Der Todesflug der Cargo 03
Bewegung war zu langsam. Der Angreifer feuerte zuerst, so dass das Mädchen getroffen wurde. Diesmal war es das Ende. Lautlos brach sie zusammen und rollte die Treppe hinunter wie eine Puppe, die von einem zornigen Kind weggeworfen wird.
Alles, was Myrna angesichts des entsetzlichen Geschehens um sie her tun konnte, war dasitzen und sich mit letzter Kraft auf ihre Flinte stützen. Der starke Blutverlust zerrte an ihrer Energie und begann ihre Sinne zu vernebeln. In einem letzten Aufflackern ihres schwindenden Geistes gewahrte sie einen bewaffneten Mann, der in geringer Entfernung vor ihr stand und ihr die Mündung seines automatischen Gewehres an die Schläfe hielt. »Vergeben Sie mir, Madam!« stammelte der Mann. »Warum tut ihr das?« fragte sie zurück.
Der Mann gab keine Antwort und schoss. Myrna Fawkes war es, als ob die violetten Blüten draußen auf der Veranda plötzlich zu roten Fuchsien und schließlich zu gleißenden Sonnenrädern würden. Dann umhüllte sie das Dunkel des Todes.
Ratlos stapfte Somala zwischen den Leichen umher, die in grotesken Verrenkungen überall auf dem Gelände lagen und in die Ewigkeit zu starren schienen. Erbarmungslos hatten die Angreifer fast alle Arbeiter samt ihren Familien in der nahe gelegenen Wohnsiedlung getötet. Allerhöchstens ein halbes Dutzend Frauen und Kinder, so schätzte er, konnten – in Angst und Panik – in den Busch entkommen sein. Vor ihrem Rückzug hatten die Angreifer noch Feuer an das gesamte Anwesen gelegt. Es brannte lichterloh.
Etwas war seltsam, dachte Somala. Niemand in der Führung seiner Untergrundorganisation hatte ihm gesagt, dass ein Angriff auf die Fawkes – Farm geplant war. Wer waren die Fremden? Warum hatten sie beim Abrücken so gründlich das gesamte Gelände abgesucht? Und warum hatten sie, trotz aller Eile, ihre Totenmitgenommen? Der ganze Überfall war, wie er fand, mit geradezu geisterhafter Präzision abgelaufen.
Nicht einmal, als aus der Ferne das Motorengeräusch der herannahenden Hubschraubereinheiten der Armee hörbar wurde, hatten die Angreifer irgendwelche Anzeichen von Panik gezeigt. In einer geordneten Absetzbewegung verschwanden sie im umliegenden Busch, als ob es sie nie gegeben hätte.
Nachdenklich ging Somala zu seinem Versteck im Baum zurück, um die Ausrüstung an sich zu nehmen, die er dort gelassen hatte. Dann machte er sich, in einer Art langsamem Dauerlauf, auf den Weg zum vereinbarten Treffpunkt mit seinen Kameraden. Es kam jetzt darauf an, so schnell wie möglich wieder über die Grenze nach Mozambique zu kommen, um die Führung über das Vorgefallene zu informieren. Somala sah nicht mehr zurück. Er achtete weder auf die entsetzlich verstümmelten Leichen in der Wohnsiedlung am Fluss, den er passierte, noch auf die Geier, die sich anden Überresten des Massakers gütlich taten. Und er hörte auch den Schuss nicht, der ihn in den Rücken traf und zu Boden warf.
16
Kommandant Patrick Fawkes erinnerte sich später nicht mehr daran, wie er den Heimweg von Pembroke nach Umkono geschafft hatte. Mechanisch bediente er das Steuer seines Wagens und die Fußpedale. Seine Augen waren glasig – starr auf die Straße gerichtet. Er war gerade in einer kleinen Drogerie gewesen, um das Badeöl für seine Tochter Jenny zu kaufen, als ein eigens nach ihm entsandter Polizist von der Polizeistation Pembroke ihn aufspürte und ihn mit wenigen Worten über die Tragödie informierte, die sich zu Hause ereignet hatte. Aus Trotz, oder auch um sich doch noch eine verzweifelte Hoffnung zu erhalten, hatte Fawkes sich zunächst geweigert, das Gehörte zu glauben. Erst später, als es ihm gelang, Shawn Francis, den irischen Chef der Polizeistation Umkono, über Funk zu erreichen, wurden ihm der Wahrheitsgehalt der Meldung und das Ausmaß des Unglücks klar. »Du musst sofort nach Hause kommen, Patrick. Und du musst stark sein!« hatte Francis gesagt. Weitere Einzelheiten hatte der Polizeichef über Funk nicht durchgegeben. Fawkes hatte auch nicht danach gefragt.
Die Sonne stand noch hoch am Himmel, als Fawkes von weitem das erblickte, was einmal seine Farm gewesen war. Von dem Herrenhaus war wenig übrig geblieben. Nur der Kamin und das ausgeglühte Eisengerippe der Veranda standen noch. Der Rest war ein Haufen rauchender Trümmer. Auf dem Hof standen ausgebrannte Traktoren, von deren geschmolzenen Reifen beißender, dunkler Rauch aufstieg. Die afrikanischen Farmarbeiter lagen noch genauso, wie sie erschossen oder niedergemetzelt
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