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Der Todesstoss

Der Todesstoss

Titel: Der Todesstoss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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verlangte er.
»Weil Ihr wisst, dass ich die Männer nicht getötet habe«,
antwortete Andrej.
»Wäre ich es gewesen, dann wäre ich nicht geflohen, sondern
hätte auf Euch gewartet, um Euch auch noch umzubringen. Es
war das Ungeheuer. Der Werwolf.«
Thobias fuhr unmerklich zusammen. Die Armbrust in seiner
rechten und der Dolch in seiner linken Hand zitterten.
»Ich … ich glaube Euch nicht…«, stammelte er.
»Und warum sind wir dann noch hier?« Andrej machte eine
wedelnde Handbewegung zu den beiden aufgebrochenen
Särgen. »Warum tun wir das hier? Wir wären längst hundert
Meilen weit weg, wenn Ihr Recht hättet.«
Thobias schwieg. Auf sein Gesicht hatte sich ein Ausdruck
purer Qual gelegt, und dann …
… öffnete der jüngere der beiden Toten die Augen und stieß
ein leises Winseln aus!
Andrej sprang mit einem entsetzten Keuchen zur Seite, aber
seine Bewegung kam zu spät. Der vermeintliche Tote richtete
sich auf, mit einer sonderbar steifen, nicht wirklich lebendig
wirkenden Bewegung. Seine Hand zuckte vor und
umklammerte Andrejs Fußgelenk mit solcher Kraft, dass er das
Gleichgewicht verlor und fiel, und noch während er stürzte, sah
er, wie Thobias die Armbrust herumschwenkte und abdrückte.
Die Sehne entspannte sich mit einem peitschenden Knall, und
der gut handlange Bolzen traf den lebenden Toten präzise
zwischen die Augen, durchbohrte seinen Schädel und trat am
Hinterkopf wieder aus. Der Mann sank lautlos zurück in den
Sarg, und der schreckliche Griff der Totenhand löste sich von
Andrejs Knöchel.
Noch bevor sich Andrej wieder in die Höhe gestemmt hatte,
war Abu Dun über Thobias. Mit einer einzigen Bewegung
entrang er ihm den Dolch und schlug ihm zugleich die
Armbrust aus der Hand.
Blitzschnell wirbelte er ihn herum, schlang den Arm von
hinten um Thobias’ Hals und riss ihn von den Füßen. Thobias
bäumte sich auf, begann verzweifelt mit den Beinen zu
strampeln und versuchte hinter sich zu greifen, um Abu Dun die
Augen auszukratzen. Der Nubier lachte nur. Abu Dun mochte
in einem bemitleidenswerten Zustand sein, aber er war immer
noch stark genug, um Thobias mit einer beiläufigen Bewegung
das Genick zu brechen.
»Abu Dun!«, rief Andrej. »Lass ihn los!«
Abu Dun drehte sich nur lachend zu ihm herum, wobei er
Thobias wie eine gewichtslose Stoffpuppe herumschleuderte.
Der Prediger hatte aufgehört mit den Beinen zu strampeln, und
aus seinen Schreien war ein halb ersticktes Keuchen geworden.
»Lass ihn los, Abu Dun!«, ermahnte Andrej ihn scharf. »Du
bringst ihn ja um!«
»Genau das habe ich vor«, antwortete Abu Dun. »Allerdings
nicht so schnell. So leicht werde ich es deinem Freund nicht
machen.«
Er ließ Thobias fallen. Der junge Priester brach zusammen,
schlug beide Hände gegen den Hals und rang würgend und
hustend nach Luft. Abu Dun starrte ohne die geringste Spur von
Mitleid auf ihn hinab, dann schob er den Dolch in den
Hosenbund, bückte sich nach Thobias’ Armbrust und brach sie
ohne besondere Anstrengung in Stücke.
Mit schnellen Schritten war Andrej bei Thobias und kniete
neben ihm nieder. »Ist alles in Ordnung?«, fragte er.
Thobias wollte antworten, brachte im ersten Moment aber
nichts als ein weiteres qualvolles Husten heraus. Aber er nickte.
»Schon … schon gut«, keuchte er. »Gebt mir … nur einen
Augenblick.«
Andrej sah wütend zu Abu Dun hoch. »Du hättest ihn beinah
getötet!«
»Gut«, sagte Abu Dun. »Schade, dass es nur beinahe war.«
»Lasst ihn«, sagte Thobias. »Es geht schon wieder. Ich kann
Euren Freund verstehen. Ich an seiner Stelle hätte
wahrscheinlich auch nichts anderes getan.«
Er stand auf. Sein Atem ging noch immer schnell, aber er
erholte sich rasch. Er schien viel zäher zu sein, als Andrej
angenommen hatte. Nachdem er einen letzten ängstlichen Blick
auf Abu Duns Gesicht geworfen hatte, setzte er sich in
Bewegung und ging an Andrej vorbei auf das geöffnete Grab
zu. Abu Dun und Andrej folgten ihm.
Der Mann im Sarg war nun endgültig tot. Der Ausdruck von
Qual war von seinem Gesicht verschwunden und hatte einem
Ausdruck fassungslosen Staunens Platz gemacht. Er würde
sicher kein zweites Mal von den Toten auferstehen. Der
Armbrustbolzen hatte seinen Schädel fast zur Gänze
durchschlagen; nur das dreifach gefiederte Ende ragte noch wie
ein barbarischer Kopfschmuck aus dem Schädelknochen über
der Nase.
»Ein wahrer Meisterschuss«, lobte Abu Dun.
»Früher konnte ich sehr gut mit der Armbrust

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