Der Todesstoss
im
Bunde und auch nicht von ihm besessen«, sagte Abu Dun
lachend. »Was also wollt Ihr von uns ?«
»Ihr müsst gehen«, krächzte Vater Ludowig. Er hatte Mühe,
zu sprechen und massierte mit der linken Hand seinen
schmerzenden Kehlkopf. Andrej hatte nicht mit aller, aber doch
mit großer Kraft zugedrückt. Ludowig konnte von Glück sagen,
dass er ihm nicht sein vom Alter schon mürbe gewordenes
Genick gebrochen hatte. »Das hier ist kein Platz für Fremde.
Wenn Ihr wisst, was gut für Euch ist, dann steigt auf Eure
Pferde und reitet davon.«
»Das hatten wir ohnehin vor«, antwortete Andrej kühl. »Aber
nun, wo Ihr uns so nett darum bittet, bleiben wir vielleicht noch
ein paar Tage.«
»Ihr wisst nicht, was …«, setzte Vater Ludowig an, aber er
wurde unterbrochen. Draußen polterten Schritte, dann wurde
die Tür aufgerissen, und Birger stürmte herein, nackt bis auf
einen schmuddeligen Lendenschurz.
In der rechten Hand hielt er einen Knüppel, und auf seinem
Gesicht lag ein wütend-entschlossener Ausdruck, der aber in
Überraschung und dann Betroffenheit umschlug, als er Vater
Ludowigs und danach des Messbechers in Andrejs Hand
ansichtig wurde.
»Oh«, sagte er.
»Was wollt Ihr mit dem Prügel? Uns wach klopfen?«, maulte
Abu Dun. Das ist nicht nötig. Mein Schädel dröhnt schon genug
von Eurem süßen Wein.»
Birger starrte den Knüppel in seiner Hand einen Moment lang
verwirrt an, als könne er sich tatsächlich nicht erinnern, wie er
überhaupt dorthin kam, und flüchtete sich schließlich in ein
Lächeln.
»Ich war … verzeiht«, stammelte er, räusperte sich und setzte
neu an. »Ich habe Lärm gehört und wollte nachsehen.« Er ließ
den Knüppel sinken und wandte sich stirnrunzelnd an Vater
Ludowig. »Was geht hier vor?«
Vater Ludowig starrte ihn verstockt an. Er schwieg. Birger
setzte dazu an, seine Frage in schärferem Ton zu wiederholen,
aber Andrej kam ihm zuvor.
»Ich glaube, der gute Vater Ludowig ist nur gekommen, um
sich bei uns zu entschuldigen.«
Birgers Stirnrunzeln vertiefte sich, während er von einem
zum anderen blickte. Schließlich hob er die Schultern und
wandte sich direkt an Eudowig.
»Wird es nicht Zeit, die Morgenandacht vorzubereiten,
Vater?«
Ludowig nickte hastig, nahm den Messbecher an sich, den
Andrej ihm hinhielt, und floh aus dem Zimmer. Er schloss die
Tür nicht hinter sich, und es blieb eine ungute, schwer mit
Worten zu beschreibende Stimmung zurück.
Andrej war aber nicht sicher, ob sie nun von Vater Ludowig
oder von Birger ausgegangen war.
»Ich muss mich in Vater Ludowigs Namen für die Störung
Eures Schlafes entschuldigen«, sagte Birger.
Er ist ein alter Mann, aber das rechtfertigt nicht sein Handeln.
Ich werde mit ihm sprechen.«
»Das ist nicht nötig«, wiegelte Abu Dun ab. Er sah aus dem
Fenster. »In Kürze wird es ohnehin hell. Wir können ebenso gut
jetzt aufbrechen.«
»Ganz, wie Ihr wünscht.« Birger wirkte enttäuscht. »Ich hoffe
nur, es hat nichts mit diesem dummen Zwischenfall zu tun.«
»Bestimmt nicht«, versicherte ihm Andrej. »Abu Dun hat
Recht, wisst Ihr?
Wir haben noch einen weiten Weg vor uns.«
»Aber Ihr bleibt, bis es hell ist?« Birgers Vorschlag klang
eindeutig wie ein Befehl. »Es ist viel zu gefährlich, nachts
durch die Wälder zu reiten. Ihr könnt Euch draußen am
Brunnen waschen, wenn Ihr wollt. Das Wasser ist kalt, aber
sauber. Ich werde die Zeit nutzen, um ein Mahl vorzubereiten.
Ihr könnt es auf dem Weg brauchen, glaubt mir.«
Andrej tauschte einen raschen - und, wie er hoffte, von Birger
nicht bemerkten - Blick mit Abu Dun, aber der Nubier zuckte
nur mit den Schultern.
Wie Birger vorausgesagt hatte, war das Wasser des
gemauerten Brunnens hinter seinem Haus sauber und klar, aber
auch eiskalt. Es kostete Andrej Überwindung, sich damit zu
waschen, und auch Abu Dun schnaubte und prustete, dass man
es im ganzen Tal hätte hören müssen. Rasch trockneten sie sich
ab, hüllten sich wieder in ihre Kleider, und als sie ins Haus
zurückkamen, erlebten sie eine Überraschung: Birger hatte nicht
nur überall Kerzen angezündet, was dem großen, nur spärlich
möblierten Raum etwas sonderbar Sakrales zu verleihen schien,
er hatte auch bereits den Tisch gedeckt und Speisen
aufgetragen, die das Mahl eher zu einem Festmahl geraten
ließen. Und er war nicht mehr allein. Andrej hatte nicht
bemerkt, dass noch jemand das Haus betreten hatte, doch neben
Birger saß jetzt eine dunkelhaarige junge Frau, die
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