Der Todesstoss
»Du meinst
sicher uns alle?«
»Weiter als bis hier gehe ich nicht«, entgegnete Birger.
»Das war nicht vereinbart!«
»Ich wäre nur eine Last für Euch« Birger blieb beharrlich.
»Der Weg in den Kerker ist nicht zu verfehlen. Gleich hinter
dem Tor steht ein kleines Gebäude ohne Fenster. Darin befindet
sich die Treppe nach unten. Es ist sicher verschlossen, aber die
Wache am Tor hat einen Schlüssel.«
»Du kennst dich ziemlich gut aus«, stellte Abu Dun
misstrauisch fest.
»Ich habe einen der Kerle gefangen, die bei dem Überfall
dabei waren«, antwortete Birger ungerührt. »Im vergangenen
Frühjahr, als ich noch auf Vergeltung aus war. Er war sehr
redselig, aber es hat ihm nichts genützt. Die Treppe führt direkt
ins Verlies hinunter. Wahrscheinlich gibt es dort unten eine
weitere Wache, vielleicht auch mehr. Ihr müsst vorsichtig sein.«
Abu Dun wollte auffahren, aber Andrej legte ihm rasch und
beschwichtigend die Hand auf den Unterarm. »Lass gut sein,
Abu Dun. Es stimmt. Er wäre nur eine Last für uns, vor allem,
wenn wir schnell fliehen müssen. Wie erkennen wir deine
Tochter?«
»Ihr Name ist Imret«, antwortete Birger. »Sie ist zwölf Jahre
alt und hat blondes Haar, fein wie Seide und lang bis auf den
Rücken.«
»Du meinst, das hatte sie, als du sie das letzte Mal gesehen
hast«, sagte Abu Dun.
Das Gesicht des Dörflers verfinsterte sich. Andrej wünschte
sich, Abu Dun hätte sich etwas vorsichtiger ausgedrückt.
»Sie hat ein kleines Muttermal auf der linken Wange«,
ergänzte Birger. »Ihr werdet sie erkennen. Sie ist das schönste
Mädchen, das Ihr je gesehen habt.«
»Gut«, sagte Andrej, bevor Abu Dun Gelegenheit fand,
Birger noch weiter zu quälen. »Das wird wohl reichen. Ihr
wartet hier. Wenn irgendetwas geschieht, was Euch nicht
geheuer vorkommt, dann bringt Euch in Sicherheit.
Wir finden Euch schon.«
Er stand auf und huschte geduckt dem Schatten des Klosters
entgegen. Abu Dun folgte ihm in geringem Abstand, aber schon
bald liefen sie nebeneinander her, und als sie sich dem Eingang
des Klosters näherten, übernahm der Nubier die Führung, bis er
plötzlich stehen blieb, sich auf ein Knie herabsinken ließ und
warnend die linke Hand hob. Die andere hatte er auf den
Schwertgriff gelegt, die Waffe aber noch nicht gezogen; wohl
damit sich kein verirrter Lichtstrahl auf dem Metall des
Krummsäbels brach und sie verriet.
»Dort vorne!«, zischte er.
Andrej starrte aufmerksam in die Richtung, in die Abu Dun
wies. Erst nach einem Moment sah er den gedrungenen
Schatten, der lässig an der Wand neben dem Tor lehnte. Abu
Dun hatte den Mann vor ihm entdeckt.
Andrej ging mit schnellen Schritten an ihm vorbei, duckte
sich noch tiefer und zog sein Schwert, als er noch zwei Schritte
von dem Wächter entfernt war. Der Mann schrak aus seinem
Halbschlaf auf, aber es war zu spät.
Andrej schlug ihm den Schwertknauf unter das Kinn, und der
Schädel des Mannes prallte mit einem knirschenden Laut gegen
die Wand. Reglos sank er daran zu Boden, und Andrej winkte
Abu Dun heran, ehe er neben dem Posten niederkniete und nach
seinem Puls fühlte. Er lebte noch. Gut.
»Andrej! Pass auf!«
Abu Dun hatte seine Warnung laut gerufen. Andrej schrak
zusammen und fuhr herum, und aus der Wand über ihm
sprühten Funken, als eine Schwertklinge dagegen schlug.
Andrej reagierte instinktiv und endlich wieder so schnell, wie er
es gewohnt war: Er ließ sich zurückfallen und stieß zugleich das
Schwert schräg nach oben. Noch während er mit einer
fließenden Bewegung wieder auf die Füße kam, brach der Mann
gurgelnd zusammen. Er starb, noch bevor sein Körper den
Boden berührte.
»Alles in Ordnung?« Abu Dun kam schwer atmend neben
ihm an. »Bist du verletzt?«
Andrej schüttelte benommen den Kopf. »Zwei«, murmelte er.
»Es waren zwei Wächter.«
»Birger wird uns eine Menge erklären müssen«, grollte Abu
Dun.
»Hoffentlich stimmt der Rest seiner Beschreibungen. Aber
ich glaube, niemand hat etwas gehört. Wir haben Glück
gehabt.«
Zuviel dachte Andrej. Ein eisiger Schauer lief auf dünnen
Spinnenbeinen sein Rückgrat hinab. Es waren zwei Wächter
gewesen! Aber wieso hatte er den zweiten Mann nicht bemerkt?
Er hätte ihn riechen müssen, lange bevor er aufgetaucht war!
Großer Gott, er hätte seinen Herzschlag hören müssen, so
nahe, wie er ihm gekommen war!
»Ist wirklich alles in Ordnung mit dir?«, fragte Abu Dun nun
leise, aber sehr besorgt.
»Verdammt noch mal, ja!«, schnappte
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