Der Todschlaeger
meinen Teller!«
»Du fällst mir auf die Nerven! Hau ihr eine
runter!« antwortete Gervaise, die gerade dabei
war, sich mit grünen Erbsen vollzustopfen.
Am Kindertisch im Nebenzimmer spielte Nana
die Hausherrin. Sie hatte sich neben Victor
gesetzt und hatte ihren Bruder Etienne neben
der kleinen Pauline untergebracht; so spielten
sie Mann und Frau, sie waren Eheleute auf
einer Vergnügungspartie. Zuerst hatte Nana
ihre Gäste sehr liebenswürdig mit dem
lächelnden Gehabe einer Erwachsenen
bedient; aber nun hatte sie ihrer Vorliebe für
Speckstücke nachgegeben und sie alle für sich
behalten. Augustine, diese Schielliese, die
heimtückisch um die Kinder herumstrich,
machte sich dies zunutze, um ganze Hände
voll Speckstücke zu nehmen, unter dem
Vorwand, sie neu zu verteilen. Wütend biß
Nana sie ins Handgelenk.
»Na, weißt du«, flüsterte Augustine, »ich
werde gleich deiner Mutter berichten, daß du
nach dem Frikassee zu Victor gesagt hast, er
soll dich küssen.«
Doch alles kam wieder in Ordnung, Gervaise
und Mama Coupeau kamen, um die Gans vom
Spieß zu nehmen. Auf die Stuhllehnen
hintübergeworfen, schöpfte man Atem an der
großen Tafel. Die Männer knöpften ihre
Westen auf, die Damen wischten sich das
Gesicht mit ihrer Serviette ab. Das Mahl war
gleichsam unterbrochen; lediglich einige
Gäste, deren Kinnladen in Schwung gesetzt
waren, schluckten weiterhin große Bissen
Brot, ohne es auch nur gewahr zu werden.
Man ließ das Essen sich setzen, man wartete.
Langsam war die Nacht hereingebrochen;
schmutziges,
aschgraues
Tageslicht
verdichtete sich hinter den Vorhängen. Als
Augustine zwei angezündete Lampen
hinstellte, an jedes Ende der Tafel eine, kam in
der grellen Helligkeit die heillose Unordnung
der Tafel zum Vorschein, die fettigen Teller
und Gabeln, das mit Wein befleckte, mit
Krümeln bedeckte Tischtuch. Man erstickte
fast in dem starken Geruch, der aufstieg.
Dennoch drehten sich die Nasen bei gewissen
heißen Dampfwolken zur Küche hin.
»Darf man Ihnen behilflich sein?« rief
Virginie.
Sie verließ ihren Stuhl, ging ins Nebenzimmer
hinüber. Alle Frauen folgten ihr, eine nach der
anderen. Sie umringten den Röstapparat, sie
sahen mit tiefem Interesse Gervaise und Mama
Coupeau zu, die an dem Tier herumzogen.
Dann erhob sich ein Geschrei, aus dem man
die hellen Stimmen und die Freudensprünge
der Kinder heraushörte. Und es gab einen
triumphalen Einzug: Gervaise trug die Gans
mit steifen Armen, das schwitzende Gesicht zu
einem stillen, breiten Lachen erblüht; die
Frauen schritten hinter ihr her und lachten wie
sie, während sich ganz hinten Nana mit
übermäßig aufgerissenen Augen emporreckte,
um etwas sehen zu können. Als die riesige,
goldgelbe, von Saft triefende Gans auf dem
Tisch stand, nahm man sie nicht sogleich in
Angriff. Ein Staunen, eine ehrfurchtsvolle
Überraschung, hatte der Gesellschaft die
Sprache verschlagen. Mit Augenzwinkern und
Kinnwackeln zeigte man sich die Gans.
Donnerwetter noch mal! Was für ein
Prachtstück! Was für Keulen und was für ein
Bauch!
»Die ist nicht vom Mauerablecken fett
geworden!« sagte Boche.
Nun ging man auf Einzelheiten über das Tier
ein. Gervaise führte genaue Tatsachen an: das
Tier sei das schönste Stück gewesen, das sie
beim Geflügelhändler im Faubourg
Poissonnière gefunden habe; es habe
zwölfeinhalb Pfund auf der Waage des
Kohlenhändlers gewogen; einen Scheffel
Kohle habe man verbrannt, um es zu braten,
und es habe soeben drei Schalen Fett gegeben.
Virginie unterbrach sie, um damit zu prahlen,
daß sie das Tier ungebraten gesehen hatte:
man hätte es so essen können, sagte sie, so fein
und weiß sei die Haut gewesen, die Haut einer
Blondine, was!
Alle Männer lachten mit bübischer Freßgier,
die ihnen die Lippen aufblähte. Herr und Frau
Lorilleux verkniffen allerdings die Nase, weil
ihnen die Luft wegblieb darüber, eine solche
Gans auf Hinkebeins Tisch zu sehen.
»Nun also, wir wollen sie ja nicht in einem
Stück essen«, sagte die Wäscherin schließlich.
»Wer zerlegt sie? – Nein, nein, ich nicht! Die
ist zu groß, da kriege ich Angst.«
Coupeau erbot sich. Mein Gott, das sei doch
ganz einfach: man packe die Glieder, man
ziehe daran; die Stücke blieben trotzdem gut.
Aber man erhob laut Einspruch, man nahm
dem Bauklempner gewaltsam das
Küchenmesser wieder weg; wenn er
tranchiere, dann richte er einen wahren
Friedhof auf
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