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Der Todschlaeger

Der Todschlaeger

Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
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gelenkig
    geworden, streckte sie dann ihre langen Beine
    aus. Nun schlürften sie alle sechs langsam
    ihren Kaffee inmitten der unterbrochenen
    Arbeit und der feuchten Stickluft der
    dampfenden Wäsche. Allein Mama Coupeau
    und Virginie saßen auf Stühlen; die anderen
    schienen auf ihren Fußbänken auf der Erde zu
    sitzen; Augustine, diese Schielliese, hatte
    sogar einen Zipfel des Lakens unter dem
    Unterrock vorgezogen, um sich ausbreiten zu
    können. Man sprach nicht sofort; die Nase im
    Glas, genoß man den Kaffee.
    »Er ist trotzdem gut«, erklärte Clémence. Aber
    von einem heftigen Hustenanfall gepackt, wäre
    sie beinahe erwürgt. Sie lehnte den Kopf an
    die Wand, um stärker husten zu können.
    »Sie hat es ja ganz schön erwischt«, sagte
    Virginie. »Wo haben Sie sich denn das
    geholt?«
    »Weiß man's denn?« erwiderte Clémence und
    wischte sich das Gesicht mit dem Ärmel ab.
    »Das muß neulich abends gewesen sein. Da
    haben sich zwei beim Herauskommen aus dem
    ›GrandBalcon‹ geklotzt. Ich habe zusehen
    wollen, ich bin da im Schnee stehengeblieben.
    Oh, was für eine Prügelei! Es war zum
    Totlachen. Der einen wurde die Nase
    aufgerissen, und das Blut spritzte auf die Erde.
    Als die andere das Blut gesehen hat – so eine
    lange Latte wie ich –, da hat sie Reißaus
    genommen .... In der Nacht habe ich dann
    angefangen zu husten. Man muß auch sagen,
    daß die Männer zu dumm sind, wenn sie mit
    einer Frau schlafen; die ganze Nacht decken
    sie einen auf ...«
    »Ein schöner Lebenswandel«, murmelte Frau
    Putois. »Sie rackern sich zu Tode, meine
    Kleine.«
    »Und wenn es mir Spaß macht, mich zu Tode
    zu rackern? – Dabei ist das Leben lustig. Sich
    den lieben langen Tag plagen, um
    fünfundfünfzig Sous zu verdienen, sich von
    morgens bis abends vor der Maschine das Blut
    versengen – nein, wissen Sie, ich habe es bis
    oben hin satt! – Lassen Sie man, diese
    Erkältung wird mir nicht den Gefallen tun,
    mich dahinzuraffen; sie geht wieder weg, wie
    sie gekommen ist.«
    Es trat Schweigen ein. Dieses nichtsnutzige
    Frauenzimmer, die Clémence, die in den
    Tanzkneipen mit gellendem Geschrei den
    Chahut anführte, stimmte mit ihren Gedanken
    ans Zutoderackem immer alle traurig, wenn sie
    in der Werkstatt war. Gervaise kannte sie
    genau und begnügte sich, zu sagen:
    »Wenn Sie flott gemacht haben, sind Sie ja am
    Tag darauf nicht gerade lustig!«
    In Wahrheit wäre es Gervaise lieber gewesen,
    wenn man nicht von Schlägereien zwischen
    Frauen gesprochen hätte. Es war ihr wegen der
    Arschhiebe im Waschhaus unangenehm, wenn
    in ihrer und Virginies Gegenwart von Tritten
    mit dem Holzschuh in die Beine und von
    Ohrfeigen, bei denen man alle fünf Finger sah,
    gesprochen wurde. Gerade blickte Virginie sie
    lächelnd an. »Oh«, flüsterte sie, »gestern habe
    ich eine Keilerei zwischen Weibern gesehen.
    Die Haare haben die sich ausgerauft ...«
    »Wer denn?« fragte Frau Putois.
    »Die Hebamme vom Ende der Straße und ihr
    Dienstmädchen, wissen Sie, eine kleine
    Blonde ... Ein gemeines Stück, dieses
    Mädchen! Sie schrie die andere an: ›Ja, ja, der
    Obsthändlerin hast du ein Kind weggebracht,
    ich werde sogar zur Polizei gehen, wenn du
    mir nicht zahlst.‹ Und sie legte los, das mußte
    man sehen! Daraufhin hat die Hebamme ihr
    ein Ding verpaßt – peng! – mitten in die
    Fresse. Da springt doch meine verdammte
    Nutte ihrer Alten ins Gesicht, und wie sie sie
    zerkratzt, und wie sie sie rupft, oh, aber was
    das Zeug hält! Der Schlächter mußte sie ihr
    aus den Pfoten reißen.«
    Die Arbeiterinnen lachten selbstgefällig. Dann
    tranken alle mit gieriger Miene ein
    Schlückchen Kaffee.
    »Glauben Sie das denn, daß sie ein Kind
    weggebracht hat?« fing Clémence wieder an.
    »Freilich, das Gerücht ist im Viertel
    umgegangen«, antwortete Virginie. »Sie
    verstehen, ich war nicht dabei ... Übrigens
    gehört das zum Gewerbe. Alle bringen welche
    weg.«
    »Ja, ja«, sagte Frau Putois, »man ist doch zu
    dumm, daß man sich ihnen anvertraut. Danke
    bestens! Um sich zum Krüppel machen zu
    lassen! – Wissen Sie, es gibt ein
    unübertreffliches Mittel. Man trinkt jeden
    Abend ein Glas Weihwasser und macht sich
    dabei mit dem Daumen drei Kreuzeszeichen
    auf den Bauch. Da geht es weg wie eine
    Blähung.«
    Mama Coupeau, von der man annahm, sie sei
    eingeschlafen, schüttelte den Kopf, um
    Einspruch zu erheben. Sie kenne ein anderes
    Mittel, und zwar ein unfehlbares. Man müsse
    alle zwei Stunden

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