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Der Todschlaeger

Der Todschlaeger

Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
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eines
    Tages drei Bund Kresse zum Mittagessen
    hinuntergeschlungen. Frau Putois war noch
    tüchtiger, sie esse Köpfe römischen Salats,
    ohne sie zu putzen; sie grase sie einfach so ab,
    nur mit etwas Salz. Alle hätten von Salat leben
    mögen, hätten sich ihn kübelweise leisten
    mögen. Und da dieses Gespräch nachhalf,
    aßen die Damen die Schüssel Salat auf.
    »Ich, ich könnte mich auf einer Wiese auf alle
    viere niederlassen«, sagte die Concierge
    immer wieder mit vollem Mund.
    Nun grinste man angesichts des Nachtisches.
    Der zählte nicht, der Nachtisch. Er kam ein
    bißchen spät, aber das machte nichts, man
    wollte ihm trotzdem zusprechen. Und wenn
    man wie eine Bombe hätte platzen müssen,
    man konnte sich doch von Erdbeeren und
    Kuchen nicht ärgern lassen. Übrigens eilte ja
    nichts, man hatte Zeit, die ganze Nacht, wenn
    man wollte. Unterdessen füllte man die Teller
    mit Erdbeeren und Weißkäse. Die Männer
    zündeten Pfeifen an; und da die
    originalabgefüllten Flaschen leer waren,
    kehrten sie zu den Literflaschen zurück, sie
    tranken Wein und rauchten dabei. Aber man
    wollte, daß Gervaise den Napfkuchen sofort
    anschnitt. Sehr galant erhob sich Poisson, um
    die Rose zu nehmen, die er unter dem
    Beifallklatschen der Gesellschaft der
    Hausherrin anbot. Sie mußte sie mit einer
    Nadel auf der linken Brust in der Gegend des
    Herzens feststecken. Bei jeder ihrer
    Bewegungen flatterte der Schmetterling.
    »Hören Sie mal!« rief Lorilleux aus, der
    soeben eine Entdeckung gemacht hatte. »Aber
    wir essen ja auf Ihrem Werktisch! – Na,
    vielleicht ist noch niemals so sehr darauf
    gearbeitet worden!«
    Dieser boshafte Scherz hatte großen Erfolg. Es
    begann witzige Anspielungen zu regnen:
    Clémence schluckte keinen Löffel Erdbeeren
    mehr hinunter, ohne zu sagen, sie führe einen
    Bügelstrich; Frau Lerat behauptete, der
    Weißkäse schmecke nach Stärke, während
    Frau Lorilleux immer wieder zwischen den
    Zähnen murmelte, das sei das richtige, das
    Geld so schnell auf den Brettern zu verfressen,
    auf denen es so mühselig verdient worden war.
    Ein Sturm von Gelächter und Geschrei erhob
    sich.
    Aber jäh gebot eine kräftige Stimme
    jedermann Schweigen. Das war Boche, er
    hatte sich erhoben, verrenkte in anzüglicher
    Weise die Hüften und sang den »Liebesvulkan
    oder den verführerischen Kommißhengst«.
    »Ich bin's, Blavin, der die Schönen
    verführt ...«
    Ein Donnern von Bravorufen empfing die erste
    Strophe. Ja, ja, man wollte singen! Jeder sollte
    das seine vortragen. Das war amüsanter als
    alles andere. Und die Gesellschaft stützte die
    Ellbogen auf den Tisch, warf sich hintüber
    gegen die Stuhllehnen, wackelte bei den
    schönen Stellen mit dem Kinn und trank bei
    den Kehrreimen einen Schluck. Boche, dieser
    Tölpel, war Spezialist für komische Lieder. Er
    hätte die Karaffen zum Lachen gebracht, wenn
    er mit gespreizten Fingern, den Hut im
    Nacken, den Muschkoten nachmachte. Gleich
    nach dem »Liebesvulkan« stimmte er die
    »Baronin von Lotterluder« an, einen seiner
    Erfolge. Als er bei der dritten Strophe
    anlangte, drehte er sich zu Clémence um und
    flüsterte mit langsam werdender und
    wollüstiger Stimme:
    »Bei der Baronin zu Gast man war,
    da waren ihre vier Schwestern fein,
    drei braun, die andere mit blondem Haar,
    die hatten acht reizende Äugelein.«
    Da fiel die Gesellschaft mitgerissen in den
    Kehrreim ein. Die Männer gaben mit den
    Absätzen den Takt an. Die Damen hatten ihr
    Messer ergriffen und klopften im Rhythmus an
    ihr Glas. Alle grölten:
    »Sakrament! Wer zahlt denn wohl
    den Schnaps für die Pa ..., für die Pa ... Pa ...,
    Sakrament! Wer zahlt denn wohl
    den Schnaps für die Pa ..., für die Patrou ...
    ou ... ouille?«
    Die Fensterscheiben des Ladens dröhnten, der
    heftige Atem der Sänger ließ die
    Musselinvorhänge auffliegen. Inzwischen war
    Virginie schon zweimal verschwunden und
    hatte sich beim Zurückkommen zu Gervaises
    Ohr herabgebeugt, um ihr ganz leise eine
    Auskunft zu geben. Als sie zum drittenmal
    inmitten des Getöses zurückkam, sagte sie zu
    ihr:
    »Meine Liebe, er ist immer noch bei François,
    er tut so, als ob er Zeitung liest ... Da steckt
    bestimmt irgendeine faule Sache dahinter.« Sie
    sprach von Lantier. Er war es nämlich, den sie
    so belauern ging.
    Bei jedem neuen Bericht wurde Gervaise
    ernst.
    »Ist er denn besoffen?« fragte sie Virginie.
    »Nein«, antwortete die große Brünette. »Er
    sieht ganz vernünftig aus. Gerade

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