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Der Todschlaeger

Der Todschlaeger

Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
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er das Brot
    von Coudeloup schlecht gebacken; und er
    schickte Augustine zur Wiener Bäckerei im
    Faubourg Poissonniere, zu Meyer, Brot holen.
    Er wechselte auch Lehongre, den
    Kolonialwarenhändler, und blieb nur bei dem
    Fleischer in der Rue Polonceau, dem dicken
    Charles, wegen seiner politischen Ansichten.
    Nach Verlauf eines Monats wollte er die ganze
    Küche auf Öl umstellen. Wie Clémence sagte,
    wenn sie ihn aufzog, kam bei diesem
    verdammten Provenzalen doch immer wieder
    der Ölfleck zum Vorschein. Die Eierkuchen
    machte er selbst, gewendete Eierkuchen, auf
    beiden Seiten brauner gebacken als Krapfen
    und so fest, daß man meinen konnte, es seien
    Schiffszwiebäcke. Er paßte auf Mama
    Coupeau auf, verlangte die Rumsteaks ganz
    durchgebraten, wie Schuhsohlen, tat überall
    Knoblauch hinzu und wurde böse, wenn man
    Beikräuter in den Salat schnitt, Unkräuter, wie
    er schrie, zwischen die durchaus mal
    unvermerkt Gift geraten konnte. Doch sein
    Lieblingsgericht war eine gewisse Suppe, in
    Wasser gekochte sehr dicke Fadennudeln, in
    die er eine halbe Flasche Öl hineingoß. Er
    allein aß welche und Gervaise, denn die
    anderen, die Pariser, hatten, als sie eines Tages
    davon zu kosten gewagt hatten, beinahe Lunge
    und Leber ausgebrochen.
    Nach und nach war Lantier ebenfalls dahin
    gelangt, sich um die Familienangelegenheiten
    zu kümmern. Da die Lorilleux immer ein
    saures Gesicht machten, wenn sie die hundert
    Sous für Mama Coupeau herausrücken sollten,
    hatte er erklärt, man könne einen Prozeß gegen
    sie anstrengen. War ihnen die Meinung der
    Leute etwa schnuppe? Zehn Francs im Monat
    mußten sie geben! Und er ging selber hinauf,
    um die zehn Francs zu holen, mit einer so
    dreisten und liebenswürdigen Miene, daß die
    Kettenmacherin sie nicht zu verweigern wagte.
    Nun gab auch Frau Lerat zwei
    Hundertsousstücke. Mama Coupeau hätte
    Lantier die Hände küssen mögen, der
    außerdem bei den Streitereien zwischen der
    alten Frau und Gervaise die Rolle eines
    Oberschiedsmannes spielte. Wenn die
    Wäscherin, von Ungeduld ergriffen, ihre
    Schwiegermutter anfuhr und diese in ihr Bett
    weinen ging, knuffte er sie beide und zwang
    sie, sich zu umarmen, wobei er sie fragte, ob
    sie glaubten, daß sie den Leuten mit ihren
    verträglichen Charakteren Spaß machten. Es
    war wie mit Nana: seiner Meinung nach wurde
    sie äußerst schlecht erzogen. Darin hatte er
    nicht unrecht, denn wenn der Vater
    drauflosschlug, stand die Mutter der Range
    bei, und wenn die Mutter ihrerseits prügelte,
    machte der Vater eine Szene. Nana, die
    entzückt war, zu sehen, wie sich ihre Eltern
    krachten, und die sich im voraus entschuldigt
    fühlte, beging die tollsten Streiche. Jetzt hatte
    sie sich ausgedacht, gegenüber in die
    Hufschmiede spielen zu gehen; den ganzen
    Tag schaukelte sie sich an den Deichseln der
    Karren, versteckte sich mit Scharen von
    Straßenjungen hinten in dem vom roten Feuer
    der Schmiede erhellten bleifahlen Hof, sie kam
    plötzlich rennend, schreiend, zerzaust und
    beschmiert wieder zum Vorschein, gefolgt von
    der Schlange der Straßenjungen, als hätte eine
    Wucht Hammerschläge diese schlampigen
    Kinder eben in die Flucht geschlagen. Lantier
    allein konnte sie ausschelten; und sie verstand
    ihn überdies ganz schön zu nehmen. Diese
    zehnjährige Scheißgöre ging wie eine Dame
    vor ihm her, wiegte sich hin und her und sah
    ihn von der Seite an, die Augen bereits voller
    Laster. Er hatte schließlich ihre Erziehung
    übernommen; er brachte ihr tanzen bei und in
    der Mundart sprechen.
    Auf diese Weise verfloß ein Jahr. Im Viertel
    glaubte man, Lantier beziehe Jahreszinsen,
    denn dies war die einzige Art, sich den großen
    Aufwand der Coupeaus zu erklären. Freilich,
    Gervaise verdiente weiter Geld; aber nun, da
    sie zwei nichtstuerische Männer ernährte,
    konnte der Laden bestimmt nicht ausreichen,
    zumal der Laden weniger gut ging, Kundinnen
    abwanderten, die Arbeiterinnen von morgens
    bis abends herumalberten. Die Wahrheit war,
    daß Lantier nichts bezahlte, weder Miete noch
    Verpflegung. Die ersten Monate hatte er
    Anzahlungen geleistet; dann hatte er sich
    damit begnügt, von einer großen Summe zu
    sprechen, die er einnehmen und mit der er
    später alles auf einmal begleichen würde.
    Gervaise wagte keinen Centime mehr von ihm
    zu verlangen. Brot, Wein und Fleisch holte sie
    auf Kredit. Die Rechnungen stiegen überall an,
    das ging jeden Tag um drei bis vier Francs
    voran. Sie hatte weder dem

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