Der Todschlaeger
der Platte an. Einen Augenblick
lang suchte man nach jemandem, der willig
war. Schließlich sagte Frau Lerat mit
liebenswürdiger Stimme:
»Hören Sie, Herrn Poisson kommt es zu ...
jawohl, Herrn Poisson ...« Und da die
Gesellschaft nicht zu begreifen schien, setzte
sie in noch schmeichelhafterer Absicht hinzu:
»Sicherlich, Herrn Poisson kommt es zu, der
mit Waffen umzugehen versteht.« Und sie
reichte dem Polizisten das Küchenmesser, das
sie in der Hand hielt.
Die ganze Tafelrunde lachte behaglich und
beifällig.
Poisson neigte mit militärischer Zackigkeit
den Kopf und stellte die Gans vor sich hin.
Seine Nachbarinnen, Gervaise und Frau
Boche, rückten ab, machten Platz für seine
Ellbogen. Er tranchierte langsam, mit weit
ausholenden Handbewegungen, die Augen
starr auf das Tier geheftet, wie um es auf dem
Boden der Platte festzunageln. Als er das
Messer tief in den knackenden Rumpf stieß,
überkam Lorilleux eine Anwandlung von
Patriotismus. Er schrie:
»He! Wenn das ein Kosak wäre!«
»Haben Sie sich denn mit Kosaken
herumgeschlagen, Herr Poisson?« fragte Frau
Boche.
»Nein, mit Beduinen«, erwiderte der Polizist,
der einen Flügel lostrennte. »Es gibt keine
Kosaken mehr.«
Aber es trat tiefe Stille ein. Die Köpfe reckten
sich, die Blicke folgten dem Messer. Poisson
brachte eine Überraschung zustande.
Jäh vollführte er einen letzten Schnitt, das
Hintergestell des Tieres löste sich ab und stand
aufrecht da, den Bürzel in der Luft: das war
die Bischofsmütze. Da brach Bewunderung
los. Nur die alten Militärs konnten in
Gesellschaft so liebenswürdig sein.
Unterdessen hatte die Gans soeben eine
Saftwoge durch das klaffende Loch ihres
Hinterns entweichen lassen; und Boche ulkte.
»Ich abonniere darauf«, murmelte er, »daß
man mir so in den Mund pinkelt.«
»Oh, dieser Dreckfink!« riefen die Damen.
»Muß das aber ein Dreckfink sein!«
»Nein, ich kenne keinen so ekelhaften Mann!«
sagte Frau Boche, die noch wütender als die
anderen war. »Sei still, verstehst du! Du
könntest es einer ganzen Armee verekeln ...
Wissen Sie, das macht er, um alles allein zu
essen!«
In diesem Augenblick sagte Clémence
inmitten des Lärms mehrmals beharrlich:
»Herr Poisson, hören Sie, Herr Poisson ... Sie
heben mir doch den Bürzel auf, nicht wahr?«
»Meine Liebe, der Bürzel kommt Ihnen von
Rechts wegen zu«, sagte Frau Lerat in ihrer
diskret anzüglichen Art.
Doch die Gans war tranchiert. Nachdem der
Polizist die Bischofsmütze einige Minuten
lang hatte von der Gesellschaft bewundern
lassen, hatte er soeben die Stücke abgesäbelt
und rings um die Platte angeordnet. Man
konnte sich bedienen. Aber die Damen, die
ihre Kleider aufhakten, klagten über die Hitze.
Coupeau rief, man sei ja zu Hause, auf die
Nachbarn scheiße er; er machte die Tür zur
Straße sperrangelweit auf, und die
Schmauserei ging weiter inmitten des Rollens
der Droschken und des Gedränges der
Passanten auf den Bürgersteigen. Mit
ausgeruhten Kinnladen und einem neuen Loch
im Magen begann man dann wiederum zu
speisen und fiel rasend über die Gans her.
Schon das bloße Warten und Zuschauen beim
Tranchieren des Tieres, sagte Boche, dieser
Spaßvogel, habe ihm das Frikassee und den
Schweinerücken
in
die
Waden
hinunterrutschen lassen.
Du meine Güte, da wurde aber tüchtig
reingehauen; das heißt, niemand von der
Gesellschaft erinnerte sich, sich jemals eine
derartige Magenverstimmung geholt zu haben.
Unmäßig, auf die Ellbogen zusammengesackt,
aß Gervaise große Stücke Brustfleisch und
sprach nicht dabei, aus Angst, ihr könne ein
Bissen verlorengehen; und sie schämte sich
bloß etwas vor Goujet, war verdrossen, weil
sie sich so zeigte, gierig wie eine Katze.
Goujet schlug sich übrigens selber zu sehr
voll, wie er sie so ganz rosig vom Essen sah.
Außerdem blieb sie in ihrer Gefräßigkeit so
nett und so gut! Sie sprach nicht, doch sie
stand alle Augenblicke auf, um Vater Bru zu
versorgen und ihm irgend etwas Leckeres auf
den Teller zu schieben. Es war sogar rührend
mit anzusehen, wie dieses gefräßige Wesen
sich ein Stückchen Flügel vom Munde
wegnahm, um es dem Alten zu geben, der kein
Kenner zu sein schien und der alles
hinunterschluckte, mit gesenktem Kopf, ganz
vertiert von dermaßen vielem Fressen, er, der
schon gar nicht mehr wußte, wie Brot
schmeckte. Die Lorilleux ließen ihre Wut am
Braten aus; sie nahmen sich für drei
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