Der Todschlaeger
Schlitterbahn
angelegt hatten. Zuweilen ging Gervaise zu
einer der Fensterscheiben an der Tür, wischte
mit der Hand das beschlagene Glas ab, schaute
nach, was das Viertel bei dieser verdammten
Temperatur trieb; aber aus den Nachbarläden
wurde nicht eine Nase herausgestreckt, das in
Schnee eingemummelte Viertel schien es sich
mit krummem Buckel wohl sein zu lassen, und
sie tauschte nur ein leichtes Kopfnicken mit
der Kohlenhändlerin von nebenan, die mit
bloßem Kopf und von einem Ohr bis zum
anderen aufgerissenem Mund herumspazierte,
seitdem es so stark fror.
Besonders gut tat es bei diesem Hundewetter,
mittags seinen recht heißen Kaffee zu trinken.
Die Arbeiterinnen brauchten sich nicht zu
beklagen; die Meisterin machte ihn sehr stark
und tat keine vier Körnchen Zichorie hinein; er
hatte kaum Ähnlichkeit mit Frau Fauconniers
Kaffee, der richtiges Abwaschwasser war. Nur
wenn Mama Coupeau das Aufgießen
übernahm, fand das kein Ende mehr, weil sie
vor dem Wasserkessel einschlief. Dann
warteten die Arbeiterinnen nach dem
Mittagessen auf den Kaffee und bügelten ein
wenig.
Gerade am Tage nach dem Dreikönigsfest
schlug es halb eins, als der Kaffee noch nicht
fertig war. An diesem Tage wollte und wollte
er nicht durchlaufen. Mama Coupeau klopfte
mit einem Teelöffel auf dem Filter herum, und
man hörte, wie die Tropfen einer nach dem
anderen langsam hinabfielen, ohne sich mehr
zu beeilen.
»Lassen Sie ihn doch«, sagte die lange
Clémence. »Davon wird er trübe ... Da gibt's ja
heute bestimmt den Kaffeegrund auch noch
dazu.«
Die lange Clémence richtete ein Männerhemd
neu her, dessen Falten sie mit der Spitze des
Fingernagels hervorhob. Sie hatte eine
fürchterliche Erkältung, verquollene Augen,
die Kehle aufgerissen von heftigen
Hustenanfällen, bei denen sie sich an der
Tischkante zusammenkrümmte. Dabei trug sie
nicht einmal ein seidenes Tuch um den Hals,
hatte ein billiges Wollkleid zu achtzehn Sous
an, in dem sie bibberte. Neben ihr bügelte Frau
Putois, in Flanell gehüllt und bis zu den Ohren
ausgepolstert, einen Unterrock, den sie um das
Bügelbrett drehte, dessen kleines Ende auf der
Lehne eines Stuhles lag; auf der Erde
verhinderte ein hingeworfenes Laken, daß der
Unterrock schmutzig wurde, wenn er den
Fliesenfußboden streifte. Die Hälfte des
Arbeitstisches nahm Gervaise allein mit
gestickten Musselingardinen ein, über die sie
ihr Eisen mit ausgestreckten Armen ganz
gerade führte, um falsche Falten zu vermeiden.
Mit einemmal ließ der Kaffee, der
geräuschvoll abzufließen begann, sie den Kopf
heben. Augustine, diese Schielliese, hatte
soeben mitten in den Kaffeesatz ein Loch
gemacht, indem sie einen Löffel in den Filter
hineingestoßen hatte.
»Willst du dich wohl ruhig verhalten!« rief
Gervaise. »Was ist denn bloß in dich
gefahren? Nun werden wir Schlamm trinken.«
Mama Coupeau hatte auf einer freien Ecke des
Arbeitstisches fünf Gläser nebeneinander
hingestellt. Da ließen die Arbeiterinnen von
ihrer Arbeit ab. Die Meisterin goß den Kaffee
stets selber ein, nachdem sie in jedes Glas
zwei Stückchen Zucker getan hatte. Das war
die ersehnte Stunde des Arbeitstages. Als an
diesem Tage jede ihr Glas nahm und sich auf
eine Fußbank vor der Maschine niederhockte,
öffnete sich die Tür zur Straße, durch und
durch fröstelnd trat Virginie ein.
»Ah, Kinder«, sagte sie, »das schneidet einen
ja entzwei! Ich fühle meine Ohren nicht mehr.
So eine gemeine Kälte!«
»Sieh da, das ist ja Madame Poisson!« rief
Gervaise aus. »Oh, Sie kommen gerade
recht ... Sie können mit uns Kaffee trinken.«
»Du meine Güte, da sage ich nicht nein – Man
braucht bloß über die Straße zu gehen, und
schon sitzt einem der Winter in den Knochen.«
Zum Glück war noch Kaffee übrig. Mama
Coupeau holte ein sechstes Glas, und aus
Höflichkeit ließ Gervaise Virginie selbst
Zucker nehmen. Die Arbeiterinnen rückten
beiseite, machten ihr an der Maschine ein
bißchen Platz. Einen Augenblick bibberte sie
mit roter Nase und preßte ihre steif
gewordenen Hände um ihr Glas, um sich
aufzuwärmen. Sie kam vom Kaufmann, wo
man gefror, wenn man bloß auf ein Viertel
Schweizer Käse wartete. Und sie brach über
die große Hitze im Laden in Verwunderung
aus: wirklich, man hätte meinen können, in
einen Backofen zu kommen, das hätte genügt,
um einen Toten aufzuwecken, so angenehm
kitzele einem das die Haut. Wieder
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