Der Todesflug der Cargo 03
Haut trotz der ländlichen Umgebung, in der dieser Gasthof sich befand, nicht von der Sonne gebräunt war. Die Frau hatte den gepflegten Teint eines Mannequins. Sie schien in keiner Weise beeindruckt, plötzlich vor einem Fremden zu stehen. Vermutlich – sinnierte Pitt – stammte sie aus einer jener anglosächsischen protestantischen Familien, deren höhere Töchter von Jugend an darauf gedrillt wurden, unter keinen Umständen die Fassung zu verlieren, es sei denn, angesichts der nichtstandesgemäßen Liaison des Großvaters mit der mexikanischen Küchenhilfe.
»Tut mir leid, dass Sie warten mussten«, sagte sie, indem sie den Stuhl neben einen herrlichen alten Kerzenleuchter platzierte. »Ich habe gar nicht gehört, wie Sie ankamen.«
»Ein besonders hübscher Stuhl«, bemerkte Pitt. »Ist das nicht ein Shaker-Modell?«
Sie nickte, beeindruckt von seiner Sachkenntnis. »Ja. Der Stuhl kommt aus der Manufaktur von Eider Henry Blinn aus Canterbury.«
»Sie haben eine ganze Reihe kostbarer alter Stücke hier, wie ich sehe.«
»Die Stücke, die Sie sehen, gehören zur Antiquitätensammlung von Admiral Bass, dem Besitzer des Hauses.« Die Frau war hinter die Empfangstheke getreten. »Der Admiral liebt Antiquitäten, wissen Sie.«
»Das sieht man. Und er hat einen guten Geschmack.«
»Möchten Sie ein Zimmer?«
»Ja, für eine Nacht.«
»Das geht. Länger wäre es leider nicht möglich. Ab morgen sind die Zimmer für die Teilnehmer einer Tagung reserviert.«
Pitt nickte höflich. »Das macht nichts. Ich muss sowieso morgen weiterfahren.«
Die Frau hinter der Empfangstheke schenkte ihm ein geschäftsmäßiges Lächeln. Sie schob ihm das Anmeldeformular hinüber, das er ausfüllte und unterschrieb.
»Sie haben Zimmer vierzehn. Die Treppe hoch und dann die dritte Tür links. Willkommen in unserem Hause, Mr. Pitt.« Sie hielt den Anmeldezettel in der Hand, von dem sie seinen Namen abgelesen hatte. »Ich bin Heidi Milligan. Wenn Sie irgend etwas benötigen, drücken Sie bitte auf die Klingel, die sich neben Ihrer Zimmertür befindet. Macht es Ihnen etwas aus, Ihr Gepäck selbst hinauf zunehmen?«
»Kein Problem. Was ich Sie fragen wollte – könnte ich einmal mit dem Admiral sprechen? Ich möchte ihn gern etwas zu einer…« – Pitt zögerte – »… Antiquität fragen.«
Sie deutete auf eine dunkel glänzende Schwingtür, die an der Schmalseite der Empfangshalle nach draußen führte.
»Sie finden Admiral Bass im Park, am Teich. Er schneidet die Wasserlilien.«
Pitt dankte und deutete eine leichte Verbeugung an. Dann ging er in die Richtung, die ihm Heidi Milligan angewiesen hatte. Die Schwingtür öffnete sich auf eine kleine, helle Vorhalle, aus der Pitt auf einen gepflegten breiten Gartenweg trat. Der Weg führte einen sanft abfallenden Hügel hinunter.
Admiral Bass hatte, wie Pitt anerkennend feststellte, den Park seines Anwesens im gefälligen Stil französischer Landschaftsgärten gestaltet. Unebenheiten, Findlinge und Felsen waren nicht eingeebnet, sondern in ihrer natürlichen Lage belassen worden. Bunte Feldblumen sprossen aus dem saftigen Rasen, der hier und da von alten Laubbäumen und weit ausragenden Pinien überschattet wurde. Einen Augenblick lang vergaß Pitt, warum er eigentlich hierher gekommen war, so sehr nahm ihn der Anblick der Landschaft gefangen.
Er fand Admiral Bass am Teich, wie die Frau im Empfang gesagt hatte. Bass war ein kräftiger, älterer Mann. Er trug hüfthohe Stiefel und war dabei, die Lilienblätter, die den Wasser Zufluss zum Teich überwuchert hatten, mit einer scharf gezinkten Gabel hochzureißen und ans Ufer zu werfen. Seine Bewegungen waren zielstrebig und von Energie erfüllt, er wirkte jünger, als er nach der Auskunft von Buckner vom FBI sein musste. Trotz der stechenden Sonne trug er keine Kopfbedeckung. Schweißtropfen rannen über seinen kahlen Kopf und tropften von seiner Nasenspitze und von seinem Kinn zu Boden. »Sind Sie Admiral Bass?« fragte Pitt.
Die Gabel stoppte mitten in der Bewegung. »Ganz recht, ich bin Walter Bass.«
»Mein Name ist Dirk Pitt. Könnte ich Sie einen Augenblick sprechen?«
»Kein Problem«, sagte Bass und führte die Bewegung mit der beladenen Gabel zu Ende. »Es macht Ihnen hoffentlich nichts aus, wenn ich währenddessen weiterarbeite.
Ich habe mir vorgenommen, noch vor dem Abendessen damit fertig zu werden. Wenn ich den Teich nicht mindestens einmal in der Woche sauber mache, wird der ganze Park überschwemmt.«
Der
Weitere Kostenlose Bücher