Der Todschlaeger
Möbelhändler
noch den drei Kumpels, dem Maurer, dem
Tischler und dem Maler, einen Sou gegeben.
Alle diese Leute begannen zu murren, in den
Geschäften wurde man weniger höflich zu ihr.
Doch sie war wie trunken von der Sucht nach
Schulden; sie betäubte sich, suchte die
teuersten Dinge aus, ließ sich in ihrer
Naschhaftigkeit gehen, seitdem sie nicht mehr
bezahlte; und im Grunde blieb sie sehr
rechtschaffen und träumte davon, von morgens
bis abends Hunderte von Francs zu verdienen
– sie wußte nur nicht recht, auf welche Weise
–, um Hände voll Hundertsousstücke an ihre
Lieferanten zu verteilen. Kurzum, sie versank,
und in dem Maße wie sie herunterkam, sprach
sie davon, ihre Geschäfte zu erweitern.
Dennoch war gegen Mitte des Sommers die
lange Clémence gegangen, weil nicht genug
Arbeit für zwei Arbeiterinnen da war und sie
wochenlang auf ihr Geld wartete. Inmitten
dieses Zusammenbruchs bekamen Coupeau
und Lantier dicke Backen. Bis zum Hals voll
am Tisch sitzend, verfraßen die Kerle den
Laden und mästeten sich am Ruin des
Geschäftes; und sie feuerten einander an,
schleunigst zu schlingen, und klopften sich,
Witze machend, beim Nachtisch auf den
Bauch, bloß um schneller zu verdauen.
Das Hauptgesprächsthema im Viertel war,
dahinterzukommen, ob sich Lantier tatsächlich
mit Gervaise ausgesöhnt hatte. Darüber waren
die Meinungen geteilt. Wenn man die
Lorilleux hörte, so tat Hinkebein alles, Um den
Hutmacher wieder zu kapern, aber er wollte
sie nicht mehr haben, fand sie zu
verschrumpelt, hatte in der Stadt kleine
Mädchen mit ganz anders geputztem
Frätzchen. Nach Meinung der Boches dagegen
hatte sich die Wäscherin gleich in der ersten
Nacht wieder zu ihrem früheren Mann gesellt,
sobald Coupeau, dieser Schafskopf,
geschnarcht hatte. All dies schien auf die eine
wie die andere Art nicht gerade sauber zu sein;
doch im Leben gibt es so viele
Schmutzigkeiten, und noch größere, daß die
Leute diese Ehe zu dritt schließlich natürlich,
ja sogar nett fanden, denn in ihr prügelte man
sich nie, und der Anstand blieb gewahrt. Falls
man seine Nase in andere Familienverhältnisse
im Viertel gesteckt hätte, würde man sich
gewiß noch mehr vergiftet haben. Bei den
Coupeaus sah es wenigstens noch gutmütig
aus. Alle drei gaben sich ihrer Brutzelei hin,
tranken sich einen an und pennten gemütlich
zusammen, ohne die Nachbarn am Schlafen zu
hindern. Außerdem war das Viertel weiterhin
von Lantiers guten Manieren eingenommen.
Dieser Schönredner schloß allen
Klatschweibern den Schnabel. In der
Ungewißheit, in der man sich über seine
Beziehungen zu Gervaise befand, schien die
Kaldaunenhändlerin, als die Obsthändlerin
diese Beziehungen vor ihr abstritt, zu meinen,
das sei wirklich schade, weil das schließlich
die Coupeaus weniger interessant mache.
Nach dieser Seite hin lebte Gervaise indessen
ruhig und dachte kaum an diese
Unflätigkeiten. Die Dinge gediehen so weit,
daß man sie beschuldigte, herzlos zu sein. In
der Familie verstand man nicht, daß sie gegen
den Hutmacher nachtragend war. Frau Lerat,
die sich leidenschaftlich gern zwischen
Verliebte steckte, kam alle Abende; und sie
behandelte Lantier als einen unwiderstehlichen
Mann, in dessen Armen auch die vornehmsten
Damen hinsinken mußten. Frau Boche hätte
für ihre Tugend nicht einstehen können, wenn
sie zehn Jahre jünger gewesen wäre. Eine
dumpfe, stetige Verschwörung wuchs an, trieb
Gervaise langsam weiter, als hätten alle
Frauen rings um sie Befriedigung finden
müssen, indem sie ihr einen Liebhaber
verschafften. Aber Gervaise wunderte sich,
entdeckte nicht so viel Verführerisches bei
Lantier. Zweifellos hatte er sich zu seinem
Vorteil verändert: er trug stets einen
Überzieher, er hatte sich in den Cafés und den
politischen Versammlungen Bildung
angeeignet. Nur sie, die ihn genau kannte, sah
ihm durch die beiden Löcher seiner Augen bis
auf die Seele und fand dort einen Haufen
Dinge wieder, vor denen sie einen leichten
Schauder zurückbehalten hatte. Wenn das den
anderen schließlich so sehr gefiel, warum
wagten die anderen dann nicht, den Herrn
auszuprobieren? Dies gab sie eines Tages
Virginie zu verstehen, die sich am hitzigsten
zeigte. Da erzählten ihr Frau Lerat und
Virginie, um sie aufzustacheln, die
Liebesgeschichten von Lantier und der langen
Clémence. Ja, sie habe nichts bemerkt; aber
sobald sie weggegangen sei, um
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