Der Todschlaeger
Nur
legte er sie mit farbigem Holz aus, erfand
Deckelformen, fügte Fächer ein. Es war zur
Unterhaltung, eine Art, die Zeit totzuschlagen,
bis zu seiner Ernennung zum Polizisten. Von
seinem ehemaligen Kunsttischlerhandwerk
hatte er nur die Leidenschaft für Kästchen
behalten. Er verkaufte seine Arbeit nicht, er
verschenkte sie an seine Bekannten.
Poisson erhob sich, begrüßte Gervaise höflich,
die seine Frau ihm als eine alte Freundin
vorstellte. Aber er war nicht gesprächig, er
nahm sofort wieder seine kleine Säge zur
Hand. Lediglich von Zeit zu Zeit warf er einen
Blick auf die Makrele, die auf dem Rand der
Kommode lag.
Gervaise freute sich sehr, ihre frühere
Wohnung wiederzusehen; sie erzählte, wo die
Möbel gestanden hatten, und zeigte die Stelle,
wo sie auf der Erde niedergekommen war. Wie
sich das doch traf! Als sie sich früher beide
aus den Augen verloren hatten, hätten sie nie
geglaubt, sich so wiederzufinden und
nacheinander dieselbe Stube zu bewohnen.
Virginie fügte weitere Einzelheiten über sich
und ihren Mann hinzu: er habe eine kleine
Erbschaft von einer Tante gemacht; zweifellos
werde er sie später anlegen; augenblicklich
beschäftige sie sich weiterhin mit Nähen, sie
schustere hie und da ein Kleid zusammen.
Nach einer guten halben Stunde wollte die
Wäscherin schließlich gehen. Poisson wandte
sich kaum um. Virginie, die sie
hinausbegleitete, versprach, ihren Besuch zu
erwidern; außerdem werde sie ihr ihre
Kundschaft zukommen lassen, das sei
abgemacht. Und als sie sie auf dem
Treppenflur zurückhielt, bildete sich Gervaise
ein, daß sie mit ihr über Lantier und ihre
Schwester Adèle, die Poliererin, zu sprechen
wünschte. Sie war innerlich ganz aufgebracht
darüber. Aber kein Wort wurde über diese
verdrießlichen Dinge gewechselt, sie trennten
sich, indem sie sich mit höchst
liebenswürdiger Miene auf Wiedersehen
sagten.
»Auf Wiedersehen, Madame Coupeau.«
»Auf Wiedersehen, Madame Poisson.«
Das war der Ausgangspunkt einer großen
Freundschaft. Acht Tage später ging Virginie
nicht mehr an Gervaises Laden vorbei, ohne
einzutreten; und dort schwatzte sie zwei bis
drei Stunden lang, so daß Poisson, der besorgt
war, weil er glaubte, sie sei überfahren
worden, sie abholen kam mit seinem stummen
Leichengesicht. Als Gervaise nun die
Schneiderin so tagtäglich sah, verspürte sie
bald eine merkwürdige Unruhe: sie konnte sie
keinen Satz anfangen hören, ohne daß sie
glaubte, Virginie werde gleich von Lantier
reden; die ganze Zeit, die Virginie dablieb,
dachte Gervaise unwiderstehlich an Lantier.
Das war überaus dumm, denn schließlich pfiff
sie auf Lantier und auf Adèle und auf das, was
aus ihnen beiden geworden war; niemals
stellte sie eine Frage; sie war nicht einmal
neugierig zu erfahren, wie es ihnen ging. Nein,
das erfaßte sie außerhalb ihres Willens. Sie
hatte den Gedanken an sie im Kopf, wie man
einen auf die Nerven fallenden Kehrreim im
Munde hat, der einen nicht loslassen will.
Übrigens hegte sie deswegen keinerlei Groll
gegen Virginie, deren Schuld es ja bestimmt
nicht war. Sie war sehr gern mit ihr zusammen
und hielt sie zehnmal zurück, bevor sie sie
gehen ließ.
Inzwischen war der Winter gekommen, der
vierte Winter, den die Coupeaus in der Rue de
la Goutte d'Or verbrachten. In diesem Jahr
waren der Dezember und der Januar besonders
streng. Es fror Stein und Bein. Nach Neujahr
blieb der Schnee drei Wochen auf der Straße
liegen, ohne zu schmelzen. Das behinderte die
Arbeit nicht, im Gegenteil; denn der Winter ist
die schöne Jahreszeit der Plätterinnen. Es war
hübsch angenehm im Laden! Man sah nie
Eiszapfen an den Fensterscheiben wie beim
Kaufmann und beim Mützen und
Strumpfhändler gegenüber. Die mit Koks
vollgestopfte Maschine sorgte dort für eine
Badezimmerwärme; die Wäschestücke
dampften, man hätte meinen können, mitten
im Sommer zu sein; und man fühlte sich wohl
bei den geschlossenen Türen, hatte es überall
warm, so warm, daß man schließlich mit
offenen Augen hätte schlafen können.
Gervaise sagte lachend, sie bilde sich ein, auf
dem Lande zu sein. In der Tat machten die
Wagen keinen Lärm mehr, wenn sie über den
Schnee rollten; kaum, daß man das Gestampfe
der Vorübergehenden hörte; im tiefen
Schweigen der Kälte stiegen allein
Kinderstimmen auf, der Krach einer Schar
Straßenjungen, die längs des Rinnsteins an der
Hufschmiede eine große
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