Der Todesstoss
getötet oder einfach liegen
gelassen haben - was auf das Gleiche hinausgelaufen wäre.«
»Und was erwartet Ihr nun von mir?«, wollte Andrej wissen.
Thobias räusperte sich, um seine Verlegenheit zu überspielen.
»Vater Benedikt ist unser Abt«, sagte er, »aber er ist nur selten
hier. In seiner Abwesenheit leite ich das Kloster, aber das ändert
nichts daran, dass er das Sagen hat. Und er ist ein sehr harter
Mann. Bedenkt man, womit wir es zu tun haben, so muss er das
wohl sein.«
»Aha«, sagte Andrej. Er verstand immer weniger. »Und was
wollt Ihr jetzt von mir? Nur zu: Ich weiß, dass ich nur noch
lebe, weil Ihr es so wollt.«
»Bitte sagt ihm nicht, wer Euch geschickt hat, und woher Ihr
kommt«, sagte Thobias. »Niemand hier weiß, dass Birger Euer
Auftraggeber ist und Ihr und Euer Freund aus Trentklamm
gekommen seid.«
»Warum?«, fragte Andrej misstrauisch.
Thobias wich seinem Blick aus. Er wurde zunehmend
unruhiger. »Die Menschen in Trentklamm sind aufrechte und
gottesfürchtige Leute. Urteilt nicht über alle, nur weil einige
von ihnen schlecht sind. Ich weiß, dass Ihr Birger hassen müsst,
aber lasst nicht die Unschuldigen für ihn bezahlen.«
»Und?«, fragte Andrej.
»Vater Benedikt würde Trentklamm niederbrennen und jede
lebende Seele dort auslöschen lassen, wüsste er, wer hinter dem
Überfall steckt«, antwortete Thobias. »Ich habe bereits mit
Eurem Freund gesprochen. Er ist einverstanden zu sagen, dass
ihr von einem Fremden in einem Gasthaus einen halben
Tagesritt westlich von hier angesprochen worden seid, das
Mädchen für Geld zu befreien.«
»Abu Dun hat Euch das zugesagt?«, fragte Andrej zweifelnd.
»Zugesagt vielleicht nicht direkt«, gestand Thobias. »Aber
ich habe mit ihm gesprochen, und er hat meinen Vorschlag
zumindest nicht abgelehnt. Genau genommen hat er eigentlich
gar nichts gesagt.«
»Ja, das klingt nach Abu Dun«, sagte Andrej. »Kann ich ihn
sehen?«
»Vielleicht später«, antwortete Thobias. »Sobald Ihr mit
Vater Benedikt gesprochen habt. Seid Ihr bereit dazu?«
»Warum nicht?«, fragte Andrej.
Thobias nickte knapp und ging. Ziemlich schnell. Beinahe ein
wenig zu schnell, für Andrejs Empfinden.
Der greise Abt entsprach Andrejs Vorstellungen von einem
alt gewordenen, verbitterten Kirchenoberen. Er ähnelte Vater
Ludowig, musste aber einige Jahre jünger sein und war besser
genährt und auch deutlich gesünder, aber der Ausdruck von
niemals versiegendem Misstrauen und einem tief eingebrannten
Groll gegen die ganze Welt in seinen Augen war derselbe wie
der in denen Ludowigs.
Er kam nicht allein, sondern in Begleitung zweier Soldaten,
die rechts und links von ihm Aufstellung nahmen und die ganze
Zeit über die Hände griffbereit auf den Waffen ruhen ließen;
und das, obwohl Benedikt streng darauf achtete, nicht in
Reichweite der Kette zu gelangen, mit der Andrej gefesselt war.
Die Männer wussten anscheinend, wie gefährlich er war.
Andrej meinte einen von ihnen wieder zu erkennen, war aber
nicht sicher.
Seiner Erinnerung nach hätte der Kampf auf dem Hof auch
zehn Jahre her sein können.
Vater Benedikt sah ihn lange und durchdringend an, ohne ein
Wort zu sprechen. Sein Gesicht war wie Stein; eine zerfurchte
Landschaft aus verästelten Runzeln und Falten, die so tief
eingeschnitten waren wie Messernarben. Andrej versuchte in
seinen Augen zu lesen, aber es gelang ihm nicht.
»Ihr seid also dieser Söldner«, sagte Vater Benedikt
schließlich. Allein die Art, in der er das Wort Söldner
aussprach, beantwortete eine Menge der Fragen, die sich Andrej
noch gar nicht gestellt hatte.
»Ich bin kein Söldner, Benedikt«, antwortete Andrej.
»Wir ziehen die Anrede Durchlaucht vor, Andrej«, sagte
Vater Benedikt.
»Oder auch Vater.< »Durchlaucht?« Andrej hob die
Schultern. »Ganz, wie Ihr wünscht. Aber wir sind keine
Söldner. Nicht in dem Sinne, in dem Ihr das Wort benutzt.«
In Vater Benedikts Augen blitzte es auf. Andrej wusste, dass
er ein gefährliches Spiel spielte. Er durfte nicht den Fehler
begehen, sich von Benedikts scheinbarer Würde und
Gebrechlichkeit täuschen zu lassen. Vater Benedikt war wie
Vater Ludowig - allerdings ein Vater Ludowig mit Macht und
ziemlich wenig Skrupeln, diese Macht zu nutzen. Oder zu
missbrauchen.
»Wie benutze ich es denn?«, fragte Vater Benedikt.
»Wir töten nicht für Geld«, antwortete Andrej.
»Dann nehme ich an, Ihr und Euer Muselmanenfreund habt
die fünf tapferen Kameraden dieser Männer hier
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