Der Todesstoss
weiter in den Ort hineinritt, wuchs in ihm eine kalte
Entschlossenheit, Benedikt und die Männer, die mit ihm
gekommen waren, zu töten. Sie hatten kein Recht, so etwas zu
tun. Niemand hatte das Recht.
Plötzlich wurde ihm deutlich, was er gerade gedacht hatte,
und ein eisiger Schauer lief ihm über den Rücken. Sein Zorn
war verständlich, aber es war noch gar nicht so lange her, da
hatte ein anderes Dorf gebrannt, auf der anderen Seite der Berge
und in einem anderen Land, aber aus demselben Grund. Wer
war er, dass er sich anmaßte, entscheiden zu können, was
richtig war und was falsch?
Vielleicht war diese Frage falsch gestellt. Vielleicht musste
sie lauten: Wer war er geworden?
Er verscheuchte den Gedanken und konzentrierte sich mit
aller Macht auf die Straße, die er entlang ritt. Seine Augen
tränten von dem grellen Licht und von dem beißenden Rauch,
den die brennenden Häuser verströmten. Das Prasseln der
Flammen war so laut, dass es jedes andere Geräusch übertönte.
Das Feuer machte das Pferd so unruhig, dass Andrej immer
größere Mühe hatte, das Tier unter Kontrolle zu halten. Aber
Lärm, Licht und Hitze, die ihm so große Schwierigkeiten
bereiteten, waren zugleich auch seine Verbündeten. Er musste
sich keine Gedanken darüber machen, frühzeitig gesehen zu
werden, denn das Wüten der Zerstörung gab ihm zugleich auch
Deckung. Weiter zur Dorfmitte hin nahm die Anzahl der
brennenden Gebäude sogar noch zu; Lärm und Licht würden
dort vermutlich unerträglich sein.
Das Pferd scheute, als ein brennender Strohhalm auf seine
Mähne fiel und der Schmerz tief in seinen Hals biss; diesmal so
überraschend und heftig, dass Andrej es nicht sofort wieder in
seine Gewalt brachte. Das Tier versuchte auszubrechen, stieg
auf die Hinterläufe und schlug wild mit den Vorderhufen aus,
aber Andrej zwang es mit roher Gewalt wieder in seinen
Willen. Erst danach schlug er mit dem Handrücken nach dem
brennenden Stroh und fegte es davon. Das Pferd nutzte die
winzige Unaufmerksamkeit, um erneut auszubrechen. Diesmal
versuchte es nicht, seinen unwillkommenen Reiter
abzuschütteln, sondern ging einfach mit ihm durch, und dieser
zweite Ausbruchsversuch war selbst für Andrej nicht
aufzuhalten. Er versuchte hastig, sich an Zaumzeug und Sattel
festzuklammern, aber seine Reaktion kam zu spät.
Er verlor den Halt, stürzte rücklings aus dem Sattel und
landete so heftig auf dem Bauch, dass er einen Moment lang
benommen war und mit geschlossenen Augen und stöhnend
liegen blieb. Sein rechtes Knie fühlte sich an, als hätte jemand
einen glühenden Nagel hindurchgetrieben, und er spürte, wie
warmes Blut an seinem Bein hinunterlief.
Als seine Gedanken aufhörten, sich wie wild im Kreise zu
drehen, hörte er ein gehässiges Lachen. Hinter ihm ertönte
dumpfes Hufscharren.
»Ich sage doch immer, dass du ein miserabler Reiter bist,
Hässler«, sagte eine Stimme. »Du hast dein Tier einfach nicht
unter Kontrolle, und …«
Andrej stemmte sich mühsam und mit zusammen-gebissenen
Zähnen hoch und drehte sich in der gleichen Bewegung herum.
Die Worte brachen mitten im Satz ab und gingen in einen
überraschten Laut über.
Hinter ihm war ein Reiter aufgetaucht. Der Mann war ein
gutes Stück größer als er und fast so breitschultrig wie Abu
Dun, wirkte aber viel plumper. Sein Pferd war auf die gleiche
Art gezäumt wie das, von dem Andrej gerade heruntergefallen
war, und auch seine Kleidung glich der, die Andrej trug. Sie
hatten beide dunkle Hosen und helle Hemden an, aber wo
Andrej ein schwarzes Wams über dem Hemd trug, hatte der
andere eine mit ledernen Nieten besetzte Weste. Er trug
schwere Lederbänder um das Handgelenk und eine ebenfalls
lederne Kappe, die mit zahlreichen Nieten verstärkt war, sodass
sie ihren Träger fast so zuverlässig schützte wie ein Helm, aber
nicht dessen hinderliches Gewicht besaß. Das Ganze sah aus
wie eine Uniform, und in dem schlechten Licht und bei all dem
Rauch war die Ähnlichkeit wohl gerade groß genug gewesen,
Andrej mit einem seiner Kameraden zu verwechseln.
Und vielleicht war das auch der einzige Grund, aus dem er
nicht angegriffen worden war, dachte Andrej. Er hatte sich zu
sehr darauf verlassen, dass ihn seine neu erworbenen
wölfischen Instinkte vor jedem Hinterhalt warnen würden. Ein
Fehler, der ihm bestimmt nicht noch einmal unterlaufen würde.
Auch der andere hatte seinen Irrtum schnell erkannt. Aus der
Schadenfreude, die auf seinem Gesicht gelegen
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