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Der Todschlaeger

Der Todschlaeger

Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
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Literflasche. Darauf zog der Polizist
    über den Hof ab und nahm gemessenen
    Schrittes seinen steifen und strengen Gang auf
    dem Bürgersteig wieder auf.
    In der ersten Zeit ging bei der Wäscherin alles
    durcheinander. Lantier hatte zwar sein
    separates Zimmer, seinen Eingang, seinen
    Schlüssel, aber da man sich im letzten
    Augenblick entschlossen hatte, die
    Verbindungstür nicht zu verstellen, geschah
    es, daß er meistens durch den Laden ging.
    Auch die schmutzige Wäsche war Gervaise
    sehr im Wege, denn ihr Mann kümmerte sich
    nicht um die große Kiste, von der er
    gesprochen hatte; und sie sah sich gezwungen,
    von der schmutzigen Wäsche überall etwas
    hinzustopfen, in die Ecken und hauptsächlich
    unter ihr Bett, was in den Sommernächten
    nicht gerade angenehm war. Schließlich
    verdroß es sie sehr, daß sie jeden Abend
    Etiennes Bett mitten im Laden
    zurechtzumachen hatte; wenn die
    Arbeiterinnen bis spät dablieben, schlief das
    Kind solange auf einem Stuhl. Da Goujet
    überdies mit ihr davon gesprochen hatte,
    Etienne nach Lille zu schicken, wo sein
    früherer Arbeitgeber, ein Mechaniker,
    Lehrlinge suchte, ließ sie sich von diesem Plan
    verlocken, zumal der Bengel, der zu Hause
    wenig glücklich war und sein eigener Herr zu
    sein begehrte, sie anflehte, ihre Einwilligung
    zu geben. Sie fürchtete lediglich eine glatte
    Weigerung von seiten Lantiers. Er war ja
    einzig und allein deshalb zu ihnen gezogen,
    um seinem Sohn näher zu sein; er würde ihn
    nicht ausgerechnet vierzehn Tage nach seinem
    Einzug verlieren wollen. Doch als sie zitternd
    mit ihm über die Angelegenheit sprach,
    billigte er den Gedanken sehr und sagte, die
    jungen Arbeiter müßten sich im Lande
    umsehen. An dem Morgen, an dem Etienne
    abreiste, hielt er ihm eine Rede über seine
    Rechte, dann küßte er ihn und deklamierte:
    »Denk daran, daß der Produzent kein Sklave
    ist, sondern daß jeder, der kein Produzent ist,
    eine Drohne ist.«
    Alsdann begann der tägliche Trott des Hauses
    wieder, alles beruhigte sich und schlummerte
    in neuen Gewohnheiten ein. Gervaise hatte
    sich an das heillose Durcheinander der
    schmutzigen Wäsche und an Lantiers
    Hinundherlaufen gewöhnt. Dieser sprach stets
    von seinen großen Geschäften; zuweilen ging
    er gut gekämmt und mit weißer Wäsche aus,
    verschwand, schlief sogar außer Haus und
    kehrte dann wieder heim, wobei er so tat, als
    sei er kreuzlahm und ihm der Kopf wie
    zerschlagen, als habe er gerade
    vierundzwanzig Stunden lang die wichtigsten
    Belange erörtert. Die Wahrheit war, daß er ein
    ganz bequemes Leben führte. Oh, es bestand
    keine Gefahr, daß er sich Schwielen an den
    Händen holte! Er stand gewöhnlich gegen
    zehn Uhr auf, machte nachmittags einen
    Spaziergang, wenn die Farbe der Sonne ihm
    zusagte, oder blieb an Regentagen im Laden,
    wo er seine Zeitung überflog. Das war sein
    Milieu, er strotzte vor Behagen zwischen den
    Röcken, drängte sich so dicht wie möglich an
    die Frauen heran, schwärmte für ihre Zoten,
    trieb sie dazu, welche zu sagen, während er
    selbst eine gewählte Ausdrucksweise
    beibehielt; und dies erklärte, warum er so gern
    mit den Wäscherinnen anbändelte, die keine
    zimperlichen Mädchen waren. Wenn
    Clémence ihm ihren Rosenkranz vorbetete,
    blieb er sanft, lächelte und zwirbelte dabei
    seine dünnen Schnurrbartenden. Der Geruch
    der Werkstatt, diese schweißbedeckten
    Arbeiterinnen, die mit ihren nackten Armen
    die Bügeleisen auftappten, dieser ganze, einem
    Alkoven gleichende Winkel, in dem herumlag,
    was die Damen aus dem Viertel ausgezogen
    hatten, schien für ihn das erträumte Nest zu
    sein, ein lange gesuchter Zufluchtsort der
    Trägheit und des Sinnengenusses.
    In der ersten Zeit aß Lantier bei François an
    der Ecke der Rue des Poissonniers. Aber von
    den sieben Tagen der Woche aß er drei bis
    viermal mit den Coupeaus zu Abend, so daß er
    ihnen schließlich anbot, bei ihnen in Kost zu
    gehen; er würde ihnen jeden Sonnabend
    fünfzehn Francs geben. Alsdann verließ er das
    Haus nicht mehr, nistete sich ganz und gar ein.
    Von morgens bis abends sah man ihn in
    Hemdsärmeln, die Stimme erhebend und
    befehlend, vom Laden in die hintere Stube
    gehen; er antwortete sogar den Kundinnen, er
    leitete die Bude. Da der Wein von François
    ihm mißfallen hatte, überredete er Gervaise,
    ihren Wein künftig bei Vigouroux, dem
    Kohlenhändler von nebenan, zu kaufen, dessen
    Frau er mit Boche kniff, wenn er die
    Bestellungen aufgab. Dann fand

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