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Der Todesstoss

Der Todesstoss

Titel: Der Todesstoss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Krieger überwältigt.«
»Ich auch nicht«, sagte der Inquisitor. Etwas nachdenklicher
fügte er hinzu: »Ich frage mich nur, warum er zurückgekommen
ist?«
»Zweifellos, um seinen Kameraden zu befreien«, erwiderte
Benedikt. »Warum sonst?«
»Und zu diesem Zweck lässt er sich im Glockenturm
einsperren und läutet Alarm, damit ihn die Soldaten finden und
niederstrecken?« Andrej konnte das Kopfschütteln des jungen
Geistlichen beinahe sehen. »Wohl kaum.«
»Vielleicht hat er sich überschätzt«, wandte Thobias ein.
»Überschätzt?«
»Die Männer, die er im Kloster getötet hat, waren, keine
wirklichen Soldaten. Es waren Bauern und Tagelöhner, die der
Landgraf mit Uniformen ausgestattet und zu mir geschickt hat,
um mir Schutz zu geben. Keine gut ausgebildeten Krieger wie
die, die in Eurer Begleitung gekommen sind, Herr. Wenn
Andrej geglaubt hat, er hätte es hier mit der gleichen Art von
Männern zu tun, dann hat er eine tödliche Überraschung
erlebt.«
Der Inquisitor schwieg zu diesen Worten. Schließlich
entfernte er sich raschelnd einige Schritte und blieb vor der Tür
noch einmal stehen. Es war Andrej unheimlich, wie genau er
nur anhand von Geräuschen und Gerüchen erkennen konnte,
was rings um ihn herum vorging.
»Das mag so gewesen sein«, sagte der Inquisitor seufzend.
»Dennoch ist es bedauerlich, dass wir nicht mit ihm sprechen
konnten. Obwohl er vermutlich ohnehin nicht geantwortet hätte,
wenn er wirklich der ist, für den Ihr ihn haltet, Thobias.«
Seine Kleidung raschelte erneut, als er mit den Schultern
zuckte. »Wir haben noch immer den Mohren. Ich werde
hinausgehen und ihn verhören - auch wenn ich nicht glaube,
dass er reden wird.« Er machte einen einzelnen Schritt und
blieb wieder stehen. »Begleitet Ihr mich nicht?«
»Sofort, Exzellenz«, antwortete Thobias. »Es ist nur …«
»Ja, ich verstehe«, sagte der Inquisitor. Seine Stimme wurde
leiser, und ein Unterton von Mitgefühl lag plötzlich darin, den
Andrej bei diesem Mann niemals erwartet hätte. »Ihr wollt
Abschied nehmen. Das gestehe ich Euch gerne zu.
Aber bedenkt, es gibt noch viele Fragen, die auf eine Antwort
warten.«
Er verließ den Raum. Die Tür wurde nicht hinter ihm
geschlossen, und es wurde auch nicht dunkel. Als Andrej
unendlich behutsam die Augen einen schmalen Spalt öffnete,
sah er, dass der Inquisitor die Fackel an Benedikt weitergegeben
hatte. Sowohl er als auch Thobias blickten in seine Richtung,
aber nicht direkt auf ihn, sondern auf das, was neben ihm lag.
Der Leichnam, den er gespürt hatte.
»Das war riskant«, sagte Benedikt nach einer Weile und erst,
als er anscheinend sicher war, dass sich niemand mehr in
unmittelbarer Nähe befand, der seine Worte hätte hören können.
»Was?«, fragte Thobias. Andrej hatte die Augen wieder
geschlossen, aber er konnte den verächtlichen Gesichtsausdruck
des jungen Geistlichen ahnen. »Ihn darum zu bitten, dass ich
noch einen Moment hier verweilen darf? Ein Inquisitor würde
selbst einem verurteilten Verbrecher nicht die Gnade
verweigern, ihn Abschied von seinem toten Vater nehmen zu
lassen.«
Diesmal konnte Andrej ein fast unmerkliches
Zusammenzucken nicht mehr verhindern. Es wurde nicht so
sehr von der Erkenntnis, dass der Tote neben ihm Thobias’
Vater war, verursacht. Es war die vollkommene Kälte und
Gefühllosigkeit in Thobias’ Stimme. Gleich, ob er sich gut mit
Ludowig gestanden hatte oder nicht, dieser Mann war sein
Vater gewesen. Gott im Himmel, was für ein Ungeheuer war
Thobias?
»Glaub mir, ich kenne Martius. Ich war es, der ihn zur
Inquisition gebracht hat, vergiss das nicht. Er ist ein harter
Mann, aber er verschließt sich nicht der Logik, wie viele seiner
Brüder«, sagte Benedikt.
»Und?«, fragte Thobias.
»Was ist, wenn er dir am Ende glaubt und von hier fortgeht,
ohne seine Arbeit zu Ende zu bringen?«, fragte Benedikt.
»Darum sorge dich nicht«, antwortete Thobias abfällig.
»Dieser Narr denkt genau das, was er denken soll. Wenn die
Sonne das nächste Mal aufgeht, wird hier niemand mehr am
Leben sein. Martius ist zufrieden, und wir können endlich in
Frieden und Sicherheit leben.«
Er kam wieder näher. Andrej konnte spüren, wie er erst
seinen toten Vater, dann ihn musterte. »Ich verstehe nicht,
warum er zurückgekommen ist«, sagte er. »Ich hätte ihn für
klüger gehalten.« Er seufzte, bewegte sich einen Moment
unruhig auf der Stelle und wandte sich dann um.
»Ich möchte, dass du bei ihm bleibst,

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