Der Todesstoss
den kalten, leicht säuerlichen Schweiß
eines alten Menschen, und als er die Augen öffnete, nahm er
einen verschwommenen Umriss im Halbdunkel des Zimmers
wahr.
Metall blitzte unmittelbar über seinem Gesicht auf.
Andrej reagierte so schnell, dass der andere vermutlich nicht
einmal begriff, wie ihm geschah, ehe er auch schon hilflos in
seinem Griff zappelte und vergebens nach Luft rang. Die Waffe
polterte mit einem Geräusch zu Boden, das seltsam falsch
klang, und obwohl Andrej noch immer kaum mehr als einen
Schatten sah, hatte er doch sofort das Gefühl, dass irgendetwas
nicht so war, wie es sein sollte.
Auch Abu Dun sprang auf die Füße. Er hatte am vergangenen
Abend sehr viel mehr getrunken als Andrej und hätte
demzufolge schlafen müssen wie ein Stein, reagierte aber mit
der gewohnten Schnelligkeit: Mit einem einzigen Satz war er
aus dem Bett und stieß die Fäden auf, die Birger vorgelegt
hatte.
Silbernes Mondlicht strömte ins Zimmer, und für einen
unendlich kurzen Moment glaubte Andrej einen Schatten
davonhuschen zu sehen, etwas Großes, Dunkles, mit Flügeln,
die auf falsche Weise schlugen. Aber er war nicht sicher, und in
der nächsten Sekunde, als er das zappelnde Bündel in seinen
Händen betrachtete, war er auch viel zu verblüfft, um einen
weiteren Gedanken daran zu verschwenden.
»Vater Ludowig?«, murmelte er überrascht.
Der greise Mönch strampelte vergebens mit den Füßen, die
sich eine gute Handbreit über dem Boden befanden, und schlug
schwächlich mit beiden Fäusten auf Andrejs Hände ein. Sein
Gesicht begann sich all-mählich blau zu färben.
»Was tut Ihr hier?«, wollte Andrej wissen.
Vater Ludowig ächzte, und Abu Dun, der am Fenster stand
und sich den Brummschädel rieb, murmelte:
»Höchstwahrscheinlich fällt ihm das Antworten leichter, wenn
du die Hände von seinem Hals nimmst.«
Andrej ließ den Mönch so hastig los, dass Vater Ludowig die
Balance verlor und gestürzt wäre, hätte Abu Dun nicht rasch
zugegriffen und ihn aufgefangen. Obwohl er heftig japsend
nach Luft rang und zweifellos starke Schmerzen hatte, riss
Ludowig sich hastig los, wich bis in die entfernteste Ecke des
Zimmers zurück und schlug das Kreuzzeichen vor Brust und
Gesicht. In seinen weit aufgerissenen Augen stand die nackte
Angst, während er abwechselnd Andrej und den Nubier
anstarrte.
»Vater Ludowig«, versuchte es Andrej noch einmal, nun in
verändertem Ton.
»Wir haben Euch gestern Abend vermisst. Schön, dass Ihr
doch noch gekommen seid.«
Er bedauerte die Worte augenblicklich. Vater Ludowig war
nicht in der Verfassung, den Spott darin zu verstehen.
Vermutlich würde er alles, was Andrej in diesem Moment tat
oder sagte, als Drohung empfinden. Statt auf ihn zuzutreten und
seine Furcht damit noch zu nähren, richtete Andrej seinen Blick
nach unten und hielt nach dem Gegenstand Ausschau, den Vater
Ludowig fallen gelassen hatte. Die vermeintliche Waffe
entpuppte sich als kupferner Becher, der in einer bereits
eingetrockneten Pfütze auf dem Boden lag.
Andrej ging in die Knie, hob ihn auf und roch daran. Dann
tauchte er den Zeigefinger in den winzigen verbliebenen Rest
von Flüssigkeit, der sich noch in darin befand, und kostete.
»Weihwasser?«, murmelte er überrascht.
Abu Dun blinzelte, während sich auf Ludowigs Gesicht eine
Mischung aus Unglauben und nur ganz allmählich
aufkommender Erleichterung breit zu machen begann.
»Habt Ihr Eure Meinung geändert?«, fragte Andrej. »Ihr seid
tatsächlich gekommen, um uns zu segnen? Das ist überaus
großzügig von Euch.«
Abu Dun warf ihm einen mahnenden Blick zu, und auch
Andrej selbst rief sich in Gedanken zur Mäßigung. Ludowig
erbleichte schon wieder. Andrej war klar, dass er dem alten
Mann wahrscheinlich Unrecht tat, aber nach allem, was er mit
Männern der Kirche erlebt - und durch sie erlitten - hatte, war
es ihm einfach nicht mehr möglich, wohlwollend mit ihnen
umzugehen.
Er wollte es auch nicht.
»Was sucht Ihr hier?«, fragte er geradeheraus.
Vater Ludowig starrte ihn nur stumm und aus immer noch
weit aufgerissenen Augen an.
»Erklärt Euch! Wieso kommt Ihr mitten in der Nacht
hierher?«
Ludowigs Blick saugte sich schier an dem Becher in Andrejs
Hand fest. Er sprach noch immer nicht. Andrej wusste selbst
nicht warum, aber aus einem plötzlichen Gefühl heraus, setzte
er den Becher an und trank die wenigen Tropfen aus, die sich
noch auf seinem Boden befanden.
»Ihr seht, Heiliger Mann, wir sind nicht mit dem Teufel
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