Der Todschlaeger
erblickte, die
inmitten von drei oder vier Frauen leise redete
und sie dabei scharf ansah, wurde sie von
irrem Zorn gepackt. Mit vorgehaltenem Armen
suchte sie, an allen Gliedern zitternd und sich
um sich selber drehend, an der Erde herum,
ging ein paar Schritte, stieß auf einen vollen
Eimer, ergriff ihn mit beiden Händen und
leerte ihn mit einem Schwung aus.
»He! Du Kamel!« schrie die lange Virginie.
Sie war mit einem Satz zurückgesprungen,
allein ihre Halbstiefel waren naß geworden.
Das ganze Waschhaus, das die Tränen der
jungen Frau seit einer Weile in Aufruhr
versetzten, drängte sich unterdessen, um die
Schlacht zu sehen. Wäscherinnen, die ihr Brot
aufaßen, stiegen auf Zuber. Andere liefen
herbei, die Hände voller Seife. Es bildete sich
ein Kreis.
»Oh, so ein Kamel!« wiederholte die lange
Virginie. »Was fällt der denn ein, dieser
Verrückten!«
Gervaise, die mit vorgestrecktem Kinn und
zuckendem Gesicht verhielt, antwortete nicht,
weil sie noch nicht über die Pariser
Schandschnauze verfügte. Die andere fuhr
fort:
»Na so was! Die hat es satt, sich in der Provinz
rumzutreiben, war noch keine zwölf Jahre, als
sie schon als Soldatenmatratze gedient hat, die
hat ja ein Bein in ihrer Heimat gelassen ...
Abgefault ist ihr Bein ...«
Gelächter lief um.
Als Virginie ihren Erfolg sah, kam sie zwei
Schritte näher, richtete ihre hohe Gestalt
gerade auf und schrie lauter:
»He! Komm doch ein bißchen näher, laß mal
sehen, wie ich dich versohle! Man darf nicht
herkommen und uns hier anöden, weißt du ...
Kenne ich sie überhaupt, dieses Hurenbalg!
Wenn sie mich getroffen hätte, dann hätte ich
ihr hübsch die Unterröcke hochgehoben. Das
hättet ihr erleben können. Sie soll nur sagen,
was ich ihr getan habe ... Sag doch, du Nutte,
was hat man dir denn getan?«
»Reden Sie nicht so«, stammelte Gervaise.
»Sie wissen genau Bescheid ... Mein Mann ist
gestern abend gesehen worden ... Und halten
Sie den Mund, sonst erwürge ich Sie
wahrhaftig.«
»Ihr Mann! Na, die ist ja gut! – Der Gemahl
von Madame! Als ob man einen Ehemann
kriegt, wenn man so aussieht! – Es ist nicht
meine Schuld, wenn er dich sitzengelassen hat.
Habe ich ihn dir vielleicht gestohlen? Man
kann mich ja durchsuchen ... Soll ich es dir
sagen, das Leben hast du ihm vergällt, diesem
Mann! Er war zu nett für dich ... Hatte er
wenigstens sein Halsband um? Wer hat den
Ehemann von Madame gefunden? – Es gibt
eine Belohnung ...«
Das Gelächter begann von neuem.
Gervaise begnügte sich immer noch, mit
nahezu leiser Stimme zu murmeln:
»Sie wissen genau Bescheid ... Sie wissen
genau Bescheid ... Ihre Schwester ist's, ich
werde sie erwürgen, Ihre Schwester ...«
»Ja, binde man mit meiner Schwester an«,
erwiderte Virginie hohnlächelnd. »Aha, meine
Schwester ist's! Das ist leicht möglich, meine
Schwester hat anderen Schick als du – Aber
geht mich das was an? Kann man denn nicht
mehr ruhig seine Wäsche waschen? Laß mich
in Ruhe, verstehst du, denn jetzt reicht's!« Und
nachdem sie fünf oder sechs Schläge mit dem
Wäschebleuel getan hatte, kam sie, von den
Schimpfworten berauscht, aufbrausend wieder
zurück. Sie schwieg und fing dann
folgendermaßen dreimal von vorn an: »Na gut,
ja, meine Schwester ist's. So, bist du nun
zufrieden? – Sie himmeln sich beide an. Man
muß sehen, wie sie sich abknutschen! – Und
dich hat er mit deinen Bastarden
sitzengelassen! Schöne Bälger, die das Gesicht
voller Schorf haben! Eins ist von einem
Gendarmen, nicht wahr? Und drei andere hast
du verrecken lassen, weil du für die Herreise
kein zusätzliches Gepäck haben wolltest ...
Dein Lantier hat uns das erzählt. Na, der sagt
ja schöne Sachen, er hatte genug von dir
Gerippe!«
»Schlampe! Schlampe! Schlampe!« heulte
Gervaise außer sich und wurde erneut von
einem wütenden Zittern befallen. Sie drehte
sich um, suchte abermals auf der Erde herum.
Und da sie nur den kleinen Kübel fand, ergriff
sie ihn an den Füßen und schleuderte Virginie
das Waschblauwasser ins Gesicht.
»Du Drecksweib! Sie hat mir mein Kleid
verdorben!« schrie Virginie, der eine Schulter
ganz naß geworden und die linke Hand blau
gefärbt war. »Warte, du Misthure!«
Nun packte sie einen Eimer und entleerte ihn
über die junge Frau.
Da entbrannte eine furchtbare Schlacht. Beide
liefen an den Zubern entlang, bemächtigten
sich der vollen Eimer und kamen zurück, um
sie
Weitere Kostenlose Bücher