Der Todschlaeger
in der drei Sous klimperten,
und lachte dabei, als besäße er die
Hundertsousstücke scheffelweise. Selbst
Goujet, der gewöhnlich so nüchtern war,
begoß sich die Nase. Boches Augen wurden
kleiner, die von Lorilleux wurden bleich,
während Poisson immer strenger mit den
Augen in seinem gebräunten Gesicht eines
alten Soldaten rollte. Sie waren bereits
sternhagelbesoffen. Und auch die Damen
hatten einen sitzen, oh, einen noch leichten
Rausch, den reinen Wein auf den Wangen,
dazu ein Verlangen, sich auszuziehen, was sie
veranlaßte, ihr Halstuch abzulegen; allein
Clémence begann unschicklich zu werden.
Doch plötzlich erinnerte sich Gervaise an die
sechs Flaschen originalabgefüllten Wein; sie
hatte vergessen, sie zur Gans zu servieren; sie
brachte sie herbei, und man füllte die Gläser.
Da richtete Poisson sich auf und sagte, das
Glas in der Hand:
»Ich trinke auf die Gesundheit der
Hausherrin.«
Die ganze Gesellschaft stand mit lärmendem
Stühlerücken auf; die Arme wurden
ausgestreckt, und die Gläser stießen inmitten
von Geschrei aneinander.
»Heute in fünfzig Jahren!« rief Virginie.
»Nein, nein«, erwiderte Gervaise bewegt und
lächelnd, »da würde ich zu alt sein. Ach ja, es
kommt ein Tag, wo man froh ist, zu scheiden.«
Währenddessen schaute das Viertel durch die
weit offene Tür zu und nahm an dem Gelage
teil. Passanten blieben in dem Lichtstrahl
stehen, der sich auf dem Pflaster verbreitert
hatte, und lachten vor Entzücken, wie sie diese
Leute so nach Herzenslust schlingen sahen.
Die Kutscher, die sich auf ihren Böcken
herabbeugten und auf ihre Gäule einpeitschten,
warfen einen Blick hinein und ließen einen
Witz vom Stapel: »Hör mal, bezahlst du
nichts? – Heda, du schwangere Alte, ich hole
die Hebamme!« Und der Geruch der Gans
erfreute und erheiterte die Straße; die Gehilfen
des Kolonialwarenhändlers auf dem
gegenüberliegenden Bürgersteig glaubten von
dem Tier zu essen; die Obsthändlerin und die
Kaldaunenhändlerin kamen alle Augenblicke
und pflanzten sich vor dem Laden auf, um die
Luft zu schnüffeln, wobei sie sich die Lippen
leckten. Die Straße verreckte regelrecht an
verdorbenem Magen. Die Damen Cudorge,
Mutter
und
Tochter,
die
Regenschirmhändlerinnen von nebenan, die
man niemals zu sehen bekam, überquerten
hintereinander den Fahrdamm, mit
schmachtenden Augen und so rot, als hätten
sie Krapfen gebacken. Der kleine Juwelier, der
an seinem Werktisch saß, konnte nicht mehr
arbeiten, war besoffen, weil er die
Literflaschen gezählt hatte, und ganz erregt
inmitten seiner lustigen Kuckucksuhren. Ja,
die Nachbarn kochten vor Wut! schrie
Coupeau. Warum hätte man sich denn
verstecken sollen? Die angeheiterte
Gesellschaft schämte sich nicht mehr, sich
beim Tafeln zu zeigen; im Gegenteil, das
schmeichelte ihnen und erhitzte sie, diese
Leute, die sich zusammengerottet hatten und
vor Freßgier Maulaffen feilhielten; am liebsten
hätten sie das Schaufenster eingeschlagen, die
gedeckte Tafel bis auf den Fahrdamm
hinausgeschoben und sich dort vor der Nase
des Publikums auf dem bebenden Pflaster den
Nachtisch zu Gemüte geführt. Man war doch
nicht widerlich anzusehen, nicht wahr? Da
hatte man es auch nicht nötig, sich wie die
Egoisten einzuschließen. Als Coupeau sah,
wie der kleine Uhrmacher da drüben vor
heftigem Durst ganz weiß spuckte, zeigte er
ihm von weitem eine Flasche; und als der
andere nickend annahm, brachte er ihm die
Flasche und ein Glas. Eine Brüderlichkeit
entstand mit der Straße. Man trank den
Vorübergehenden zu. Man rief die Kumpels
heran, die patent aussahen. Die Fresserei
breitete sich aus, griff nach und nach weiter
um sich, und zwar dermaßen, daß das ganze
Viertel La Goutted'Or den Fraß roch und sich
in einem Bacchanal aller Teufel den Bauch
hielt.
Seit einer Weile ging Frau Vigouroux, die
Kohlenhändlerin, vor der Tür auf und ab.
»He! Madame Vigouroux! Madame
Vigouroux!« brüllte die Gesellschaft.
Sie trat ein mit einem dummen Lachen, mit
gewaschenem Gesicht und so fett, daß fast ihr
Mieder platzte. Die Männer kniffen sie gern,
weil sie sie überall kneifen konnten, ohne
jemals auf einen Knochen zu stoßen. Boche
ließ sie neben sich Platz nehmen; und sofort
faßte er heimlich unter dem Tisch nach ihrem
Knie. Aber sie, die an so was gewöhnt war,
leerte seelenruhig ein Glas Wein und erzählte,
die Nachbarn stünden an den Fenstern und im
Hause
Weitere Kostenlose Bücher