Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Todschlaeger

Der Todschlaeger

Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
Vom Netzwerk:
ein hartes Ei essen und sich
    Spinatblätter auf die Lenden legen. Die vier
    anderen Frauen blieben ernst. Aber Augustine,
    diese Schielliese, deren Heiterkeitsausbrüche
    immer ganz allein herausfuhren, ohne daß man
    jemals wußte warum, stieß das Glucksen einer
    Henne aus, das ihr eigentümliche Lachen. Man
    hatte sie vergessen. Gervaise hob den
    Unterrock hoch, erblickte sie, wie sie sich auf
    dem Laken wie ein Ferkel mit den Beinen in
    der Luft herumwälzte. Sie zog sie von da
    unten hoch und brachte sie mit einer Schelle
    auf die Beine. Was hatte sie denn zu lachen,
    diese Pute? Sollte sie etwa zuhören, wenn sich
    Erwachsene unterhielten? Zunächst werde sie
    gleich mal einer Freundin von Madame Lerat
    in Les Batignolles die Wäsche zurückbringen.
    Noch während des Sprechens schob ihr die
    Meisterin den Korb unter den Arm und
    drängte sie zur Tür. Mürrisch und schluchzend
    entfernte sich die Schielliese und schlurfte mit
    den Füßen durch den Schnee.
    Unterdessen erörterten Mama Coupeau, Frau
    Putois und Clémence die Wirksamkeit von
    hartgekochten Eiern und Spinatblättern. Da
    sagte Virginie, die, ihr Glas Kaffee in der
    Hand, träumerisch dasaß, ganz leise:
    »Mein Gott, man haut sich, man küßt sich, das
    geht immer, wenn man ein gutes Herz hat ...«
    Und sich zu Gervaise hinüberbeugend, meinte
    sie mit einem Lächeln: »Nein, ich bin Ihnen
    bestimmt nicht böse ... Die Geschichte aus
    dem Waschhaus, erinnern Sie sich?«
    Die Wäscherin war ganz verlegen. Das hatte
    sie befürchtet. Nun ahnte sie, daß gleich von
    Lantier und Adèle die Rede sein würde.
    Die Maschine bullerte, verdoppelte Hitze
    strahlte von dem rotglühenden Rohr aus. In
    dieser Schläfrigkeit schauten die
    Arbeiterinnen, die sich mit ihrem Kaffee Zeit
    ließen, um sich so spät wie möglich wieder an
    die Arbeit zu begeben, mit naschhaftem und
    schlaffem Gesichtsausdruck in den Schnee auf
    der Straße. Sie waren bei vertraulichen
    Geständnissen angelangt; sie sagten, was sie
    tun würden, wenn sie zehntausend Francs
    Jahreszinsen hätten; gar nichts würden sie tun,
    ganze Nachmittage würden sie so sitzen
    bleiben, sich dabei wärmen und von weitem
    auf die Arbeit spucken.
    Virginie war so nahe an Gervaise
    herangerückt, daß sie von den anderen nicht
    verstanden werden konnte. Und Gervaise
    fühlte sich ganz schlapp, zweifellos wegen der
    allzu großen Hitze, so matt und so schlapp,
    daß sie nicht die Kraft fand, dem Gespräch
    eine andere Richtung zu geben; das Herz
    schwer von einer Erregung, die sie genoß,
    ohne es sich einzugestehen, wartete sie sogar
    auf die Worte der großen Brünetten.
    »Ich tue Ihnen doch nicht etwa weh?« begann
    die Schneiderin wieder. »Zwanzigmal lag mir
    das schon auf der Zunge. Da wir nun
    schließlich mal dabei sind ... Bloß um zu
    plaudern, nicht wahr? – Nein, bestimmt, ich
    bin Ihnen nicht böse wegen dem, was
    vorgefallen ist. Ehrenwort! Ich habe deswegen
    keinerlei Groll gegen Sie zurückbehalten.« Sie
    rührte den Kaffeegrund in ihrem Glase um, um
    den ganzen Zucker zu bekommen, dann trank
    sie mit leisem Schmatzen der Lippen drei
    Tropfen.
    Gervaise, der die Kehle zusammengeschnürt
    war, wartete noch immer; und sie fragte sich,
    ob Virginie ihr die Arschhiebe wirklich soweit
    verziehen habe, denn sie sah, wie in ihren
    schwarzen Augen gelbe Funken entbrannten.
    Diese lange Teufelin mußte ihren Groll in die
    Tasche gesteckt und mit ihrem Taschentuch
    zugedeckt haben.
    »Sie hatten ja eine Entschuldigung«, fuhr sie
    fort. »Man hatte Ihnen gerade eine
    Dreckigkeit, eine Abscheulichkeit angetan ...
    Oh, ich bin gerecht, das können Sie glauben!
    Ich, ich hätte ein Messer genommen.« Sie
    trank noch drei Tropfen und schmatzte dabei
    am Rande des Glases. Und sie redete nun nicht
    mehr mit schleppender Stimme, sondern
    setzte, ohne innezuhalten, rasch hinzu: »Das
    hat denen auch kein Glück gebracht, du lieber
    Gott, überhaupt kein Glück! – Sie waren ans
    Ende der Welt gezogen, in die Gegend von La
    Glacière, in eine dreckige Straße, wo der
    Schlamm immer bis zu den Knien reicht. Ich,
    ich bin zwei Tage danach eines Morgens
    losgegangen, um mit ihnen Mittag zu essen;
    eine gehörige Fahrt mit dem Pferdeomnibus,
    das kann ich Ihnen versichern! Na schön,
    meine Liebe, ich habe sie angetroffen, wie sie
    dabei waren, sich bereits herumzukampeln.
    Wirklich, als ich hereinkam, verabreichten sie
    sich Maulschellen. Das sind Liebesleute, was!
    – Sie wissen ja, Adèle ist nicht

Weitere Kostenlose Bücher