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Der Todesstoss

Der Todesstoss

Titel: Der Todesstoss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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weiter von dem Kaninchenfleisch aß. »Wir können nicht hier
bleiben. Wir brauchen ein Versteck. Einen Platz, an dem wir
sicher sind, bis du wieder in der Lage bist, dich allein zu
bewegen.«
»Birgers Haus steht im Moment leer«, sagte Abu Dun
spöttisch. »Ich glaube nicht, dass es gebraucht wird oder
jemand freiwillig dorthin kommt.«
»Das ist nicht ganz das Richtige«, stellte Andrej fest.
Abu Dun hörte auf zu kauen und sah ihn misstrauisch an.
»Der Friedhof«, ergänzte Andrej.
»Wieso habe ich gewusst, dass du das sagen würdest?«, fragte
Abu Dun unglücklich.
»Thobias und vor allem Vater Ludowig waren sehr deutlich«,
sagte Andrej.
»Die Leute fürchten diesen Ort. Es ist kein Friedhof, an den
sie kommen würden, um ihre Verstorbenen zu besuchen. In der
Kapelle sind wir sicher.
Wenigstens für ein paar Tage.«
Abu Dun verzog das Gesicht, ersparte sich aber jede Antwort
und kaute stattdessen weiter. Andrej konnte ihm ansehen, dass
er immer wieder gegen Übelkeit und Brechreiz ankämpfte. Es
gelang ihm jedoch, die Nahrung im Magen zu behalten.
Sie blieben noch eine Weile sitzen, dann half Andrej dem
Nubier dabei, wieder in den Sattel zu steigen, was er zwar nur
mühsam, aber aus eigener Kraft schaffte. Andrej musste ihn
auch nicht mehr festbinden, bevor sie losritten.
Sie kamen nur langsam vorwärts. Der Wald war sehr dicht,
und weder Andrej noch Abu Dun kannten sich hier aus. Erst
kurz vor Anbruch der Dämmerung erreichten sie das schmale
Seitental, an dessen Ende der ummauerte Friedhof lag.
Obwohl er wusste, wie schwer Abu Dun das Laufen fallen
würde, bestand Andrej darauf, abzusteigen und die Pferde
davonzujagen, um keine verräterischen Spuren zu hinterlassen.
Es fiel Abu Dun allerdings nicht schwer zu gehen.
Es war ganz und gar unmöglich.
Er machte einen einzelnen tastenden Schritt und brach mit
einem Schmerzensschrei zusammen.
Andrej musste ihn tragen. Zwei- oder dreihundert Schritte,
von denen jeder einzelne schwerer wog als der zuvor. Andrej
setzte ein Dutzend Mal ab, und er war bald froh um jedes
Pfund, das Abu Dun im Laufe der beiden letzten Wochen
verloren hatte. Dennoch schien der Nubier mit jedem Schritt
schwerer zu werden. Als Andrej sich durch das geschmiedete
Tor quälte, hatte er das Gefühl, eine Tonne auf den Schultern zu
tragen. Dem Zusammenbruch nahe, erreichte er die Kapelle und
schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass die Tür nicht
verschlossen sein würde.
Sie war nicht verschlossen, aber die Angeln waren so alt und
verrostet, dass sie sich schwer öffnen ließ. Nachdem Andrej
Abu Dun behutsam auf dem Boden abgelegt und kurz Atem
geschöpft hatte, kostete es ihn alle Kraft, die er noch aufbringen
konnte, die Tür zu öffnen und in die Kapelle zu stolpern.
In ihrem Inneren war es so dunkel, dass er trotz seiner
verstärkten Sehkraft nur vage Umrisse erkannte. Auf den
Fenstern lag eine fingerdicke Schmutzschicht, und bei jedem
Schritt, den er machte, wirbelten Staubflocken auf, die zum
Husten reizten. Diesen Raum hatte seit Jahren niemand mehr
betreten.
Andrej untersuchte ihn trotzdem, kurz aber sehr gewissenhaft,
dann ging er zurück und holte Abu Dun. Nachdem er ihn in eine
einigermaßen bequeme Lage gebettet hatte, kehrte er zurück
zum Anfang des Tales, um die Satteldecken und ihr übriges
Gepäck zu holen, dass sie dort zurückgelassen hatten. Als er
zum zweiten Mal in die Kapelle trat, war er so erschöpft, dass er
gerade noch die Tür hinter sich schließen konnte, ehe er sich auf
dem nackten Boden ausstreckte und auf der Stelle einschlief.
Er erwachte von lautstarkem Stöhnen und dem sauren Geruch
nach kaltem Schweiß. Abu Dun.
Andrej fuhr mit einem Ruck hoch und registrierte beiläufig,
dass es ein wenig heller geworden war. Graugefärbtes
Sonnenlicht sickerte durch Löcher und Ritzen in der
verkrusteten Staubschicht auf den Fenstern wie durch einen
halb vermoderten Bretterzaun; draußen herrschte heller Tag.
Das Stöhnen wurde lauter. Abu Dun lag auf dem Rücken und
fantasierte lautstark in seiner Muttersprache. Sein Gesicht
glänzte von kaltem, ungesundem Schweiß, und er lag nicht still,
sondern warf sich gequält im Schlaf hin und her.
Andrej ließ sich neben ihm auf die Knie sinken, zögerte noch
einen Moment und rüttelte dann an seiner Schulter. Abu Dun
brauchte Schlaf, aber dies war kein erholsamer Schlaf, sondern
ein Fieber, das seinen Körper weiter auszehren würde.
Drei- oder viermal musste Andrej an Abu Duns Schulter
rütteln,

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