Der Todschlaeger
er das Brot
von Coudeloup schlecht gebacken; und er
schickte Augustine zur Wiener Bäckerei im
Faubourg Poissonniere, zu Meyer, Brot holen.
Er wechselte auch Lehongre, den
Kolonialwarenhändler, und blieb nur bei dem
Fleischer in der Rue Polonceau, dem dicken
Charles, wegen seiner politischen Ansichten.
Nach Verlauf eines Monats wollte er die ganze
Küche auf Öl umstellen. Wie Clémence sagte,
wenn sie ihn aufzog, kam bei diesem
verdammten Provenzalen doch immer wieder
der Ölfleck zum Vorschein. Die Eierkuchen
machte er selbst, gewendete Eierkuchen, auf
beiden Seiten brauner gebacken als Krapfen
und so fest, daß man meinen konnte, es seien
Schiffszwiebäcke. Er paßte auf Mama
Coupeau auf, verlangte die Rumsteaks ganz
durchgebraten, wie Schuhsohlen, tat überall
Knoblauch hinzu und wurde böse, wenn man
Beikräuter in den Salat schnitt, Unkräuter, wie
er schrie, zwischen die durchaus mal
unvermerkt Gift geraten konnte. Doch sein
Lieblingsgericht war eine gewisse Suppe, in
Wasser gekochte sehr dicke Fadennudeln, in
die er eine halbe Flasche Öl hineingoß. Er
allein aß welche und Gervaise, denn die
anderen, die Pariser, hatten, als sie eines Tages
davon zu kosten gewagt hatten, beinahe Lunge
und Leber ausgebrochen.
Nach und nach war Lantier ebenfalls dahin
gelangt, sich um die Familienangelegenheiten
zu kümmern. Da die Lorilleux immer ein
saures Gesicht machten, wenn sie die hundert
Sous für Mama Coupeau herausrücken sollten,
hatte er erklärt, man könne einen Prozeß gegen
sie anstrengen. War ihnen die Meinung der
Leute etwa schnuppe? Zehn Francs im Monat
mußten sie geben! Und er ging selber hinauf,
um die zehn Francs zu holen, mit einer so
dreisten und liebenswürdigen Miene, daß die
Kettenmacherin sie nicht zu verweigern wagte.
Nun gab auch Frau Lerat zwei
Hundertsousstücke. Mama Coupeau hätte
Lantier die Hände küssen mögen, der
außerdem bei den Streitereien zwischen der
alten Frau und Gervaise die Rolle eines
Oberschiedsmannes spielte. Wenn die
Wäscherin, von Ungeduld ergriffen, ihre
Schwiegermutter anfuhr und diese in ihr Bett
weinen ging, knuffte er sie beide und zwang
sie, sich zu umarmen, wobei er sie fragte, ob
sie glaubten, daß sie den Leuten mit ihren
verträglichen Charakteren Spaß machten. Es
war wie mit Nana: seiner Meinung nach wurde
sie äußerst schlecht erzogen. Darin hatte er
nicht unrecht, denn wenn der Vater
drauflosschlug, stand die Mutter der Range
bei, und wenn die Mutter ihrerseits prügelte,
machte der Vater eine Szene. Nana, die
entzückt war, zu sehen, wie sich ihre Eltern
krachten, und die sich im voraus entschuldigt
fühlte, beging die tollsten Streiche. Jetzt hatte
sie sich ausgedacht, gegenüber in die
Hufschmiede spielen zu gehen; den ganzen
Tag schaukelte sie sich an den Deichseln der
Karren, versteckte sich mit Scharen von
Straßenjungen hinten in dem vom roten Feuer
der Schmiede erhellten bleifahlen Hof, sie kam
plötzlich rennend, schreiend, zerzaust und
beschmiert wieder zum Vorschein, gefolgt von
der Schlange der Straßenjungen, als hätte eine
Wucht Hammerschläge diese schlampigen
Kinder eben in die Flucht geschlagen. Lantier
allein konnte sie ausschelten; und sie verstand
ihn überdies ganz schön zu nehmen. Diese
zehnjährige Scheißgöre ging wie eine Dame
vor ihm her, wiegte sich hin und her und sah
ihn von der Seite an, die Augen bereits voller
Laster. Er hatte schließlich ihre Erziehung
übernommen; er brachte ihr tanzen bei und in
der Mundart sprechen.
Auf diese Weise verfloß ein Jahr. Im Viertel
glaubte man, Lantier beziehe Jahreszinsen,
denn dies war die einzige Art, sich den großen
Aufwand der Coupeaus zu erklären. Freilich,
Gervaise verdiente weiter Geld; aber nun, da
sie zwei nichtstuerische Männer ernährte,
konnte der Laden bestimmt nicht ausreichen,
zumal der Laden weniger gut ging, Kundinnen
abwanderten, die Arbeiterinnen von morgens
bis abends herumalberten. Die Wahrheit war,
daß Lantier nichts bezahlte, weder Miete noch
Verpflegung. Die ersten Monate hatte er
Anzahlungen geleistet; dann hatte er sich
damit begnügt, von einer großen Summe zu
sprechen, die er einnehmen und mit der er
später alles auf einmal begleichen würde.
Gervaise wagte keinen Centime mehr von ihm
zu verlangen. Brot, Wein und Fleisch holte sie
auf Kredit. Die Rechnungen stiegen überall an,
das ging jeden Tag um drei bis vier Francs
voran. Sie hatte weder dem
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