Der Todschlaeger
Literflasche. Darauf zog der Polizist
über den Hof ab und nahm gemessenen
Schrittes seinen steifen und strengen Gang auf
dem Bürgersteig wieder auf.
In der ersten Zeit ging bei der Wäscherin alles
durcheinander. Lantier hatte zwar sein
separates Zimmer, seinen Eingang, seinen
Schlüssel, aber da man sich im letzten
Augenblick entschlossen hatte, die
Verbindungstür nicht zu verstellen, geschah
es, daß er meistens durch den Laden ging.
Auch die schmutzige Wäsche war Gervaise
sehr im Wege, denn ihr Mann kümmerte sich
nicht um die große Kiste, von der er
gesprochen hatte; und sie sah sich gezwungen,
von der schmutzigen Wäsche überall etwas
hinzustopfen, in die Ecken und hauptsächlich
unter ihr Bett, was in den Sommernächten
nicht gerade angenehm war. Schließlich
verdroß es sie sehr, daß sie jeden Abend
Etiennes Bett mitten im Laden
zurechtzumachen hatte; wenn die
Arbeiterinnen bis spät dablieben, schlief das
Kind solange auf einem Stuhl. Da Goujet
überdies mit ihr davon gesprochen hatte,
Etienne nach Lille zu schicken, wo sein
früherer Arbeitgeber, ein Mechaniker,
Lehrlinge suchte, ließ sie sich von diesem Plan
verlocken, zumal der Bengel, der zu Hause
wenig glücklich war und sein eigener Herr zu
sein begehrte, sie anflehte, ihre Einwilligung
zu geben. Sie fürchtete lediglich eine glatte
Weigerung von seiten Lantiers. Er war ja
einzig und allein deshalb zu ihnen gezogen,
um seinem Sohn näher zu sein; er würde ihn
nicht ausgerechnet vierzehn Tage nach seinem
Einzug verlieren wollen. Doch als sie zitternd
mit ihm über die Angelegenheit sprach,
billigte er den Gedanken sehr und sagte, die
jungen Arbeiter müßten sich im Lande
umsehen. An dem Morgen, an dem Etienne
abreiste, hielt er ihm eine Rede über seine
Rechte, dann küßte er ihn und deklamierte:
»Denk daran, daß der Produzent kein Sklave
ist, sondern daß jeder, der kein Produzent ist,
eine Drohne ist.«
Alsdann begann der tägliche Trott des Hauses
wieder, alles beruhigte sich und schlummerte
in neuen Gewohnheiten ein. Gervaise hatte
sich an das heillose Durcheinander der
schmutzigen Wäsche und an Lantiers
Hinundherlaufen gewöhnt. Dieser sprach stets
von seinen großen Geschäften; zuweilen ging
er gut gekämmt und mit weißer Wäsche aus,
verschwand, schlief sogar außer Haus und
kehrte dann wieder heim, wobei er so tat, als
sei er kreuzlahm und ihm der Kopf wie
zerschlagen, als habe er gerade
vierundzwanzig Stunden lang die wichtigsten
Belange erörtert. Die Wahrheit war, daß er ein
ganz bequemes Leben führte. Oh, es bestand
keine Gefahr, daß er sich Schwielen an den
Händen holte! Er stand gewöhnlich gegen
zehn Uhr auf, machte nachmittags einen
Spaziergang, wenn die Farbe der Sonne ihm
zusagte, oder blieb an Regentagen im Laden,
wo er seine Zeitung überflog. Das war sein
Milieu, er strotzte vor Behagen zwischen den
Röcken, drängte sich so dicht wie möglich an
die Frauen heran, schwärmte für ihre Zoten,
trieb sie dazu, welche zu sagen, während er
selbst eine gewählte Ausdrucksweise
beibehielt; und dies erklärte, warum er so gern
mit den Wäscherinnen anbändelte, die keine
zimperlichen Mädchen waren. Wenn
Clémence ihm ihren Rosenkranz vorbetete,
blieb er sanft, lächelte und zwirbelte dabei
seine dünnen Schnurrbartenden. Der Geruch
der Werkstatt, diese schweißbedeckten
Arbeiterinnen, die mit ihren nackten Armen
die Bügeleisen auftappten, dieser ganze, einem
Alkoven gleichende Winkel, in dem herumlag,
was die Damen aus dem Viertel ausgezogen
hatten, schien für ihn das erträumte Nest zu
sein, ein lange gesuchter Zufluchtsort der
Trägheit und des Sinnengenusses.
In der ersten Zeit aß Lantier bei François an
der Ecke der Rue des Poissonniers. Aber von
den sieben Tagen der Woche aß er drei bis
viermal mit den Coupeaus zu Abend, so daß er
ihnen schließlich anbot, bei ihnen in Kost zu
gehen; er würde ihnen jeden Sonnabend
fünfzehn Francs geben. Alsdann verließ er das
Haus nicht mehr, nistete sich ganz und gar ein.
Von morgens bis abends sah man ihn in
Hemdsärmeln, die Stimme erhebend und
befehlend, vom Laden in die hintere Stube
gehen; er antwortete sogar den Kundinnen, er
leitete die Bude. Da der Wein von François
ihm mißfallen hatte, überredete er Gervaise,
ihren Wein künftig bei Vigouroux, dem
Kohlenhändler von nebenan, zu kaufen, dessen
Frau er mit Boche kniff, wenn er die
Bestellungen aufgab. Dann fand
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