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Der Todeswirbel

Der Todeswirbel

Titel: Der Todeswirbel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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manchmal vier- oder fünfmal läuten, bevor sich jemand herabließ, nach den Wünschen des Gastes zu fragen. David wusste das aus Erfahrung. Bis auf die w e nigen Stunden, in denen die Mahlzeiten serviert wurden, war die Halle des »Hirschen« meist menschenleer wie Robinson Crusoes Eiland.
    Heute hatte David Glück. Schon beim dritten Läuten tauchte Miss Beatrice Lippincott von der Wirtsstube her auf und betrat, ihren leuchtend blonden Haarschopf z u rechtstreichend, die Halle. Mit einem freundlichen L ä cheln schlüpfte sie in den Glasverschlag: »Guten Abend, Mr Hunter. Kalt draußen für diese Jahreszeit, finden Sie nicht?«
    »Ja. Ist bei Ihnen ein Mr Arden abgestiegen?«
    »Warten Sie, ich will nachschauen«, erwiderte Miss Li p pincott und blätterte im Gästebuch, als müsse sie sich vergewissern. Es war eine überflüssige kleine Prozedur, auf die sie nie verzichtete, wohl in der irrigen Ansicht, dadurch das Ansehen des »Hirschen« zu steigern.
    »Ja, hier haben wir ihn. Nummer 5 im ersten Stock. Sie können nicht fehlgehen, Mr Hunter. Die Treppe hinauf und dann nicht zur Galerie, sondern links herum und drei Stufen hinunter.«
    Dieser Anweisung folgend, stand David kurz darauf vor Nummer 5. Auf sein Klopfen rief eine Stimme: »Herein.«
    David trat ein und schloss die Tür hinter sich.
     
    Beatrice Lippincott verließ den Glasverschlag und rief: »Lilly!«, woraufhin ein etwas dumm dreinschauendes Mädchen mit wässrigen Glotzaugen erschien.
    »Können Sie mich für ein Weilchen vertreten, Lilly?«, fragte Miss Lippincott. »Ich muss nach der Bettwäsche sehen.«
    Lilly kicherte unmotiviert und erwiderte: »Ja, Miss Li p pincott.« Und mit einem sehnsüchtigen Seufzer fügte sie hinzu: »Ist der Mr Hunter nicht ein wunderschöner Mann?«
    »Ach, ich habe einen Haufen junger Leute von seinem Schlag zu Gesicht bekommen während des Krieges«, tat Miss Lippincott die schwärmerische Bemerkung überl e gen ab. »Junge Piloten vom Flugplatz drüben und was damals alles dort so herumschwirrte. Man wusste nie, ob die Schecks auch gut waren, die sie einem gaben. Aber sie hatten eine Art, dass man manchmal wider besseres Wi s sen handelte. Worauf ich Wert lege, Lilly, ist Klasse. Ein Gentleman ist ein Gentleman und lässt sich auf den er s ten Blick erkennen, selbst wenn er einen Traktor fährt.«
    Und mit dieser für Lilly nicht leicht zu verstehenden Feststellung verschwand Miss Lippincott in den oberen Regionen.
     
    In Zimmer Nummer 5 blieb David bei der Tür stehen und sah zu dem Mann hinüber, der sich Enoch Arden nannte.
    In den Vierzigern, taxierte David, weit herumgeko m men, aber nicht immer glimpflich behandelt worden – alles in allem sicher kein leicht zu nehmender Mensch.
    »Sind Sie Hunter?«, eröffnete Arden das Gespräch. »Nehmen Sie Platz. Was wollen Sie? Einen Whisky?«
    Er selbst hatte es sich bequem gemacht, wie David b e merkte. Ein kleiner Vorrat an Flaschen stand bereit; im Kamin brannte Feuer, sehr angenehm an diesem kühlen Frühlingsabend. Die Kleidung war nicht von englischem Schnitt, aber salopp, wie Engländer sie zu tragen pflegen. Dem Alter nach hätte es stimmen können…
    »Danke. Einen Whisky nehme ich gern.«
    Sie benahmen sich ein wenig wie Hunde, die noch nicht recht wissen, woran sie miteinander sind. Gespannt, jeden Augenblick bereit, sich spielerisch zu balgen oder zuz u schnappen. Doch über den Gläsern löste sich die Spa n nung etwas. Die erste Runde war beendet.
    Der Mann, der sich Enoch Arden nannte, sagte:
    »Sie waren wohl überrascht, als Sie meinen Brief bek a men?«
    »Ehrlich gestanden, weiß ich nicht recht, was ich davon halten soll. Ich entnehme Ihren Andeutungen nur, dass Sie den ersten Mann meiner Schwester, Robert Underhay, kannten.«
    »Das stimmt. Ich kannte Robert sogar sehr gut.« Arden lächelte und vergnügte sich damit, blaue Rauchringe in die Luft zu blasen.
    »So gut, wie man einen Menschen nur kennen kann. Sie sind nie mit ihm zusammengetroffen, Hunter, nicht wahr?«
    »Nein.«
    »So? Das ist ja gut.«
    »Was meinen Sie damit?«, fragte David argwöhnisch.
    »Es macht alles viel einfacher, mein Lieber, nichts we i ter. Entschuldigen Sie, dass ich Sie ersucht habe, hierher zu kommen, aber ich hielt es für besser« – er schaltete eine kleine Pause ein –, »Rosaleen aus dem Spiel zu la s sen. Wozu ihr unnötig Sorgen bereiten?«
    »Dürfte ich Sie bitten, zur Sache zu kommen?«
    »Selbstverständlich. Haben Sie jemals die Möglichkeit

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