Der Todschlaeger
den Strick zum
Aufhängen wert. Es ist meine Schwester, aber
das hindert mich nicht daran, zu sagen, daß sie
in der Haut einer gewaltigen Schlampe steckt.
Sie hat mir einen Haufen Schweinereien
angetan; es würde zu lange dauern, das zu
erzählen, außerdem sind das Sachen, die unter
uns abgemacht werden müssen ... Was Lantier
betrifft, freilich, den kennen Sie ja, der ist
nicht besser. Ein Herrchen, nicht wahr, der
einem wegen eines Ja oder eines Nein einen
Tritt in den Hintern gibt! Und er ballt die
Faust, wenn er zuschlägt ... Da haben sie sich
also weidlich den Rücken krumm geschlagen.
Wenn man die Treppe hinaufging, hörte man,
wie sie sich bolzten. Eines Tages ist sogar die
Polizei gekommen. Lantier hatte eine Ölsuppe
haben wollen, ein scheußliches Zeug, das sie
im Süden essen; und als Adèle die stinkig
fand, haben sie sich die Ölflasche, den
Schmortopf, die Suppenschüssel, den ganzen
Krempel ins Gesicht geschmissen; kurz, ein
Auftritt, um ein ganzes Stadtviertel in Aufruhr
zu versetzen.« Sie erzählte von anderen
Mordsschlägereien, sie konnte nicht genug
berichten über die beiden, wußte Dinge, bei
denen einem die Haare zu Berge standen.
Gervaise hörte sich diese ganze Geschichte
wortlos an, mit bleichem Gesicht, einer
nervösen Falte an den Mundwinkeln, die
einem leisen Lächeln glich. Seit nahezu sieben
Jahren hatte sie nichts mehr von Lantier
gehört. Nie hätte sie geglaubt, daß Lantiers
Name, so in ihr Ohr geflüstert, ihr eine solche
Wärme in der Herzgrube verursachen würde.
Nein, sie kannte bei sich keine derartige
Neugierde darüber, was aus diesem
Unglückseligen geworden war, der sich ihr
gegenüber so schlecht benommen hatte. Sie
konnte auf Adèle nun nicht mehr eifersüchtig
sein; aber sie lachte trotzdem insgeheim über
die Keilereien des Paares, sie sah den Körper
dieses Mädchens voller blauer Flecke, und das
rächte sie, das belustigte sie. Deshalb hätte sie
sich bis zum nächsten Morgen da verweilt, um
Virginies Berichten zuzuhören. Sie stellte
keine Fragen, weil sie nicht den Anschein
erwecken wollte, als interessiere sie das so
sehr. Es war, als schütte man jäh ein Loch für
sie zu; in dieser Stunde ging ihre
Vergangenheit geradeswegs auf ihre
Gegenwart zu.
Unterdessen steckte Virginie schließlich
wieder ihre Nase ins Glas; sie lutschte den
Zucker mit halb geschlossenen Augen.
Da setzte Gervaise, die begriff, daß sie etwas
sagen mußte, eine gleichgültige Miene auf und
fragte:
»Und sie wohnen immer noch in La
Glacière?«
»Aber nein!« antwortete die andere. »Habe ich
Ihnen das denn nicht erzählt? – Seit acht
Tagen sind sie nicht mehr zusammen, Adèle
hat eines schönen Morgens ihre Klamotten
mitgenommen, und Lantier ist nicht
hinterhergelaufen, das versichere ich Ihnen.«
Der Wäscherin entfuhr ein leiser Schrei, und
sie wiederholte ganz laut:
»Sie sind nicht mehr zusammen!«
»Wer denn?« fragte Clémence, ihre
Unterhaltung mit Mama Coupeau und Frau
Putois unterbrechend. »Niemand«, sagte
Virginie, »Leute, die Sie nicht kennen.« Aber
sie musterte Gervaise, sie fand sie ziemlich
aufgeregt. Sie rückte näher, schien ein böses
Vergnügen daran zu finden, wieder mit ihren
Geschichten anzufangen. Dann fragte sie sie
mit einemmal, was sie machen würde, wenn
Lantier käme und um sie herumschleiche;
denn schließlich seien die Männer ja so
komisch, Lantier sei durchaus imstande, zu
seiner ersten Liebe zurückzukehren.
Gervaise raffte sich zusammen, zeigte sich
sehr lauter, sehr würdig. Sie sei verheiratet, sie
würde Lantier hinauswerfen, das sei alles.
Zwischen ihnen könne es nichts mehr geben,
nicht einmal einen Händedruck. Sie müßte ja
wirklich ganz und gar herzlos sein, wenn sie
diesem Mann dereinst noch mal ins Gesicht
sehen würde.
»Ich weiß wohl«, sagte sie, »Etienne ist von
ihm, es besteht ein Band, das ich nicht
zerreißen kann. Wenn Lantier den Wunsch hat,
Etienne zu umarmen, so werde ich ihn zu ihm
hinschicken, denn es ist unmöglich, einen
Vater daran zu hindern, sein Kind zu lieben ...
Aber was mich betrifft, sehen Sie, Madame
Poisson, so würde ich mich lieber in Stücke
hacken lassen, als daß ich ihm erlaubte, mich
mit der Fingerspitze anzurühren. Das ist
vorbei.« Während sie die letzten Worte
aussprach, machte sie ein Kreuzeszeichen in
die Luft, um gleichsam ihren Schwur auf
immerdar zu besiegeln. Und bestrebt, das
Gespräch
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