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Der Todschlaeger

Der Todschlaeger

Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
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Möbelhändler
    noch den drei Kumpels, dem Maurer, dem
    Tischler und dem Maler, einen Sou gegeben.
    Alle diese Leute begannen zu murren, in den
    Geschäften wurde man weniger höflich zu ihr.
    Doch sie war wie trunken von der Sucht nach
    Schulden; sie betäubte sich, suchte die
    teuersten Dinge aus, ließ sich in ihrer
    Naschhaftigkeit gehen, seitdem sie nicht mehr
    bezahlte; und im Grunde blieb sie sehr
    rechtschaffen und träumte davon, von morgens
    bis abends Hunderte von Francs zu verdienen
    – sie wußte nur nicht recht, auf welche Weise
    –, um Hände voll Hundertsousstücke an ihre
    Lieferanten zu verteilen. Kurzum, sie versank,
    und in dem Maße wie sie herunterkam, sprach
    sie davon, ihre Geschäfte zu erweitern.
    Dennoch war gegen Mitte des Sommers die
    lange Clémence gegangen, weil nicht genug
    Arbeit für zwei Arbeiterinnen da war und sie
    wochenlang auf ihr Geld wartete. Inmitten
    dieses Zusammenbruchs bekamen Coupeau
    und Lantier dicke Backen. Bis zum Hals voll
    am Tisch sitzend, verfraßen die Kerle den
    Laden und mästeten sich am Ruin des
    Geschäftes; und sie feuerten einander an,
    schleunigst zu schlingen, und klopften sich,
    Witze machend, beim Nachtisch auf den
    Bauch, bloß um schneller zu verdauen.
    Das Hauptgesprächsthema im Viertel war,
    dahinterzukommen, ob sich Lantier tatsächlich
    mit Gervaise ausgesöhnt hatte. Darüber waren
    die Meinungen geteilt. Wenn man die
    Lorilleux hörte, so tat Hinkebein alles, Um den
    Hutmacher wieder zu kapern, aber er wollte
    sie nicht mehr haben, fand sie zu
    verschrumpelt, hatte in der Stadt kleine
    Mädchen mit ganz anders geputztem
    Frätzchen. Nach Meinung der Boches dagegen
    hatte sich die Wäscherin gleich in der ersten
    Nacht wieder zu ihrem früheren Mann gesellt,
    sobald Coupeau, dieser Schafskopf,
    geschnarcht hatte. All dies schien auf die eine
    wie die andere Art nicht gerade sauber zu sein;
    doch im Leben gibt es so viele
    Schmutzigkeiten, und noch größere, daß die
    Leute diese Ehe zu dritt schließlich natürlich,
    ja sogar nett fanden, denn in ihr prügelte man
    sich nie, und der Anstand blieb gewahrt. Falls
    man seine Nase in andere Familienverhältnisse
    im Viertel gesteckt hätte, würde man sich
    gewiß noch mehr vergiftet haben. Bei den
    Coupeaus sah es wenigstens noch gutmütig
    aus. Alle drei gaben sich ihrer Brutzelei hin,
    tranken sich einen an und pennten gemütlich
    zusammen, ohne die Nachbarn am Schlafen zu
    hindern. Außerdem war das Viertel weiterhin
    von Lantiers guten Manieren eingenommen.
    Dieser Schönredner schloß allen
    Klatschweibern den Schnabel. In der
    Ungewißheit, in der man sich über seine
    Beziehungen zu Gervaise befand, schien die
    Kaldaunenhändlerin, als die Obsthändlerin
    diese Beziehungen vor ihr abstritt, zu meinen,
    das sei wirklich schade, weil das schließlich
    die Coupeaus weniger interessant mache.
    Nach dieser Seite hin lebte Gervaise indessen
    ruhig und dachte kaum an diese
    Unflätigkeiten. Die Dinge gediehen so weit,
    daß man sie beschuldigte, herzlos zu sein. In
    der Familie verstand man nicht, daß sie gegen
    den Hutmacher nachtragend war. Frau Lerat,
    die sich leidenschaftlich gern zwischen
    Verliebte steckte, kam alle Abende; und sie
    behandelte Lantier als einen unwiderstehlichen
    Mann, in dessen Armen auch die vornehmsten
    Damen hinsinken mußten. Frau Boche hätte
    für ihre Tugend nicht einstehen können, wenn
    sie zehn Jahre jünger gewesen wäre. Eine
    dumpfe, stetige Verschwörung wuchs an, trieb
    Gervaise langsam weiter, als hätten alle
    Frauen rings um sie Befriedigung finden
    müssen, indem sie ihr einen Liebhaber
    verschafften. Aber Gervaise wunderte sich,
    entdeckte nicht so viel Verführerisches bei
    Lantier. Zweifellos hatte er sich zu seinem
    Vorteil verändert: er trug stets einen
    Überzieher, er hatte sich in den Cafés und den
    politischen Versammlungen Bildung
    angeeignet. Nur sie, die ihn genau kannte, sah
    ihm durch die beiden Löcher seiner Augen bis
    auf die Seele und fand dort einen Haufen
    Dinge wieder, vor denen sie einen leichten
    Schauder zurückbehalten hatte. Wenn das den
    anderen schließlich so sehr gefiel, warum
    wagten die anderen dann nicht, den Herrn
    auszuprobieren? Dies gab sie eines Tages
    Virginie zu verstehen, die sich am hitzigsten
    zeigte. Da erzählten ihr Frau Lerat und
    Virginie, um sie aufzustacheln, die
    Liebesgeschichten von Lantier und der langen
    Clémence. Ja, sie habe nichts bemerkt; aber
    sobald sie weggegangen sei, um

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