser klang. »Das Symbol für Radioaktivität!«
Unternehmen ›Wilde Rose‹
Natal, Südafrika, Oktober 1988
11
Für den uneingeweihten Betrachter sah der große Baumstumpf aus wie viele andere, die als stumme Zeugen einer jahrzehntelangen Trockenperiode in der Küstenprovinz Natal in Südafrika über die Landschaft verstreut waren. Niemand hätte sagen können, wann genau dieser Baum vertrocknet war. Tot, in groteskerSchönheit, stand er in der einsamen Gegend, die blattlosen Äste und Zweige in den azurblauen Tropenhimmel gereckt, während an den mächtigen Wurzeln die abgefallene und verfaulende Rinde einen scharf riechenden Humus zu bilden begann. In Wirklichkeit jedoch gab es etwas, das diesen Baumstumpf von den vielen anderen in der trockenen Küstenebene unterschied. Sein Stamm war ausgehöhlt. Und in dem Hohlraum kauerte ein Mann, der mit einem Fernglas durch eine schmale Ritze aufmerksam die Umgebung beobachtete.
Es war ein ideales Versteck. Marcus Somala, Spähtruppführer der »Afrikanischen Revolutionsarmee«, war stolz auf sein Werk. In nur zwei Stunden hatte er in der vergangenen Nacht das aufgeweichte Mark im Innern des Baumes entfernt und dann die verräterischen Überreste seiner Tätigkeit unter dem Buschwerk in der Nähe verscharrt. Nun saß er, ruhig und bequem, im Inneren des Stammes und hoffte, dass sein frischgeschaffenes Versteck jedem Test standhalten würde.
Es war kurz nach Sonnenaufgang, als ein dunkelhäutiger Feldarbeiter von der Farm, die zum observierten Territorium von Somala gehörte, herbeigeschlendert kam. Der Mann sah sich um, zögerte einen Augenblick, dann öffnete er seinen Hosenlatz und entleerte seine Blase gegen den Baumstamm. Somala, der das intime Geschehen durch den schmalen Sehschlitz beobachtete, mußte lächeln. Einen Augenblick lang verspürte er den Impuls, sein scharfgeschliffenes Buschmesser herauszuziehen, es durch den in Sichthöhe angebrachten Sehschlitz zu stecken und den Penis des unmittelbar vor ihm st ehenden Landarbeiters abzuschneiden. Aber er bezwang sich. Es wäre ein unverantwortlicher Leichtsinn gewesen, den Erfolg der revolutionären Aktion für ein abwegiges kleines Privatvergnügen aufs Spiel zu setzen. In seinem festgefügten Selbstverständnis betrachtete Somala sich als disziplinierten Berufssoldat und als leidenschaftlichen Revolutionär, als erfahrenen Guerillakämpfer, der erfolgreich an über hundertÜberfällen auf Farmen von Weißen teilgenommen hatte. Er war stolz, bei dem Kampf gegen das Krebsgeschwür der kolonialistischen Ausbeuter und bei der Vertreibung der Europäer aus seiner afrikanischen Heimat in erster Linie zu stehen.
Zehn Tage waren vergangen, seit er den ihm anvertrauten zehnköpfigen Guerillatrupp aus dem geheimen Basislager in Mosambique illegal über
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