Der Todschlaeger
aneinander an den Kopf zu werfen. Und
jede Wasserflut wurde von laut schallenden
Stimmen begleitet. Selbst Gervaise antwortete
jetzt:
»Da! Du Miststück! – Den hast du abgekriegt.
Das wird dir den Hintern abkühlen.«
»Oh, das Aas! Das ist für deinen Dreck!
Wasch dich einmal in deinem Leben.«
»Ja, ja, ich werde dich gleich wässern, du
langer Stockfisch!«
»Noch einen! – Putz dir die Zähne, mach dich
zurecht, damit du heute abend an der Ecke der
Rue Belhomme auf den Strich gehen kannst.«
Schließlich füllten sie die Eimer an den
Wasserhähnen. Und bis sie voll waren, schrien
die beiden Weiber unaufhörlich ihre
Unflätigkeiten. Die ersten schlecht
geschleuderten Eimer hatten sie kaum
getroffen. Aber sie kamen in Übung. Als erste
erhielt Virginie einen mitten ins Gesicht; das
Wasser lief ihr in den Hals, floß ihr über
Rücken und Brust und pißte unter ihrem Kleid
hervor. Sie war noch ganz benommen, als ein
zweiter sie von der Seite traf, ihr einen
heftigen Schlag gegen das linke Ohr versetzte
und ihren Haarknoten durchnäßte, der sich wie
ein Bindfaden abwickelte. Gervaise wurde
zuerst an den Beinen getroffen, ein Eimer
Wasser füllte ihre Schuhe, spritzte bis an ihre
Schenkel, zwei weitere überschwemmten ihr
die Hüften. Bald war es übrigens nicht mehr
möglich, die Güsse zu beurteilen. Eine wie die
andere trieften sie von Kopf bis Fuß; mit an
die Schultern festgeklatschten Blusen, am
Kreuz klebenden Röcken, abgemagert, steif
und bibbernd, tropften sie von allen Seiten wie
Regenschirme während eines Wolkenbruchs.
»Die sind aber ulkig!« sagte die heisere
Stimme einer Wäscherin.
Das Waschhaus hatte einen Heidenspaß. Man
war zurückgewichen, um die Spritzer nicht
abzubekommen. Beifall, Scherzworte stiegen
inmitten des Schleusengetöses der in vollem
Schwung entleerten Eimer auf. Auf der Erde
flossen Lachen, und die beiden Frauen
patschten bis zu den Knöcheln darin umher.
Eine Hinterlist anwendend, bemächtigte sich
Virginie indessen plötzlich eines Eimers mit
kochender Lauge, den eine ihrer Nachbarinnen
bestellt hatte, und warf damit.
Ein Schrei erscholl. Man glaubte, Gervaise sei
verbrüht. Aber ihr war nur der linke Fuß leicht
verbrüht worden. Und außer sich vor Schmerz,
schleuderte sie mit allen Kräften einen Eimer,
ohne ihn diesmal zu füllen, Virginie zwischen
die Beine, die hinfiel.
Alle Wäscherinnen redeten auf einmal.
»Sie hat ihr eine Pfote gebrochen!«
»Freilich! Die andere hat sie doch schmoren
wollen!«
»Nach alledem hat sie ja recht, die Blonde,
wenn man ihr ihren Mann weggenommen
hat!«
Frau Boche hob laut schreiend die Arme zum
Himmel. Sie hatte sich wohlweislich zwischen
zwei Zubern in Sicherheit gebracht; und
weinend, dem Ersticken nahe, erschrocken,
hängten sich die Kinder Claude und Etienne an
ihr Kleid mit dem unausgesetzten Geschrei
»Mama! Mama!«, das in ihrem Schluchzen
zerbrach. Als Frau Boche Virginie an der Erde
liegen sah, eilte sie herbei, zog Gervaise an
den Röcken und sagte immer wieder:
»Los, machen Sie, daß Sie wegkommen! Seien
Sie vernünftig ... Ich bin ja schon ganz krank,
mein Ehrenwort! So ein Abmurksen hat man
ja noch nie erlebt.« Aber sie wich zurück,
drehte sich wieder um und flüchtete mit den
Kindern wieder zwischen die beiden Zuber.
Eben war Virginie Gervaise an die Kehle
gesprungen. Sie preßte ihr den Hals zu,
trachtete, sie zu erwürgen. Da machte diese
sich mit einem heftigen Ruck frei und hängte
sich an den Zopf von Virginies Haarknoten,
als wolle sie ihr den Kopf abreißen. Stumm,
ohne einen Schrei, ohne ein Schimpfwort
begann die Schlacht von neuem. Sie packten
sich nicht an den Leibern, sie fuhren einander
mit gespreizten und gekrümmten Händen ins
Gesicht, kniffen, kratzten, was sie zu greifen
kriegten. Das rote Band und das blaue
Chenillenetz der langen Brünetten wurden
abgerissen; ihre Bluse, die am Halse geplatzt
war, ließ ihre Haut und ein ganzes Stück der
Schulter sehen, während die Blonde, die
entkleidet wurde und der ein Ärmel ihres
weißen Unterjäckchens ausgezogen worden
war, ohne daß sie wußte wie, einen Riß im
Hemd hatte, der die nackte Biegung ihrer
Taille entblößte. Stoffetzen flogen umher. Bei
Gervaise war zuerst Blut zu sehen, drei lange
Schrammen, die sich vom Mund bis unter das
Kinn hinabzogen; und sie schützte ihre Augen
und schloß sie bei jedem Schlag aus Angst,
daß ihr eins ausgeschlagen
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