Der Todschlaeger
gelenkig
geworden, streckte sie dann ihre langen Beine
aus. Nun schlürften sie alle sechs langsam
ihren Kaffee inmitten der unterbrochenen
Arbeit und der feuchten Stickluft der
dampfenden Wäsche. Allein Mama Coupeau
und Virginie saßen auf Stühlen; die anderen
schienen auf ihren Fußbänken auf der Erde zu
sitzen; Augustine, diese Schielliese, hatte
sogar einen Zipfel des Lakens unter dem
Unterrock vorgezogen, um sich ausbreiten zu
können. Man sprach nicht sofort; die Nase im
Glas, genoß man den Kaffee.
»Er ist trotzdem gut«, erklärte Clémence. Aber
von einem heftigen Hustenanfall gepackt, wäre
sie beinahe erwürgt. Sie lehnte den Kopf an
die Wand, um stärker husten zu können.
»Sie hat es ja ganz schön erwischt«, sagte
Virginie. »Wo haben Sie sich denn das
geholt?«
»Weiß man's denn?« erwiderte Clémence und
wischte sich das Gesicht mit dem Ärmel ab.
»Das muß neulich abends gewesen sein. Da
haben sich zwei beim Herauskommen aus dem
›GrandBalcon‹ geklotzt. Ich habe zusehen
wollen, ich bin da im Schnee stehengeblieben.
Oh, was für eine Prügelei! Es war zum
Totlachen. Der einen wurde die Nase
aufgerissen, und das Blut spritzte auf die Erde.
Als die andere das Blut gesehen hat – so eine
lange Latte wie ich –, da hat sie Reißaus
genommen .... In der Nacht habe ich dann
angefangen zu husten. Man muß auch sagen,
daß die Männer zu dumm sind, wenn sie mit
einer Frau schlafen; die ganze Nacht decken
sie einen auf ...«
»Ein schöner Lebenswandel«, murmelte Frau
Putois. »Sie rackern sich zu Tode, meine
Kleine.«
»Und wenn es mir Spaß macht, mich zu Tode
zu rackern? – Dabei ist das Leben lustig. Sich
den lieben langen Tag plagen, um
fünfundfünfzig Sous zu verdienen, sich von
morgens bis abends vor der Maschine das Blut
versengen – nein, wissen Sie, ich habe es bis
oben hin satt! – Lassen Sie man, diese
Erkältung wird mir nicht den Gefallen tun,
mich dahinzuraffen; sie geht wieder weg, wie
sie gekommen ist.«
Es trat Schweigen ein. Dieses nichtsnutzige
Frauenzimmer, die Clémence, die in den
Tanzkneipen mit gellendem Geschrei den
Chahut anführte, stimmte mit ihren Gedanken
ans Zutoderackem immer alle traurig, wenn sie
in der Werkstatt war. Gervaise kannte sie
genau und begnügte sich, zu sagen:
»Wenn Sie flott gemacht haben, sind Sie ja am
Tag darauf nicht gerade lustig!«
In Wahrheit wäre es Gervaise lieber gewesen,
wenn man nicht von Schlägereien zwischen
Frauen gesprochen hätte. Es war ihr wegen der
Arschhiebe im Waschhaus unangenehm, wenn
in ihrer und Virginies Gegenwart von Tritten
mit dem Holzschuh in die Beine und von
Ohrfeigen, bei denen man alle fünf Finger sah,
gesprochen wurde. Gerade blickte Virginie sie
lächelnd an. »Oh«, flüsterte sie, »gestern habe
ich eine Keilerei zwischen Weibern gesehen.
Die Haare haben die sich ausgerauft ...«
»Wer denn?« fragte Frau Putois.
»Die Hebamme vom Ende der Straße und ihr
Dienstmädchen, wissen Sie, eine kleine
Blonde ... Ein gemeines Stück, dieses
Mädchen! Sie schrie die andere an: ›Ja, ja, der
Obsthändlerin hast du ein Kind weggebracht,
ich werde sogar zur Polizei gehen, wenn du
mir nicht zahlst.‹ Und sie legte los, das mußte
man sehen! Daraufhin hat die Hebamme ihr
ein Ding verpaßt – peng! – mitten in die
Fresse. Da springt doch meine verdammte
Nutte ihrer Alten ins Gesicht, und wie sie sie
zerkratzt, und wie sie sie rupft, oh, aber was
das Zeug hält! Der Schlächter mußte sie ihr
aus den Pfoten reißen.«
Die Arbeiterinnen lachten selbstgefällig. Dann
tranken alle mit gieriger Miene ein
Schlückchen Kaffee.
»Glauben Sie das denn, daß sie ein Kind
weggebracht hat?« fing Clémence wieder an.
»Freilich, das Gerücht ist im Viertel
umgegangen«, antwortete Virginie. »Sie
verstehen, ich war nicht dabei ... Übrigens
gehört das zum Gewerbe. Alle bringen welche
weg.«
»Ja, ja«, sagte Frau Putois, »man ist doch zu
dumm, daß man sich ihnen anvertraut. Danke
bestens! Um sich zum Krüppel machen zu
lassen! – Wissen Sie, es gibt ein
unübertreffliches Mittel. Man trinkt jeden
Abend ein Glas Weihwasser und macht sich
dabei mit dem Daumen drei Kreuzeszeichen
auf den Bauch. Da geht es weg wie eine
Blähung.«
Mama Coupeau, von der man annahm, sie sei
eingeschlafen, schüttelte den Kopf, um
Einspruch zu erheben. Sie kenne ein anderes
Mittel, und zwar ein unfehlbares. Man müsse
alle zwei Stunden
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