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Der Todesstoss

Der Todesstoss

Titel: Der Todesstoss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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begutachtete die Särge aufmerksam. Seine erste Einschätzung
war richtig gewesen. Die Särge waren roh, und mit
offensichtlich sehr viel mehr Hast als Sorgfalt
zusammengezimmert, aber äußerst stabil. Ohne Werkzeug hatte
er keine Möglichkeit sie zu öffnen.
Andrej zog sein Schwert, schob die Klinge mit einiger Mühe
in den schmalen Spalt zwischen Deckel und Sarg und benutzte
die Waffe als Hebel.
Im ersten Moment geschah nichts. Andrej verstärkte seine
Anstrengungen und fürchtete schon, seine Schwertspitze könnte
abbrechen. Dann aber gab der Sargdeckel nach. Die Nägel
glitten mit einem sonderbar weichen, fast seufzenden Laut aus
dem Holz.
Im nächsten Augenblick folgte der Deckel, der zur Seite
kippte und zerbrach.
Andrej wusste nicht, was er erwartet hatte - aber darunter lag
nichts anderes als das, was man in einem Grab gewöhnlich
fand: ein Toter. Der Mann konnte nicht viel älter gewesen sein
als Thobias. Seinen eingefallenen Wangen und dem gequälten
Ausdruck auf seinem Gesicht nach zu schließen, war er keines
sehr leichten Todes gestorben.
»Und?« Abu Dun kam näher, blieb aber in größerem Abstand
stehen, als notwendig gewesen wäre, und beugte sich neugierig
vor.
Andrej fegte die Reste des zerbrochenen Sargdeckels mit
einer Handbewegung zur Seite und betrachtete den Toten
genauer. Der Mann war vor nicht sehr langer Zeit gestorben;
Andrej nahm sogar an, erst im Laufe der zurückliegenden
Nacht.
»Ich weiß nicht«, sagte er unentschlossen. »Die Pest war es
jedenfalls nicht.«
Er überlegte noch einen Moment, dann wandte er sich dem
anderen Sarg zu und öffnete ihn auf die gleiche Weise wie den
ersten, nur mit etwas weniger Mühe.
Auch in ihm lag der Leichnam eines Mannes, der allerdings
deutlich älter gewesen war als der erste.
»Wenn Ihr damit fertig seid, die Totenruhe zu stören, dann
sollten wir uns unterhalten, Andrej.«
Obwohl Andrej die Stimme sofort erkannt hatte, vergingen
noch einige Augenblicke, bevor er sich langsam herumdrehte.
Thobias war lautlos aus dem Schatten herausgetreten. Er trug
eine gespannte Armbrust in der rechten und einen beidseitig
geschliffenen Dolch in der linken Hand. Anscheinend war er
allein gekommen, aber er schien keine Furcht zu empfinden.
Auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck grimmiger
Entschlossenheit.
»Eine beeindruckende Vorstellung«, spottete Abu Dun. »Es
ist bisher nur wenigen Männern gelungen, sich an mich
anzuschleichen.« Er machte eine Kopfbewegung auf die
Armbrust in Thobias’ Hand. »Kannst du damit umgehen,
Mönchlein?«
»Auf diese Entfernung?« Thobias hob die Schultern. Er stand
keine fünf Meter von Abu Dun entfernt. »Wollt Ihr mich
prüfen, Heide?«
»Aber du kannst uns nicht beide töten«, sagte Abu Dun.
»Mich vielleicht, oder Andrej - aber einer bliebe übrig und
würde dich töten.«
»Was macht das für einen Unterschied?«, fragte Thobias
bitter. »In drei Tagen lebt in diesem Tal ohnehin niemand
mehr.«
»Niemand muss sterben, Thobias«, sagte Andrej rasch. Er
warf Abu Dun einen mahnenden Blick zu, aber er sah, wie sich
der Nubier insgeheim zum Sprung spannte. Unter anderen
Umständen hätte er Abu Dun durchaus zugetraut, mit Thobias
fertig zu werden, trotz dessen Waffen, aber nicht in dieser
Situation.
Sehr vorsichtig, um Thobias nicht zu einer Unbesonnenheit
zu treiben, richtete er sich auf und schob das Schwert in den
Gürtel zurück.
»Hört mir zu, Thobias«, sagte er. »Ich weiß, was Ihr denken
müsst, aber es ist nicht so, wie es den Anschein hat.«
»So?«, fragte Thobias bitter. »Wie ist es dann? Welche
Geschichte wollt Ihr mir erzählen, Andrej? Noch mehr Lügen?«
»Ich habe Eure Männer nicht getötet, Thobias«, sagte Andrej
in beschwörendem Tonfall. »Es war das Ungeheuer. Dasselbe
Geschöpf, das Günther getötet hat. Abu Dun und ich konnten
ihm mit Mühe und Not entkommen.«
»Lügen«, sagte Thobias. Seine Stimme zitterte.
»Nichts als neue Lügen.«
»Ihr wisst, dass es nicht so ist«, sagte Andrej ernst.
»Wenn ihr mir nicht glauben würdet, hättet Ihr mich längst
getötet. Ihr hättet aus dem Schatten heraus auf Abu Dun
geschossen und ihn vermutlich auch getroffen, und Ihr hättet
wahrscheinlich sogar noch die Zeit gefunden, auch noch einen
zweiten Pfeil aufzulegen und mich zu töten. Aber Ihr habt es
nicht getan.
Warum?«
In Thobias’ Gesicht zuckte es. Die Armbrust in seiner Hand
schwenkte ganz langsam herum und richtete sich nun auf
Andrej. »Sagt Ihr es mir!«,

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