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Der Todschlaeger

Der Todschlaeger

Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
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das ist ja so
    beunruhigend. Na, warum bleibt er in der
    Schenke, wenn er ganz vernünftig ist? – Mein
    Gott, mein Gott! Wenn bloß nichts passiert!«
    Die Wäscherin, die sehr unruhig war, flehte sie
    an, sie solle schweigen.
    Mit einemmal war tiefe Stille eingetreten.
    Soeben war Frau Putois aufgestanden und
    sang: »Auf zum Entern!« Stumm und
    andächtig schauten die Gäste sie an; selbst
    Poisson hatte, um sie besser hören zu können,
    seine Pfeife auf den Rand des Tisches gelegt.
    Sie stand in steifer Haltung da, klein und
    hitzig, das Gesicht bleich unter der schwarzen
    Haube; sie schleuderte ihre linke Faust mit
    überzeugtem Stolz vor und schmetterte mit
    einer Stimme, die gewichtiger war als sie
    selber:
    »Jagt ein Freibeuter auf dem Meer
    verwegen hinter uns her,
    wehe ihm, dem Flibustier!
    Keine Gnade geben wir!
    Kinder, an die Karronaden ran!
    Rum in vollen Zügen dann!
    Freibeuter und Piraten, ohe!
    sind für uns das Wild auf See!«
    Das war etwas Ernstes. Donnerwetter noch
    mal! Das gab doch einen richtigen Begriff von
    der Sache. Poisson, der zur See gefahren war,
    wackelte mit dem Kopf, um den Einzelheiten
    zuzustimmen. Man spürte übrigens genau, daß
    dieses Lied Frau Putois lag.
    Coupeau beugte sich vor, um zu erzählen, wie
    Frau Putois eines Abends in der Rue Poulet
    vier Männer geohrfeigt hatte, die ihre Ehre
    antasten wollten.
    Währenddessen servierte Gervaise, der Mama
    Coupeau dabei half, den Kaffee, obwohl man
    noch Napfkuchen aß. Man ließ sie sich nicht
    wieder hinsetzen, man rief ihr zu, sie sei an der
    Reihe. Mit weißem Gesicht und unbehaglich
    aussehend, sträubte sie sich; man fragte sie
    sogar, ob ihr die Gans etwa nicht bekommen
    sei. Darauf trug sie mit schwacher und sanfter
    Stimme »Ach, laßt mich schlafen!« vor; als sie
    beim Kehrreim anlangte, diesem Wunsch nach
    einem von schönen Träumen belebten
    Schlummer, schlossen sich ihre Lider ein
    wenig, und ihr tränenertränkter Blick verlor
    sich ins Dunkel nach der Straße hin. Gleich
    darauf verbeugte sich Poisson mit einem
    zackigen Kopfnicken vor den Damen und
    stimmte ein Trinklied an, »Frankreichs
    Weine«; aber er sang wie eine Klistierspritze;
    allein die letzte Strophe, die patriotische
    Strophe, hatte Erfolg, denn als darin von der
    Trikolore gesprochen wurde, hob er sein Glas
    ganz hoch, schwenkte es hin und her und
    leerte es schließlich tief in seinen weit
    geöffneten Mund hinein. Dann folgten
    schmalzige Lieder nacheinander; es war die
    Rede von Venedig und den Gondolieri in Frau
    Boches Barkarole, von Sevilla und den
    Andalusierinnen in Frau Lorilleux' Bolero,
    während Lorilleux so weit ging, anläßlich der
    Liebschaften Fatmas, der Tänzerin, von den
    Wohlgerüchen Arabiens zu sprechen. Rings
    um den fettigen Tisch taten sich in der
    stickigen Luft, im Odem verdorbener Mägen,
    goldene Horizonte auf, zogen Elfenbeinhälse
    vorüber, Ebenholzhaar, Küsse im
    Mondenschein

    bei

    Gitarrenklängen,
    Bajaderen, die unter ihren Schritten einen
    Regen von Perlen und Edelsteinen verstreuten.
    Und die Männer rauchten verklärt ihre Pfeifen,
    die Damen wahrten das unbewußte Lächeln
    befriedigten Sinnenrauschs, alle glaubten, dort
    unten zu sein, glaubten gute Düfte zu atmen.
    Als Clémence mit einem Tremolo der Kehle
    »Baut ein Nest« zu gurren begann, rief das
    ebenfalls viel Vergnügen hervor; denn das
    erinnerte ans Land, an flinke Vögel, an Tänze
    unterm Laubdach, an Blüten mit Honigkelch,
    kurzum, an das, was man im Bois de
    Vincennes an den Tagen sah, an denen man
    einem Kaninchen den Hals umdrehen ging.
    Doch Virginie stellte den Jux mit »Mein
    Schnäpselchen« wieder her; eine Hand in die
    Hüfte gestemmt, den Ellbogen gerundet,
    ahmte sie eine Marketenderin nach; mit der
    anderen Hand schenkte sie das Schnäpschen
    ins Leere ein, indem sie das Handgelenk
    drehte, so daß die Gesellschaft darauf Mama
    Coupeau anflehte, die »Maus« zu singen. Die
    alte Frau weigerte sich und schwor, sie kenne
    diese Unanständigkeit nicht. Dennoch begann
    sie mit ihrer dünnen, brüchigen Stimme, und
    ihr runzliges Gesicht mit den lebhaften
    Äuglein unterstrich die Anspielungen und
    Fräulein Lises Schrecken, die beim Anblick
    der Maus ihre Röcke zusammenhielt. Der
    ganze Tisch lachte; die Frauen konnten nicht
    ernst bleiben und warfen ihren Nachbarn
    leuchtende Blicke zu; das war ja schließlich
    nicht schmutzig, es waren keine anstößigen
    Worte dabei. Um die Wahrheit zu sagen,
    Boche spielte an den

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