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Der Todesstoss

Der Todesstoss

Titel: Der Todesstoss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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»Ich habe dich
für klüger gehalten, Pirat. Willst du sterben?«
»Früher oder später tun wir das doch alle, oder? Abgesehen
von dir vielleicht.«
»Wenn du jetzt mit mir kommst, wird es eher früher der Fall
sein als später.
Sehr viel früher.« Um seine Wut zu beherrschen, zwang er
sich, Abu Dun mit einer vernünftigen Begründung zu
überzeugen. Als ob Begründungen noch von Bedeutung
gewesen wären! »Sollte der Soldat wieder zurückgekehrt sein,
überlebst du nicht einmal die erste Minute.«
Abu Dun schwieg. Andrej konnte sehen, wie es hinter seinen
dunklen Augen arbeitete, aber er schluckte jede Erwiderung
hinunter, die ihm auf der Zunge lag.
Vielleicht sah er das, was Andrej gesagt hatte, tatsächlich ein;
wahrscheinlicher aber war, dass er seine Wut spürte und genau
wusste, dass jede denkbare Antwort zu einem Streit führen
konnte.
»Es ist wichtig, Abu Dun«, fuhr Andrej fort. »Ich muss mit
Thobias reden. Du kannst hinterher mit ihm machen, was du
willst, aber …«
»Worauf du dich verlassen kannst, Hexenmeister«, fiel Abu
Dun ihm ins Wort, aber Andrej fuhr fort: »… aber ich muss ihn
sprechen. Mein Leben könnte davon abhängen. Und das Leben
anderer auch.«
»Dafür, dass du so sehr an deinem Leben hängst, gehst du
ziemlich leichtfertig damit um«, grollte Abu Dun, zuckte
zugleich aber mit den Schultern und machte sich daran, das
Pferd auf dem schmalen Weg zu wenden. Es war nicht einfach.
Ebenso fiel es Andrej schwer, dem Tier, das sie am Waldrand
gefunden hatten, seinen Willen aufzuzwingen. Die Pferde
waren erstaunlich widerspenstig.
»Ich warte bis zum nächsten Sonnenaufgang auf dich«, sagte
Abu Dun, »keinen Augenblick länger.«
Andrej nickte ihm nur zum Abschied zu. Er wartete, bis der
Nubier verschwunden war, dann drehte auch er sein Pferd
herum und ritt langsam weiter, hinunter ins Tal, dem
brennenden Ort entgegen.
Die Stadt loderte nicht von einem Ende zum anderen, wie es
vom Berg herab den Anschein gehabt hatte, aber die Zerstörung
des Dorfes war dennoch weit fortgeschritten. Etwa ein Drittel
der Gebäude stand in hellen Flammen oder war bereits
niedergebrannt und zu rauchenden Ruinen geworden. Skelette
aus schwarz gewordenen, mürben Balken, die noch immer
mörderische Hitze und Gestank verströmten, oder auch nur
mannshohe Aschehaufen, in denen es hier und da noch rot
glühte, säumten seinen Weg. Trümmer lagen verstreut auf der
schmalen Straße, die sich zwischen den Häusern
hindurchschlängelte, aber Andrej fiel auf, dass es einzig
Trümmer und Überreste der brennenden Gebäude waren:
verkohlte Balken, hölzerne Dachschindeln und verbranntes
Stroh - keine Möbelstücke, keine Kleider, keine
weggeworfenen oder verlorenen Habseligkeiten, die von dem
verzweifelten Versuch der Menschen kündeten, wenigstens
einen Teil ihres Besitzes aus den Flammen zu retten. Was über
Trentklamm gekommen war, war kein Unglücksfall gewesen.
Den ersten Toten fand Andrej, kaum dass er die Ortsgrenze
überquert hatte. Der Mann lag mit ausgestreckten Gliedern
mitten auf dem Weg. Er war kein Opfer der Flammen
geworden, auch wenn sein Körper schlimme Verbrennungen
aufwies. Was ihn getötet hatte, war jedoch zweifelsfrei der
Armbrustbolzen gewesen, der zwischen seinen Schulterblättern
herausragte.
Andrej machte sich nicht die Mühe, aus dem Sattel zu steigen,
um den Toten zu untersuchen. Er kannte den Mann nicht,
schloss jedoch aus seiner Kleidung, dass er zu den
Dorfbewohnern gehört haben musste. Er konnte nichts mehr für
ihn tun. Selbst ohne seine unheimlichen Instinkte hätte er auf
Anhieb gesehen, dass er tot war. Nachdem ihn der Bolzen
niedergeworfen hatte, waren brennendes Holz und Stroh auf ihn
hinabgeregnet und hatten seine Kleider und sein Haar in Brand
gesetzt und ihm weitere Wunden zugefügt, die kein Mensch
hätte überleben können. Der Ausdruck auf seinem geschwärzten
Gesicht verriet, dass er schnell gestorben war, ohne lange leiden
zu müssen. Andrej mutmaßte, dass dies längst nicht für alle
Bewohner des Dorfes galt. Spätestens jetzt wurde ihm klar, wie
schrecklich sich Bruder Thobias geirrt hatte. Vater Benedikt
hatte keine zehn Tage gebraucht, um zum Landgrafen und
zurück zu reiten. Er war längst wieder heimgekehrt, und er war
nicht allein gekommen. Andrej konnte die Spuren der
Inquisition erkennen.
Wieder begann sich dumpfer Zorn in ihm breit zu machen,
aber diesmal versuchte er nicht ihn niederzukämpfen. Während
er langsam

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