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Der Todschlaeger

Der Todschlaeger

Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
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den Strick zum
    Aufhängen wert. Es ist meine Schwester, aber
    das hindert mich nicht daran, zu sagen, daß sie
    in der Haut einer gewaltigen Schlampe steckt.
    Sie hat mir einen Haufen Schweinereien
    angetan; es würde zu lange dauern, das zu
    erzählen, außerdem sind das Sachen, die unter
    uns abgemacht werden müssen ... Was Lantier
    betrifft, freilich, den kennen Sie ja, der ist
    nicht besser. Ein Herrchen, nicht wahr, der
    einem wegen eines Ja oder eines Nein einen
    Tritt in den Hintern gibt! Und er ballt die
    Faust, wenn er zuschlägt ... Da haben sie sich
    also weidlich den Rücken krumm geschlagen.
    Wenn man die Treppe hinaufging, hörte man,
    wie sie sich bolzten. Eines Tages ist sogar die
    Polizei gekommen. Lantier hatte eine Ölsuppe
    haben wollen, ein scheußliches Zeug, das sie
    im Süden essen; und als Adèle die stinkig
    fand, haben sie sich die Ölflasche, den
    Schmortopf, die Suppenschüssel, den ganzen
    Krempel ins Gesicht geschmissen; kurz, ein
    Auftritt, um ein ganzes Stadtviertel in Aufruhr
    zu versetzen.« Sie erzählte von anderen
    Mordsschlägereien, sie konnte nicht genug
    berichten über die beiden, wußte Dinge, bei
    denen einem die Haare zu Berge standen.
    Gervaise hörte sich diese ganze Geschichte
    wortlos an, mit bleichem Gesicht, einer
    nervösen Falte an den Mundwinkeln, die
    einem leisen Lächeln glich. Seit nahezu sieben
    Jahren hatte sie nichts mehr von Lantier
    gehört. Nie hätte sie geglaubt, daß Lantiers
    Name, so in ihr Ohr geflüstert, ihr eine solche
    Wärme in der Herzgrube verursachen würde.
    Nein, sie kannte bei sich keine derartige
    Neugierde darüber, was aus diesem
    Unglückseligen geworden war, der sich ihr
    gegenüber so schlecht benommen hatte. Sie
    konnte auf Adèle nun nicht mehr eifersüchtig
    sein; aber sie lachte trotzdem insgeheim über
    die Keilereien des Paares, sie sah den Körper
    dieses Mädchens voller blauer Flecke, und das
    rächte sie, das belustigte sie. Deshalb hätte sie
    sich bis zum nächsten Morgen da verweilt, um
    Virginies Berichten zuzuhören. Sie stellte
    keine Fragen, weil sie nicht den Anschein
    erwecken wollte, als interessiere sie das so
    sehr. Es war, als schütte man jäh ein Loch für
    sie zu; in dieser Stunde ging ihre
    Vergangenheit geradeswegs auf ihre
    Gegenwart zu.
    Unterdessen steckte Virginie schließlich
    wieder ihre Nase ins Glas; sie lutschte den
    Zucker mit halb geschlossenen Augen.
    Da setzte Gervaise, die begriff, daß sie etwas
    sagen mußte, eine gleichgültige Miene auf und
    fragte:
    »Und sie wohnen immer noch in La
    Glacière?«
    »Aber nein!« antwortete die andere. »Habe ich
    Ihnen das denn nicht erzählt? – Seit acht
    Tagen sind sie nicht mehr zusammen, Adèle
    hat eines schönen Morgens ihre Klamotten
    mitgenommen, und Lantier ist nicht
    hinterhergelaufen, das versichere ich Ihnen.«
    Der Wäscherin entfuhr ein leiser Schrei, und
    sie wiederholte ganz laut:
    »Sie sind nicht mehr zusammen!«
    »Wer denn?« fragte Clémence, ihre
    Unterhaltung mit Mama Coupeau und Frau
    Putois unterbrechend. »Niemand«, sagte
    Virginie, »Leute, die Sie nicht kennen.« Aber
    sie musterte Gervaise, sie fand sie ziemlich
    aufgeregt. Sie rückte näher, schien ein böses
    Vergnügen daran zu finden, wieder mit ihren
    Geschichten anzufangen. Dann fragte sie sie
    mit einemmal, was sie machen würde, wenn
    Lantier käme und um sie herumschleiche;
    denn schließlich seien die Männer ja so
    komisch, Lantier sei durchaus imstande, zu
    seiner ersten Liebe zurückzukehren.
    Gervaise raffte sich zusammen, zeigte sich
    sehr lauter, sehr würdig. Sie sei verheiratet, sie
    würde Lantier hinauswerfen, das sei alles.
    Zwischen ihnen könne es nichts mehr geben,
    nicht einmal einen Händedruck. Sie müßte ja
    wirklich ganz und gar herzlos sein, wenn sie
    diesem Mann dereinst noch mal ins Gesicht
    sehen würde.
    »Ich weiß wohl«, sagte sie, »Etienne ist von
    ihm, es besteht ein Band, das ich nicht
    zerreißen kann. Wenn Lantier den Wunsch hat,
    Etienne zu umarmen, so werde ich ihn zu ihm
    hinschicken, denn es ist unmöglich, einen
    Vater daran zu hindern, sein Kind zu lieben ...
    Aber was mich betrifft, sehen Sie, Madame
    Poisson, so würde ich mich lieber in Stücke
    hacken lassen, als daß ich ihm erlaubte, mich
    mit der Fingerspitze anzurühren. Das ist
    vorbei.« Während sie die letzten Worte
    aussprach, machte sie ein Kreuzeszeichen in
    die Luft, um gleichsam ihren Schwur auf
    immerdar zu besiegeln. Und bestrebt, das
    Gespräch

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